Cool Britannia
Die englische Combo Skinny Lister vereint Punk, Folk und Rockabilly
Irgendwann in der Mitte des Konzerts verschwindet Lorna Thomas in der Menge des Ulmer Zelts um kurze Zeit später auf den Schultern eines verdutzten Besuchers zu sitzen, der die Frontfrau nach einem kleinen Tänzchen wieder auf der Bühne absetzt. Berührungsängste kennt die Band um Daniel Heptinstall, die Geschwister Lorna und Maxwell Thomas sowie Sam Brace, Thom Mills und Scott Milsom nicht. „Danke, dass Lorna noch in einem Stück ist“, sagt Leadsänger Daniel Heptinstall in breitestem Cockney und nippt an seinem Bier.
Die Wurzeln verkörpert Heptinstall, dessen Band nach seinem Spitznamen aus der Schulzeit benannt sein soll, auch optisch: Die ikonischen Dr. Martens an den Füßen und das weiße, gerippte Unterhemd stehen für die Arbeitsklasse. Wie es sich für einen Held der Arbeiterklasse gehört, fließt der Schweiß in Strömen und die Halsschlagadern treten hervor, wenn der dünne junge Mann von Pub-Schlägereien singt oder sich über die Geordies, die Nordengländer, lustig macht. Die Themen-Mischung passt zum Pub-Thema: „Hamburg Drunk“erzählt von einer durchzechten Nacht auf der Reeperbahn oder der Gassenhauer „Trouble On Oxfordstreet“beschreibt eine Keilerei. Doch die Sechs beschränken sich nicht darauf, einen gefälligen Soundtrack zum Besäufnis zu liefern. Gerade die Unberechenbarkeit ist die Stärke der 2009 gegründeten Band.
Mal klingt die einst wegen ihrer vielen Auftritte von einem Gitarrenhersteller als „am härtesten arbeitende Band Großbritanniens“ausgezeichnete Combo wie Flogging Molly oder die Dropkick Murphys. Das ganze Zelt singt und tanzt wie an einem Freitagabend in einem britischen Pub, kurz bevor die Klingel für die „Last Order“ertönt. In anderen Momenten klingt Thomas wie June Carter und Heptinstall wie Johnny Cash. Wenn dann noch der von Scott Milsom grandios gezupfte Kontrabass einsetzt, ist die Brücke zwischen Rockabilly-Country und Folk-Punk geschlagen. Ungewöhnlich ist auch ihr neuester, noch nicht veröffentlichter Song, der einmal auf dem kommenden Album landen soll: Ein Lied über einen AtomFehlalarm der Katastrophenschutzbehörde auf Hawaii, der für 38 Minuten Todesangst in der Bevölkerung sorgte. Skinny Lister sorgen im Zelt hingegen für fast zwei Stunden Freude. Am Ende tanzen ihre Hardcore-Fans auf der Bühne. Da war der zehn Liter Bier-Humpen, den Thomas traditionell durchs Publikum gehen lässt längst leer. „Der perfekte Abschluss unserer Deutschland-Tour“, schreiben die Sechs unter ein Bild vom Konzert auf ihrer Facebook-Seite. Dem ist nichts hinzuzufügen.