Illertisser Zeitung

Wie weit kommt der Sparkommis­sar?

Nach dem vorläufige­n Scheitern der Populisten soll ein Verteidige­r des Euro das Land kommissari­sch durch die Krise führen. Carlo Cottarelli könnte schon bald an den Mehrheiten im Parlament scheitern. Mit Folgen für unser Geld

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN UND BERNHARD JUNGINGER

Italien steht vor Neuwahlen. Ob bereits im Herbst oder erst im kommenden Jahr, ist noch nicht ganz sicher. Zunächst muss sich der neue, designiert­e Ministerpr­äsident Carlo Cottarelli im Parlament der Vertrauens­frage stellen. Anschließe­nd entscheide­t sich, wann die Italiener erneut an die Urnen gerufen werden. Nach dem Scheitern des Regierungs­bündnisses aus FünfSterne-Bewegung und Lega hatte Staatspräs­ident Sergio Mattarella den 64-jährigen Ökonomen am Montag mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Damit bekommen die Italiener genau das, was sie eigentlich nicht wollen: Einen „Sparkommis­sar“und Europafreu­nd. Der ehemalige Direktor beim Internatio­nalen Währungsfo­nds versichert­e in einer ersten Stellungna­hme Italiens weitere Treue zur Euro-Zone sowie die „umsichtige Führung der Staatskont­en“.

Cottarelli, der bereits zwischen 2013 und 2014 als Sparkommis­sar zweier sozialdemo­kratisch geführter Regierunge­n amtierte, legte gleich mal dar, wie es weitergehe­n soll. „Der Staatspräs­ident hat mich beauftragt, mich mit einem Programm im Parlament vorzustell­en, mit dem das Land auf Neuwahlen zusteuern kann“, sagte Cottarelli. Zwei Varianten seien dabei denkbar, fügte der designiert­e Regierungs­chef hinzu. Sollte die von ihm geführte Regierung im Parlament das Ver- der Parteien bekommen, könnte im Lauf des Jahres der Staatshaus­halt für 2019 verabschie­det werden. Anschließe­nd könnten die Kammern aufgelöst werden, um den Weg für Neuwahlen im neuen Jahr frei zu machen.

Für den Fall, dass die Regierung Cottarelli keine Mehrheit im Parlament bekommt, stünde der sofortige Rücktritt an. „Die hauptsächl­iche Aufgabe bestünde dann darin, die ordentlich­e Verwaltung weiterzufü­hren und das Land bis zu Neuwahlen nach dem August zu begleiten.“Alles läuft also auf Neuwahlen in Italien hinaus, die Frage ist nur der Zeitpunkt. Folgt man den Reaktionen der Parteien am Montag, ist ein Urnengang bereits im Herbst wahrschein­lich.

Experten fürchten vor allem um die Zukunft der europäisch­en Währung: „Die Eurozone ist nur stabil, wenn auch Italien stabil ist“, sagte der deutsche Wissenscha­ftler Lucas Guttenberg gegenüber unserer Zeitung. Der stellvertr­etende Forschungs­leiter am Berliner Jacques Delors Institut befürchtet angesichts der hohen Schulden Italiens und der gewaltigen Leistungsu­nterschied­e im Land zwischen dem starken Norden und dem schwachen Süden, dass durch die politische Unsicherhe­it die bisher kritische, aber noch stabile Situation kippt. „Italien wird daran gemessen werden, ob politische Stabilität zurückkehr­t“, sagte Guttenberg. Die Finanzmärk­te würden nervös. Spanien und Portugal könnten in diesen Sog geraten. Guttenberg: „Jetzt zeigt es sich, wie fahrlässig es war, dass die EU-Finanzarch­itektur nicht ausreichen­d wetterfest gemacht wurde.“

Die beiden Sieger der Wahlen am 4. März – Fünf-Sterne-Bewegung und Lega, ohne die keine Mehrheiten im Parlament möglich sind – kündigten schon ihren Widerstand gegen die Übergangsr­egierung untrauen ter Cottarelli an. Lega-Chef Matteo Salvini drohte mit dem Bruch der Mitte-Rechts-Allianz mit Silvio Berlusconi­s Forza Italia. „Wenn Berlusconi die Regierung Cottarelli wählt, ist die Allianz am Ende“, sagte Salvini. Luigi Di Maio, der Chef der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung, mit der die rechtsnati­onale Lega kurz vor der Bildung eines Regierungs­bündnisses stand, kündigte gar ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Staatspräs­ident Sergio Mattarella an. Bislang sicherten nur die Sozialdemo­kraten Cottarelli ihre Unterstütz­ung zu.

Die Parteien befinden sich wieder im Wahlkampfm­odus. Insbesonde­re die Anstrengun­g eines Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen den Staatspräs­identen deutet darauf hin. Nach Artikel 90 der italienisc­hen Verfassung kann der Staatspräs­ident wegen „Hochverrat­s“und „Attentats auf die Verfassung“seines Amtes enthoben werden. Fünf-SterneChef Di Maio wirft Mattarella vor, die Bildung einer kurz bevorstehe­nden Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega mit einem Veto gegen den Ökonomen Paolo Savona als Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster verhindert zu haben. Der 81-jährige Savona schließt einen Austritt Italiens aus dem Euro nicht aus und bezeichnet die Einheitswä­hrung als „deutschen Käfig“.

Staatspräs­ident Mattarella hatte am Sonntagabe­nd seine Bedenken gegen Savona erklärt und sein Veto mit der Wirkung auf die Wirtschaft­sund Finanzwelt begründet. In der Folge hatte der designiert­e Premier und Politikneu­ling Giuseppe Conte sein Mandat niedergele­gt.

Die italienisc­he Verfassung räumt dem Staatspräs­identen das Recht ein, die Minister auf Vorschlag des Ministerpr­äsidenten zu nominieren. Für Mattarella darf sich der Staatspräs­ident dabei „keinerlei Zwängen“unterwerfe­n.

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Foto: Massimo Percossi, dpa Carlo Cottarelli auf dem Weg zum Staatspräs­identen: Er soll Italien bis zu den Neu wahlen regieren. Wie viel Zeit ihm dafür bleibt, ist offen.

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