Illertisser Störche trauern um ihren Nachwuchs
Die Vögel im Horst auf dem Vöhlinschloss füttern nicht mehr. Beobachter Dieter Zeller geht deshalb davon aus, dass die Jungen nicht überlebt haben. Ihr Schicksal bleibt rätselhaft
Bei Storchenfans dürfte die Trauer groß sein: In diesem Jahr wird auf dem Dach des Vöhlinschlosses kein Vogelnachwuchs heranwachsen – die Eltern haben zwar zunächst gefüttert, dieses Verhalten vor einigen Tagen jedoch eingestellt. Das hat Dieter Zeller beobachtet, der die stadtbekannten Illertisser Störche seit vielen Jahren für den Landesbund für Vogelschutz (LBV) begleitet. Vor einigen Wochen hatte noch reger Betrieb rund um das Nest auf dem Schloss geherrscht, das Männchen flog auf Futtersuche umher, das Weibchen bewachte das Heim, wohl, weil sich Eier oder junge Störche darin befanden. Die Zeiten sind vorbei.
Die erwachsenen Tiere stünden jetzt nur teilnahmslos neben dem Horst, sagt Zeller. „Sie wirken apathisch.“Für ihn ist das ein Anzeichen dafür, dass die geschlüpften Vögel nicht überlebt haben. Möglicherweise sind die Unwetter der vergangenen Tage dafür verantwortlich. Von einem „Tierdrama“ will der Storchenexperte nicht sprechen. „So ist die Natur, das kommt vor.“Ähnliche Schicksalsschläge hätten die Tiere auf dem Illertisser Schloss immer wieder ereilt. Dass die Menschen in der Vöhlinstadt Anteil an Wohl und Wehe der Tiere nehmen, kann Zeller jedoch gut verstehen. „Die Störche sind Sympathieträger.“
Immerhin leben sie schon eine ganze Weile in Illertissen: Im Jahr 1996 wurde das Nest auf das Schloss gebaut, durch eine Initiative um den damaligen Bauhofleiter Johann Biber. Damals hatte ein Tier nach einer Behausung gesucht und auch begonnen, selbst eine zu bauen. Wohl ohne Erfolg. Man habe Unterstützung geben wollen, erinnert sich Zeller. Das Ergebnis war der Horst auf dem Schlossdach, hoch über Illertissen – „ein Penthouse für Störche“, wie der Beobachter schmunzelnd sagt. Das Domizil ist dauerhaft ausgebucht: Seit 18 Jahren bewohnt das gleiche Storchenpaar das Nest, auch im Winter. Ebenso lange führt Zeller für den LBV Buch über die Bewohner. Das Männchen ist ein betagtes Exemplar, das zeigt der Ring, den es 1992 in der Schweiz bekommen hat. Ein Storch könne bis zu 30 Jahre alt werden, das habe zumindest mal ein Tier in Gefangenschaft geschafft, weiß Zeller. Der weibliche Vogel auf dem Schloss ist immerhin über 18 Jahre alt.
So feudal wie ihre Illertisser Artgenossen residieren andere Störche in der Umgebung zwar nicht – doch auch die Horste in Unterroth, Oberroth und Tiefenbach seien besetzt. Zuletzt wurden insgesamt mehr Tiere registriert als früher, sagt Zeller. Die Lebensbedingungen hätten sich verbessert, es gebe mehr Biotope. Im nahen Obenhauser Ried fänden die hiesigen Tiere genug Nahrung. Das sei entscheidend: „Einen Maßkrug voller Würmer brauchen sie jeden Tag“, so Zeller.
Was genau mit den jungen Tieren auf dem Vöhlinschloss passiert ist, darüber lasse sich laut Zeller nur spekulieren. „Man kann in das Nest nicht hineinschauen.“Obwohl das kürzlich ein Unbekannter mittels einer Drohne versucht habe. Verbotenerweise, wie der Storchenbeobachter betont. Ohne einen Einblick in den Horst wird das Schicksal der Störche wohl ein Rätsel bleiben. Klar scheint allerdings: Wer in Illertissen an Storchennachwuchs geglaubt hat, muss sich gedulden. Und hoffen, dass es damit im nächsten Jahr wieder klappt.