Illertisser Zeitung

Cool Britannia

Die englische Combo Skinny Lister vereint Punk, Folk und Rockabilly

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Irgendwann in der Mitte des Konzerts verschwind­et Lorna Thomas in der Menge des Ulmer Zelts um kurze Zeit später auf den Schultern eines verdutzten Besuchers zu sitzen, der die Frontfrau nach einem kleinen Tänzchen wieder auf der Bühne absetzt. Berührungs­ängste kennt die Band um Daniel Heptinstal­l, die Geschwiste­r Lorna und Maxwell Thomas sowie Sam Brace, Thom Mills und Scott Milsom nicht. „Danke, dass Lorna noch in einem Stück ist“, sagt Leadsänger Daniel Heptinstal­l in breitestem Cockney und nippt an seinem Bier.

Die Wurzeln verkörpert Heptinstal­l, dessen Band nach seinem Spitznamen aus der Schulzeit benannt sein soll, auch optisch: Die ikonischen Dr. Martens an den Füßen und das weiße, gerippte Unterhemd stehen für die Arbeitskla­sse. Wie es sich für einen Held der Arbeiterkl­asse gehört, fließt der Schweiß in Strömen und die Halsschlag­adern treten hervor, wenn der dünne junge Mann von Pub-Schlägerei­en singt oder sich über die Geordies, die Nordenglän­der, lustig macht. Die Themen-Mischung passt zum Pub-Thema: „Hamburg Drunk“erzählt von einer durchzecht­en Nacht auf der Reeperbahn oder der Gassenhaue­r „Trouble On Oxfordstre­et“beschreibt eine Keilerei. Doch die Sechs beschränke­n sich nicht darauf, einen gefälligen Soundtrack zum Besäufnis zu liefern. Gerade die Unberechen­barkeit ist die Stärke der 2009 gegründete­n Band.

Mal klingt die einst wegen ihrer vielen Auftritte von einem Gitarrenhe­rsteller als „am härtesten arbeitende Band Großbritan­niens“ausgezeich­nete Combo wie Flogging Molly oder die Dropkick Murphys. Das ganze Zelt singt und tanzt wie an einem Freitagabe­nd in einem britischen Pub, kurz bevor die Klingel für die „Last Order“ertönt. In anderen Momenten klingt Thomas wie June Carter und Heptinstal­l wie Johnny Cash. Wenn dann noch der von Scott Milsom grandios gezupfte Kontrabass einsetzt, ist die Brücke zwischen Rockabilly-Country und Folk-Punk geschlagen. Ungewöhnli­ch ist auch ihr neuester, noch nicht veröffentl­ichter Song, der einmal auf dem kommenden Album landen soll: Ein Lied über einen AtomFehlal­arm der Katastroph­enschutzbe­hörde auf Hawaii, der für 38 Minuten Todesangst in der Bevölkerun­g sorgte. Skinny Lister sorgen im Zelt hingegen für fast zwei Stunden Freude. Am Ende tanzen ihre Hardcore-Fans auf der Bühne. Da war der zehn Liter Bier-Humpen, den Thomas traditione­ll durchs Publikum gehen lässt längst leer. „Der perfekte Abschluss unserer Deutschlan­d-Tour“, schreiben die Sechs unter ein Bild vom Konzert auf ihrer Facebook-Seite. Dem ist nichts hinzuzufüg­en.

 ?? Foto: Felix Oechsler ?? Vor geschätzt 500 Besuchern überzeugte die britische Band Skinny Lister im Ulmer Zelt am Donnerstag­abend.
Foto: Felix Oechsler Vor geschätzt 500 Besuchern überzeugte die britische Band Skinny Lister im Ulmer Zelt am Donnerstag­abend.

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