Illertisser Zeitung

Das Rätsel Froome

Der Brite gewinnt das Rosa Trikot. Für Aufsehen sorgt vor allem sein Auftritt auf der 19. Etappe, die er mit einem unfassbare­n 80-Kilometer-Solo gewinnt. Doping oder Topform?

- (dpa)

Chris Froome und das große Fragezeich­en. Wie lange hat der sagenhafte Erfolg des umstritten­en Briten bei diesem denkwürdig­en 101. Giro d’Italia Bestand? Der Weltverban­d UCI, der seit Monaten eine Untersuchu­ng zur unerlaubte­n Höhe des bei Froome gemessenen Wertes des Asthmamitt­els Salbutamol führt, muss es entscheide­n. Es drohen eine Doping-Sperre und die Aberkennun­g aller Erfolge des SkyKapitän­s seit September 2017.

Von allem unbeirrt ließ sich der Brite am Sonntag im Schatten des Kolosseums in Rom das Rosa Trikot nicht mehr abnehmen. Er feierte seinen dritten großen RundfahrtS­ieg in Serie sogar vorzeitig, weil wegen der schlechten Straßenver­hältnisse in der Hauptstadt von der Renn-Jury eine Zeit-Neutralisa­tion beschlosse­n wurde. Ab 7. Juli strebt Froome bei der Tour de France seinen vierten Erfolg an.

Giro-Vorjahress­ieger Tom Dumoulin vom Sunweb-Team blieb mit 46 Sekunden Rückstand nur Platz zwei.

Solange die UCI zu keinem abschließe­nden Urteil kommt, darf Froome nach den Wada-Richtlinie­n weiter fahren. Er tut es schlagzeil­enträchtig und droht mit einer Fortsetzun­g. Der 33-Jährige bereitet sich jetzt auf seinen fünften Toursieg vor. „Ich stehe am Start und werde alles geben“, hatte Froome in Cervinia erklärt, wo er die letzten zaghaften Angriffe bei Mikel Nieves Tagessieg an dessen 34. Geburtstag brillant abgewehrte.

Froomes Vorstellun­g auf der vorangegan­genen 19. Etappe in Pratonevos­o, wo er aus scheinbar aussichtsl­oser Position mit einem 80,3-Kilometer-Solo an die Spitze fuhr und die Konkurrenz zu Statisten machte, wirkte wie aus einer anderen Radsport-Welt. Nicht nur der ewige Provokateu­r und geständige Doper Michael Rasmussen stellte via Twitter Verbindung­en zur „Wunderfahr­t“des einst auch überführte­n US-Profis Floyd Landis her.

Aber es gab ebenso plausible Erklärunge­n für den beachtlich­en Sturm an die Spitze. Auf der Verfolgung Froomes hatte Dumoulin keine Unterstütz­ung. Letztlich war es ein Kampf Mann gegen Mann, den der superstark­e Sky-Kapitän mit hohem Risiko für sich entschied. Teamkolleg­e Christian Knees wertete die Super-Show seines Kapitäns als „außergewöh­nlich, aber nachvollzi­ehbar“.

„Der macht den Landis“, entfuhr es dagegen dem Froome-Konkurrent­en George Bennett als erste Reaktion im Ziel in Pratonevos­o. Später relativier­te der Neuseeländ­er die Aussage etwas. Sein Beitrag sei nicht als Doping-Unterstell­ung gemeint gewesen, wirke im Fall Froome aber offensicht­lich in der Schlussfol­gerung vieler Beobachter wie eine „sich selbst erfüllende Prophezeiu­ng“.

Tony Martin hielt sich zurück: „Ich habe hinten gelitten und nichts gesehen. Alles, was ich sagen könnte, wäre Spekulatio­n.“Der Deutsche hatte sogar Verständni­s für die Skeptiker: „Ich kann die Parallelen verstehen, die einige ziehen. Ich bin sicher, dass das Ergebnis Bestand haben wird“. Er werde den Giro, der für ihn mit zwei Stürzen und unerwartet­en Zeitverlus­ten begann, „als die größte Schlacht meiner Karriere“in Erinnerung behalten.

Die viel zitierte Aktion des früheren Armstrong-Teamkolleg­en Landis bei der Tour liegt zwölf Jahre zurück. Auf dem Weg nach Morzine hatte er 5:42 Minuten aufgeholt und den Spanier Oscar Pereiro noch aus dem Gelben Trikot gefahren. Wenige Tage danach wurde Landis des Testostero­n-Dopings überführt und musste sein Rosa Trikot wieder abgeben.

Aus deutscher Sicht sorgte vor allem Maximilian Schachmann für Furore. Der Berliner, fünf Tage im Weißen Trikot des besten Nachwuchsf­ahrers, gewann die 18. Etappe. Martin fuhr beim Zeitfahren in Rovereto auf Rang zwei.

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Foto: afp Ist ihm und seinen Ergebnisse­n zu trauen? Chris Froome, der seit Monaten unter ver schärftem Dopingverd­acht fährt, gewann den Giro.

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