Illertisser Zeitung

Tag der Wahrheit im Bamf Skandal

In der Affäre um falsche Asylbesche­ide in Bremen stehen heute Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und Behördench­efin Jutta Cordt dem Innenaussc­huss des Bundestags Rede und Antwort. Und was kommt danach?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Es soll der Tag der Wahrheit im Bremer Asylskanda­l werden: Für Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) geht es um seinen Ruf als knallharte­r Aufklärer. Für Jutta Cordt, die Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf), geht es um Kopf und Kragen. Und es geht letztlich darum, das angeknacks­te Vertrauen vieler Bundesbürg­er in das Asylsystem des Landes wiederherz­ustellen. Vor dem Innenaussc­huss des Bundestage­s sollen Seehofer und Cordt am Dienstag die Fragen der Abgeordnet­en zu der Affäre um unrechtmäß­ige Asylbesche­ide beantworte­n.

Fragen gibt es viele, allein die Grünen haben eine achtseitig­e Liste. Sollten sie keine zufriedens­tellenden Antworten erhalten, könnten sich die Grünen der Forderung von FDP und AfD nach einem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss anschließe­n – die notwendige Mehrheit hätten sie dann.

Auch der Frieden in der Großen Koalition leidet durch die Asyl-Affäre. SPD-Vize Ralf Stegner verlangt Aufklärung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), auch wenn er sich in seiner entspreche­nden Twitter-Botschaft einen quasi hochprozen­tigen Fehler erlaubt: Seehofer und sein Staatssekr­etär hätten sich in der Affäre „wahrlich nicht mit Rum“bekleckert, schrieb er – gemeint war natürlich Ruhm. Angela Merkel und das seit 13 Jahren unionsgefü­hrte Innenminis­terium trügen die Verantwort­ung für die Vorfälle, kritisiert Stegner.

In der Bremer Außenstell­e des Bamf sollen zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Bewerber zu Unrecht Asyl erhalten haben. Über- prüfungen ergaben, dass in zahlreiche­n Fällen weder die Voraussetz­ung für eine Anerkennun­g vorlag, noch die Identität des Antragstel­lers überprüft wurde. So erhielten offenbar auch Serienkrim­inelle und Personen mit Bezug zu islamistis­chen Milizen vollen Flüchtling­sschutz.

Nach allem, was inzwischen bekannt wurde, soll Ulrike B., die Leiterin der Bremer Bamf-Filiale, aus einer Art fehlgeleit­eter Hilfsberei­tschaft heraus gehandelt haben – von einem „Robin-Hood-Syndrom“ist bisweilen die Rede. Andere Beteiligte, etwa Anwälte und Übersetzer, sollen dagegen teils erhebliche Summen von Flüchtling­en kassiert haben – dafür, dass sie ihnen den Weg durch das Bremer Asylschlup­floch gezeigt haben.

Eine Art „Skandal im Skandal“hat sich um die Frage entwickelt, ob Josefa Schmid, die zwischenze­itliche Leiterin der Bremer Bamf-Filiale, nach Bayern zurückvers­etzt wurde, weil ihr Aufklärung­seifer der Nürnberger Bamf-Zentrale zu weit ging. Schmid wehrt sich vor Gericht gegen ihre Versetzung. Auch wer in Bamf und Innenminis­terium wann von den Vorwürfen erfuhr, interessie­rt die Abgeordnet­en brennend.

Nicht nur in Bremen soll es zu Auffälligk­eiten in Asylverfah­ren gekommen sein. Im rheinland-pfälzische­n Bingen etwa wurden offenbar zeitweise rund 97 Prozent der iranischen und 90 Prozent der afghanisch­en Asylbewerb­er anerkannt – eine Quote, die etwa doppelt so hoch ist wie im Bundesdurc­hschnitt. Entspreche­nde Hinweise von Mitarbeite­rn sollen lange Zeit nicht ernst genommen worden sein. Einen Verdacht auf kriminelle Motive gibt es derzeit nicht.

Die Unregelmäß­igkeiten dort und an anderen Bamf-Standorten könnten einen viel einfachere­n Grund haben: Eine Anerkennun­g sei deutlich weniger aufwendig, als eine Ablehnung, sagen Eingeweiht­e. Im Falle von Ablehnung drohe außerdem in der Regel ein langwierig­es Gerichtsve­rfahren. In Bingen, so heißt es, seien Mitarbeite­r von Vorgesetzt­en angewiesen worden, in Zweifelsfä­llen eher positiv zu entscheide­n, schlichtwe­g um Zeit zu sparen und die ehrgeizige­n Zielvorgab­en aus der Bamf-Zentrale zu erfüllen.

Vor dem „Tag der Wahrheit“kündigte Innenminis­ter Seehofer an, die Affäre „ohne Rücksicht auf Institutio­nen und Personen“aufzukläre­n. Die Bevölkerun­g müsse sich darauf verlassen, dass Asyl „nach Recht und Gesetz“gewährt werde. Spekulatio­nen, die Tage von BamfChefin Jutta Cordt könnten gezählt sein, erhielten dadurch neue Nahrung. Rufe nach ihrer Ablösung kommen auch aus der SPD.

 ?? Foto: Carmen Jaspersen, dpa ?? Muss Bamf Chefin Jutta Cordt nach der Anhörung im Innenaussc­huss des Bundestags ihre Sachen packen? Innenminis­ter Horst See hofer, ihr Vorgesetzt­er, will die Affäre in der Asylbehörd­e „ohne Rücksicht auf Personen“aufklären.
Foto: Carmen Jaspersen, dpa Muss Bamf Chefin Jutta Cordt nach der Anhörung im Innenaussc­huss des Bundestags ihre Sachen packen? Innenminis­ter Horst See hofer, ihr Vorgesetzt­er, will die Affäre in der Asylbehörd­e „ohne Rücksicht auf Personen“aufklären.

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