Einem Missverständnis auf der Spur
Was hat es mit der Grafschaft Marstetten auf sich? Forschungsergebnisse bringen Klarheit – auch zur Vergangenheit der einstigen Burg in Buch
An dieser Stelle berichtet Ralph Manhalter in unregelmäßigen Abständen über die Historie des Altlandkreises Illertissen. Manhalter, geboren 1967, wohnt in Obenhausen und studiert Kulturwissenschaften mit dem Fachschwerpunkt Geschichte. Im heutigen Teil der Serie geht es um die einstige Bucher Burg.
gangspunkt war die Situation um 1160, als Liutfried von Neuffen durch die mutmaßliche Heirat mit einer Roggenburger Erbtochter zum Herrschaftsträger im Rothtal wurde.
In diese Zeit dürfte auch der Bau der Bucher Burg zu datieren sein, insofern diese nicht bereits durch die Roggenburger errichtet worden war. Allerdings verlegten die Neuffen schon nach wenigen Jahren ihren Hauptsitz nach Weißenhorn und benannten sich in Folge auch nach ihrem neuen Wohnort. Buch blieb lediglich ein Verwaltungszentrum, über welches sogenannte Ministeriale, unfreie Adlige, wachten. Belegt ist dies in einer 1170 ausgestellten Urkunde, in welcher „Cunradus et Albertus de Buech“als Dienstleute erwähnt sind.
Trotz des politischen Erfolgs blieb den Neuffen zunächst jedoch ein wichtiger Status verwehrt: der begehrte Grafentitel. Diesen erhielten sie erst Mitte des 13. Jahrhunderts, als Berthold von Neuffen eine Verbindung mit einer Tochter des Hauses Ursin-Ronsberg einging. Ein Zweig dieses, im östlichen Allgäu beheimateten Geschlechts nannte sich nach der südwestlich von Memmingen gelegenen Burg Marstetten.
Erst durch die Heirat der Erbtochter Juta mit dem Neuffen Berthold gelangte der Grafentitel ins Rothtal. Nicht jedoch das Territorium einer „Grafschaft Marstetten“. Dieses fiel an das Reich und wurde später der Fürstabtei Kempten zu Lehen gegeben.
Allerdings scheinen die Neuffen und auch ihre Nachfolger mächtig stolz auf den ererbten Grafentitel gewesen zu sein. In verschiedenen Schriftstücken aus den folgenden Jahrhunderten taucht immer wieder der Titel eines Grafs von Marstetten auf. Nur der ursprüngliche Zusammenhang geriet im Laufe der Jahre in Vergessenheit.
Im Gegensatz zur Weißenhorner Niederlassung verfiel die Bucher Burg mit dem Weggang der Neuffen. Im 15. Jahrhundert brannte sie den Überlieferungen zufolge komplett aus. Zwar soll sich der bayerische Herzog Ludwig der Reiche danach über einen Wiederaufbau erkundigt haben, dieses Vorhaben wurde aber nie verwirklicht. Im Jahr 1667 spendete der nachmalige Burgherr Graf Albert Fugger die noch verbliebenen Steine zum Bau des Weißenhorner Kapuzinerklosters.
Ein Gemälde auf dem rechten Seitenaltar der Bucher Pfarrkirche zeigt noch eine Ruine. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das Bild erst 1715 entstanden ist – also fast 50 Jahre, nachdem die Burg vollständig abgetragen worden war. Ihr tatsächliches Aussehen bleibt daher bis heute größtenteils Spekulation.