Der Bub aus Biberach packt zu
In der Jugend hat Loris Karius für Ulm gespielt, jetzt steht er im Finale der Champions-League beim FC Liverpool im Tor. Sein früherer Mentor erinnert sich
Hanspeter Burger erinnert sich gut an den eher schmächtigen Buben aus Biberach an der Riß, der bis zur C-Jugend bei den Nachwuchsmannschaften der Spatzen im Kasten stand. „Für einen Torhüter war der Loris ein bisschen klein“, sagt der langjährige Jugendleiter des SSV Ulm 1846: „Einen Wachstumsschub hat er dann erst mit 13 oder 14 Jahren bekommen.“Inzwischen ist Loris Karius ein ganz Großer geworden. Nicht nur körperlich mit einer Länge von 1,89 Metern. Sondern vor allem sportlich. Karius ist Stammtorhüter des FC Liverpool und er kämpft am heutigen Abend in Kiew mit den Reds im Finale der Champions-League gegen Real Madrid um die europäische Fußballkrone. Die haben vor ihm mit Bodo Illgner (mit Real Madrid) und Marc-André ter Stegen (mit dem FC Barcelona) nur zwei deutsche Torhüter mit auslän- dischen Mannschaften gewonnen. Burger wundert sich überhaupt nicht über diese Krönung der Karriere seines ehemaligen Schützlings: „Man hat schon in der Jugend gesehen, dass aus dem Loris einmal ein absoluter Weltklasse-Torhüter werden kann.“
In Liverpool und andernorts in der englischen Premier League haben sich einige Menschen sehr wohl gewundert. Das liegt vor allem an dem schlechten Start von Karius bei den Reds. Für sechs Millionen Euro dank einer Ausstiegsklausel vom FSV Mainz verpflichtet, hatte Karius im Sommer 2016 in der Vorbereitung gleich einen Handbruch erlitten. Als er wieder fit war und ins Tor durfte, unterliefen ihm viele Fehler. Schnell hatte er den Spitznamen „Flutschfinger“weg. Doch auch sein belgischer Konkurrent Simon Mignolet leistete sich immer wieder Aussetzer. Zu Jahresbeginn wurde Karius von seinem Trainer und Landsmann Jürgen Klopp end- gültig zur Nummer eins an der Anfield Road befördert und er zahlt das Vertrauen zurück. In 32 Spielen mit Karius im Tor stand 16 Mal die Null, in dieser Champions-LeagueSaison ist der ehemalige Ulmer gar sechs Mal ohne Gegentor geblieben. Besser war kein Keeper in der Königsklasse. Und Karius stand in jeder einzigen der insgesamt 1080 Spielminuten in der ChampionsLeague auf dem Platz. Beim Finalgegner Real Madrid kann das nur Cristiano Ronaldo von sich behaupten.
Ganz verstummt ist die Kritik an Karius trotzdem nie, aber Klopp steht zu seiner Entscheidung: „Er hat sich gut entwickelt. Ich bin sicher, da kommt noch einiges. Er hat seine Chance genutzt und hat einen großen Anteil daran, dass wir stabiler in der Defensive geworden sind.“Der 24-jährige Karius geht mit dem Gerede ohnehin gelassen um: „Das kann ich nicht ändern. Es beunruhigt mich auch nicht. Ich versuche, mein Spiel zu spielen. Den Rest habe ich sowieso nicht zu entscheiden.“
Derzeit fokussiert sich bei den Reds sowieso alles und jeder auf das Finale gegen Madrid. Auch der junge Torhüter mit Ulmer Wurzeln, der in Liverpool nach eigenen Aussagen seinen „Traum“lebt: „Wir alle träumen davon. Wenn du bei diesem Klub eine Legende werden willst, wäre es ein großer Schritt, diese Trophäe zu gewinnen.“In der früheren sportlichen Heimat drückt man ihm die Daumen. Sein ehemaliger Mentor Burger sagt: „Schon wegen Kloppo und weil ich die Spielweise der Mannschaft mag, bin ich für Liverpool. Aber weil der Loris da spielt, bin ich es natürlich noch ein bisschen mehr.“