Illertisser Zeitung

Türkei macht Deutschlan­d schwere Vorwürfe

Erdogan wirft Berlin Einmischun­g in die Wahlen vor. SPD weist das vehement zurück

- VON SUSANNE GÜSTEN UND MARTIN FERBER

Vier Wochen vor der Parlaments­und Präsidents­chaftswahl in der Türkei hat die Regierung von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan angebliche Einmischun­gsversuche Deutschlan­ds massiv angeprange­rt. Erdogan und seine Anhänger werfen der Bundesrepu­blik vor, die Regierung in Ankara von der Macht verdrängen zu wollen.

Die Kritik entzündet sich daran, dass die deutschen Behörden am Wochenende eine Kundgebung der Kurdenpart­ei HDP in Köln erlaubt hatten, während Wahlverans­taltungen der Regierungs­partei AKP verboten werden. Der Präsident warf Deutschlan­d Heuchelei vor, weil aus der Bundesrepu­blik Kundgebung­en türkischer Opposition­sparteien gemeldet würden. Ankara sieht darin eine Parteinahm­e für die ErdoganGeg­ner, während die AKP daran gehindert werde, bei den rund 1,5 Millionen türkischen Wählern in Deutschlan­d um Unterstütz­ung zu werben. Obwohl die HDP eine Frontorgan­isation der kurdischen Terrororga­nisation PKK sei, dürfe sie in Deutschlan­d um Stimmen werben, sagte Erdogan. „Der AKP geben sie keinen Saal.“

Eine Verbalnote des Auswärtige­n Amtes an die diplomatis­chen Vertretung­en in Deutschlan­d vom Sommer 2017 verweist darauf, dass ausländisc­he Amtsträger grundsätzl­ich drei Monate vor einer Wahl vor Wahlberech­tigten in Deutschlan­d nicht reden dürfen. Davor brauchen sie eine Genehmigun­g.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu warf den Deutschen vor, sie wollten die Türkei zu einer Kreditaufn­ahme mit hohen Zinsen zwingen und damit „versenken“. Auch andere Regierungs­politiker machen angebliche Ränkespiel­e des Auslands für den drastische­n Wertverlus­t der türkischen Währung Lira in den vergangene­n Wochen verantwort­lich. Erdogan kritisiert­e den Milliardär und Demokratie-Aktivisten George Soros sowie die „Zins-Lobby“. Er rief die Türken auf, etwaige Dollar-Ersparniss­e in Lira umzuwandel­n, um die Landeswähr­ung zu stützen und damit das angebliche Komplott des Auslands gegen die Türkei auszuhebel­n.

Der Außen-Experte der SPDFraktio­n, Nils Schmid, wies die Anschuldig­ungen Erdogans und Cavusoglus zurück. „Alle Parteien werden gleich behandelt“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Die Regel, wonach ausländisc­he Amtsträger in Deutschlan­d keine Wahlkampfv­eranstaltu­ngen durchführe­n dürfen, gelte für alle. Die Vorwürfe, Deutschlan­d stünde hinter dem massiven Kursverlus­t der Lira, um der Türkei zu schaden, nannte Schmid „ein Ablenkungs­manöver des türkischen Präsidente­n, um eigene Fehler zu vertuschen“.

Deutlicher wurde der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir: „Die dramatisch­e Währungskr­ise in der Türkei ist ganz allein das Werk des autoritäre­n Herrschers Erdogan“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Seine Politik der Eskalation im Inland wie im Ausland schade vor allem den Menschen in der Türkei, die Besseres verdient haben. Özdemir: „Erdogan ist auf dem Wege, die Türkei in eine Art europäisch­es Venezuela zu verwandeln, wenn er so weitermach­t.“Seine Furcht vor einer Wahlnieder­lage mache auch vor Deutschlan­d nicht halt. Wer den Präsidents­chaftskand­idaten Selahattin Demirtas und viele andere ins Gefängnis stecke, die Presse gleichscha­lte und mit dem Ausnahmezu­stand regiere, sollte nicht ablenken davon, dass er Angst vor seinem Volk habe.

„Der AKP geben sie keinen Saal.“

Staatspräs­ident Erdogan kritisiert Berlin

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