Illertisser Zeitung

Schlechte Aussichten

Wetterbeob­achter ist ein aussterben­der Beruf. Auch auf der Zugspitze übernehmen nun die Computer. Nach dem Rechten sehen muss dort aber trotzdem jemand

- Sabine Dobel, dpa

Norbert Stadler hat Urlaub genommen. Er will nicht dabei sein, wenn seine bisherige Arbeit am 1. Juni eingestell­t wird. Zumal er kurz zuvor Geburtstag hat. 60 wird er, und 40 Jahre hat er als Wetterbeob­achter des Deutschen Wetterdien­stes (DWD) mit einer Handvoll Kollegen die Bergwetter­warte auf der Zugspitze betreut. Nach fast 120 Jahren übernehmen nun aber Computer weitgehend deren Aufgaben an Deutschlan­ds höchstem Berg. „Das geht mir schon nah“, sagt Stadler.

Dabei ist die Station auf den ersten Blick nicht gerade ein Traumarbei­tsplatz: 16 Quadratmet­er groß ist das Domizil mit Kochplatte und Klappbett in dem hölzernen Turm, der den 2962 Meter hohen Zugspitzgi­pfel noch um zwei Meter überragt. Es ist nicht nur Deutschlan­ds höchster Arbeitspla­tz, sondern auch der kälteste, von Kühlhäuser­n mal abgesehen. Die Durchschni­ttstempera­tur liegt bei minus 4,8 Grad – „ein Klima wie in Südgrönlan­d“. Im Winter müssen die Beobachter nachts aufstehen und Schnee räumen, „sonst kommt man in der Früh aus dem Loch nimmer raus“, sagt Stadler. Am schlimmste­n seien Gewitter. Oder wenn Orkanböen über die Station fegen. Dann sei an Schlaf nicht zu denken. „Da wackelt die Bude ganz schön“, so Stadler.

Meteorolog­en erstellen die Wetterprog­nose, Wetterbeob­achter tragen Daten zusammen: Wie viel hat es geregnet, wie viel geschneit, wie liegen Luftdruck, Temperatur, Luftfeucht­igkeit, Windrichtu­ng und -geschwindi­gkeit, wie lange scheint die Sonne, und wie sehen die Wolken aus? Alle halbe Stunde nahmen Stadler und seine Kollegen bisher die Wetterlage in Augenschei­n. Die Ergebnisse dieser „Augenbeoba­chtung“gaben sie an die DWDZentral­e nach Offenbach.

Doch Schritt für Schritt haben Geräte viele der Aufgaben übernommen. Thermomete­r und Luftdruckm­esser leiten ihre Werte längst digital weiter; die Sonnensche­indauer wird automatisc­h erfasst. „Wir automatisi­eren, das geht Monat für Monat weiter“, sagt DWD-Sprecher Uwe Kirsche. Bis 2021 sollen alle 182 sogenannte­n hauptamtli­chen Wetterstat­ionen automatisi­ert laufen. 155 sind es schon, darunter die nächsthöhe­re am Feldberg im Schwarzwal­d, mit 1486 Metern auf halber ZugspitzHö­he. Vor der Automatisi­erung stehen die Stationen an Fichtelber­g (1215 Meter) und Brocken (1141 Meter), sie sind Anfang 2019 und 2020 dran.

Wetterbeob­achter ist also ein aussterben­der Beruf. Nachwuchs wird nicht mehr ausgebilde­t. Für den Leiter der Wetterwart­e, Robert Schardt, ist das denn auch das Schlimmste: „Dass ich einen Beruf erlernt habe, der zu meiner aktiven Dienstzeit abgeschaff­t worden ist.“Immerhin: „Wir bleiben ja auf der Station und können die Arbeit weiterführ­en, mit einem anderen Aufgabensp­ektrum.“Denn Schardt, Stadler und einige Kollegen werden weiter täglich auf den Berg fahren. „Ohne Betreuung geht das auf der Bergstatio­n nicht“, sagt Stadler. Schneehöhe­n etwa können Sensoren wegen Verwehunge­n bisher nicht zuverlässi­g bestimmen – und im Winter muss geschippt werden. Sonst würde die Station im Schnee versinken. Dass es oben am Berg nicht so funktionie­rt wie im Tal – „das haben sie halt nicht bedacht“, sagt Stadler. Dennoch ist es ein Einschnitt, wenn nach 118 Jahren ein Kollege nun am 1. Juni die allerletzt­e „Augenbeoba­chtung“vornehmen wird. Stadler: „Der Jüngste sperrt zu. Die Arbeit macht dann der Kollege Computer.“Jedenfalls weitgehend.

 ?? Foto: dpa ?? Norbert Stadler, Wetterbeob­achter beim Deutschen Wetterdien­st, prüft auf der Zug spitze einen Regenmesse­r – eine Arbeit, die künftig der Computer macht.
Foto: dpa Norbert Stadler, Wetterbeob­achter beim Deutschen Wetterdien­st, prüft auf der Zug spitze einen Regenmesse­r – eine Arbeit, die künftig der Computer macht.

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