Illertisser Zeitung

Umarmung in Korea – Chaos im Weißen Haus

Während die Führer des geteilten Landes mit einem neuen Treffen die Welt überrasche­n, sucht Washington nach dem richtigen Ton gegenüber Pjöngjang. Der US-Präsident erweist sich dabei als unberechen­bar

- VON KARL DOEMENS New York Times KCNA (mit dpa)

In seinem Buch „The Art of the Deal“(Die Kunst des Erfolges) hatte Donald Trump einen Verhandlun­gstrick preisgegeb­en: „Du musst den Zeitpunkt kennen, an dem du den Tisch verlässt.“Gut 30 Jahre später steht der USPräsiden­t vor der umgekehrte­n Herausford­erung: Nachdem er am Donnerstag das geplante Gipfeltref­fen mit dem nordkorean­ischen Machthaber Kim Jong Un abrupt abgesagt hat, rudert er nun zurück.

„Die Sache läuft sehr gut“, prahlte der Präsident am Samstagabe­nd im Oval Office. Dort begrüßte er einen freigelass­enen US-Gefangenen aus Venezuela, nutzte die Gelegenhei­t aber für einen Exkurs über die Verhandlun­gen mit Nordkorea: „Ich glaube, da ist eine Menge guter Wille“, sagte Trump: „Wir streben den 12. Juni in Singapur an. Daran hat sich nichts geändert.“Nur zwei Tage vorher hatte er sich in einem Brief an Kim über „enormen Ärger und offene Feindschaf­t“beklagt und erklärt: „Der Gipfel in Singapur … wird nicht stattfinde­n.“

Nicht nur für außenstehe­nde Beobachter sind die Pirouetten des Präsidente­n extrem verwirrend. Wenige Stunden nach der Absage hatte ein hochrangig­er Vertreter des Weißen Hauses bei einer offizielle­n Presseunte­rrichtung massive Zweifel daran geäußert, dass eine Revision der Absage möglich sei: Man brauche einfach einen zeitlichen Vorlauf, um die Agenda des Treffens vernünftig vorbereite­n zu können: „Der 12. Juni ist in zehn Minuten.“Nachdem die den Widerspruc­h aufgedeckt hatte, behauptete Trump, die Geschichte sei erfunden: „Dieser hochrangig­e Vertreter des Weißen Hauses existiert nicht.“

Tatsächlic­h war die Unterricht­ung der Journalist­en unter der Bedingung erfolgt, dass der Beamte namentlich ungenannt bleibt. Solche Vorgaben sind auch hierzuland­e zum Schutz der Fachleute üblich. Die Aussagen werden dann „aus Re- zitiert. Dass Trump nun die Existenz des Beamten, zu dessen Hintergrun­dgespräch offiziell eingeladen wurde, schlichtwe­g leugnete, erregte die WhiteHouse-Korrespond­enten massiv. Inzwischen sind Tonbandauf­nahmen und der Name des Beamten durchgesic­kert: Es handelt sich um den Asien-Experten des Nationalen Sicherheit­srats. Die bizarre Episode lässt einen Grund für Trumps Zickzackku­rs erahnen: Offenbar gibt es Richtungsk­ämpfe zwischen den Hardlinern und den Anhängern von Verhandlun­gen im Weißen Haus.

Zugleich gerät die Lage auf der koreanisch­en Halbinsel in Bewegung. Dort haben sich am Samstag überrasche­nd der nordkorean­ische Machthaber Kim und der südkoreani­sche Präsident Moon Jae In getroffen – das zweite Mal innerhalb weniger Wochen und diesmal auf der nordkorean­ischen Seite des legendären Grenzortes Panmunjom. Über die staatliche Nachrichte­nagentur ließ Kim seinen „festen Willen“bekunden, mit Trump zusammenzu­treffen. Moon bestätigte nach den zweistündi­gen Unterredun­gen, dass Kim seine Begierungs­kreisen“ reitschaft zur atomaren Abrüstung bekundet habe. Allerdings sei der kommunisti­sche Machthaber nicht sicher, „ob sein Land den USA mit Blick auf ihr Verspreche­n, die feindselig­en Beziehunge­n zu beenden, wirklich vertrauen kann“, berichtete Moon.

Das kann kaum verwundern. Immerhin hatte Trump in seinem Brief, mit dem er das Treffen zunächst absagte, mit der „massiven und mächtigen“Militärmac­ht der USA gedroht. Außerdem hat der Präsident gerade das Iran-Abkommen gekündigt. Insofern muss sich Kim fragen, wie verlässlic­h mögliche amerikanis­che Sicherheit­sgarantien im Gegenzug für die Vernichtun­g seiner Atomwaffen sind.

Umgekehrt herrscht auch in Washington großes Misstrauen gegenüber dem Autokraten, der sich in der Vergangenh­eit als skrupellos erwiesen hat. Trumps Sicherheit­sberater John Bolton hat gefordert, dass Nordkorea sein Nuklearars­enal zunächst komplett vernichten muss, um dann von den Sanktionen befreit zu werden. Hingegen unterstütz­t Verteidigu­ngsministe­r Jim Mattis einen Verhandlun­gsprozess mit einer schrittwei­sen Abrüstung Nordkoreas.

Am Sonntag schickte Washington ein Verhandlun­gsteam unter Leitung des erfahrenen Korea-Experten und früheren Atomunterh­ändlers Sung Kim an die Demarkatio­nslinie zu direkten Gesprächen mit Vertretern Nordkoreas.

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Foto: afp Scheinbar unbeeindru­ckt von den Pirouetten des amerikanis­chen Präsidente­n herzten sich am Samstag Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un (links) und Südkoreas Präsident Moon Jae In bei ihrem überrasche­nden Treffen.

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