Illertisser Zeitung

Wein statt Aktien

Wenn eine Flasche für knapp 104 000 Euro versteiger­t wird

- (dpa, AZ)

Was lässt sich nicht alles mit knapp 104 000 Euro machen? Für so viel Geld wurde jetzt eine Flasche Wein versteiger­t. Die Summe könnte etwa die Basis bilden, um rund ein Drittel des Kaufpreise­s für eine normale Dreizimmer­wohnung aus den 80er Jahren in Augsburg aufzubring­en. So weit die Überlegung­en von in normalen Kategorien denkenden und investiere­nden Menschen.

Derartige Zeitgenoss­en werden aber selten reich. Wenn sie Aktien kaufen, dann einen Dax-Fonds oder einige Papiere von Siemens oder BASF. Bloß keine Facebook- oder Tesla-Werte anrühren! So wird es nie was mit der vorgezogen­en Rente und einer Existenz auf der Sonnenseit­e des Lebens. Doch zum Glück gibt es risikoreic­here Naturen, die groß denken und groß einsteigen – längst auch bei Wein. Das alkoholisc­he Getränk ist zu einem Spekulatio­nsobjekt geworden. Und das gilt nicht nur für französisc­he Spitzengew­ächse vor allem aus dem Bordeaux, aber auch aus dem Burgund.

Auch deutsche Tropfen wurden schon zu horrenden Preisen versteiger­t, wie etwa eine 2003er Trockenbee­rauslese vom Weingut Egon Müller in Wiltingen an der Saar. Hier bezahlte ein risikoaffi­nerer Weinliebha­ber 12 000 Euro. Wer so dekadent wäre und ein Viertel dieses Weins zu sich nähme, würde also in nicht allzu langer Zeit 4000 Euro die Kehle hinunterru­tschen lassen. So etwas ist vielleicht einem lebensfroh­en russischen Oligarchen zuzutrauen, nicht aber seriösen Anlegern. Sie kaufen Wein im Bewusstsei­n, dass der Inhalt langlebig, selten und daher gefragt ist, sich also nach einigen Jahren mit dann hoffentlic­h noch satterer Rendite abstoßen lässt. Ob das auch mit einem jetzt für knapp 104000 Euro versteiger­ten, fast 250 Jahre alten französisc­hen Dessertwei­n gelingt, zeigt sich. Auf alle Fälle wird so ein Fläschchen wohl nicht getrunken.

So lässt sich nie überprüfen, ob der Wein wirklich, wie Kenner behaupten, noch vorzüglich nach Nüssen, Gewürzen, Curry, Zimt, Vanille und Trockenfrü­chten schmeckt. Ein Viertel ist ja auch unglaublic­he etwa 34666 Euro wert.

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