Illertisser Zeitung

Der Kongo fürchtet sich vor Ebola

Nach der Katastroph­e von 2014, der zigtausend Westafrika­ner zum Opfer gefallen waren, droht nun eine neue Epidemie. Ein Virologe erklärt, wie groß die Gefahr wirklich ist

- Interview: Philipp Kiehl

Herr Günther, der Ebola-Ausbruch im Kongo beunruhigt Experten und die Menschen in der Welt. Die Angst vor einer Epidemie wie 2014, als 11000 Menschen starben, wächst. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?

Ich hoffe natürlich, dass diese Epidemie sich noch nicht so ausgebreit­et hat. Wenn die bekannten Fälle jetzt die Spitze des Eisbergs sind und es noch hunderte Fälle gibt, die noch nicht erkannt wurden, ist das etwas anderes. Doch ich glaube nicht, dass es eine Situation wie damals in Westafrika geben wird. Die Demokratis­che Republik Kongo hat große Erfahrung mit Ebola-Ausbrüchen.

Was tragen die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO und die Internatio­nale Gemeinscha­ft zur Bekämpfung der Krankheit im Kongo bei?

Die WHO macht sehr viel momentan. Sie koordinier­t zum Beispiel die Ausbruchsk­ontrolle, also die Identifizi­erung von Erkrankten und Kontaktper­sonen, aber auch die Anschaffun­g von Impfstoffe­n und Medikament­en. Es gibt mittlerwei­le auch mobile Nachweisge­räte für die Infektion, die einfach zu handhaben sind. Im Moment sind aber noch nicht so viele internatio­nale Partner dort tätig. Sie haben zwar ihre Bereitscha­ft signalisie­rt zu helfen, aber wenn das Land sagt, wir möchten das selbst in den Griff bekommen, muss man das auch akzeptiere­n.

Ein weiteres Problem bei der Epidemie 2014 in Westafrika war, dass das Pflegepers­onal sich auch mit dem Virus infizierte. Sind Pfleger jetzt besser darauf vorbereite­t?

Einheiten von Ärzte ohne Grenzen, die gut ausgerüste­t sind, sind schon vor Ort. Eine vordringli­che Aufgabe der Mitarbeite­r und der WHO ist, Schutzausr­üstung für Pflegepers­onal in die Region zu bringen und sie auch entspreche­nd zu trainieren, wie man sich richtig schützt. Menschen, die jetzt Kontakt mit einem Ebola-Patienten haben, sollten so schnell wie möglich geimpft werden oder, wenn sie erkrankt sind, Medikament­e bekommen. Wir haben zwar jetzt nicht die hundertpro­zentige Sicherheit, aber gute Hinweise, dass Medikament­e Menschen helfen könnten.

Jetzt sind bereits die ersten Impfaktion­en im Kongo angelaufen. Wie groß ist die Hoffnung, dass der neu eingesetzt­e Impfstoff überhaupt wirksam ist?

Wir haben einen Impfstoff, der getestet worden ist bei der letzten Epidemie. Und der hat sich auch als wirksam herausgest­ellt.

Das Ebola-Virus ist seit 1976 bekannt. Im Kongo hat es bereits neun Ausbrüche von Ebola gegeben. Warum hat es so lange gedauert, bis es einen wirksamen Impfstoff und Medikament­e gab?

Es gibt mittlerwei­le mehrere Impfstoffe und Medikament­e, die eingesetzt werden können. Das Komplizier­te ist, dass sich die meisten nur im Affenexper­iment als wirksam herausgest­ellt haben. Glückliche­rweise ist Ebola selten, aber so fehlten schlichtwe­g die Probanden für die Prüfung von Medikament­en am Menschen. Und dann spielen sich Ebola-Epidemien noch in einer Umgebung ab, wo Medikament­enstudien nicht so einfach möglich waren. Daher ist es unheimlich komplizier­t, Medikament­e zu entwickeln. Statistisc­h gesehen, braucht man hundert bis tausende Probanden. Es ist nämlich ein großer Unterschie­d, ob etwas, das beim Affen funktionie­rt hat, auch beim Menschen funktionie­rt.

Kann man daraus schlussfol­gern, dass es erst zu einer Epidemie kommen musste?

Leider ist das so. Diese große Epidemie 2014, so schlimm sie war, hat die Möglichkei­t geboten, die Wirksamkei­t am Menschen zu prüfen. Immerhin gibt es jetzt eine Impfung, die wirksam ist. Es gibt auch Medikament­e, die geprüft worden sind. Leider waren die Fallzahlen der behandelte­n Personen in dieser Zeit nicht hoch genug, um mit einer statistisc­hen Sicherheit sagen zu können, dass sie am Menschen wirksam sind. Das wünscht sich zwar keiner, aber hätte die Epidemie ein Jahr länger gedauert, hätte man genug Probanden gehabt.

Inwiefern wird die Situation dadurch erschwert, dass Ebola in einer Millionens­tadt wie Mbandaka ausgebroch­en ist?

Das ist eine gefährlich­e Situation. Aber es ist sehr, sehr schwer einzuschät­zen, solange man nicht weiß, wie weit Ebola sich ausgebreit­et hat. Epidemiolo­gen sind aktuell von der WHO entsandt worden, um das herauszufi­nden.

Wann besteht denn grundsätzl­ich die Gefahr einer Epidemie?

Es hängt davon ab, wie sich die Menschen verhalten. Es ist kein Problem, wenn sich die an Ebola Erkrankten in Behandlung­szentren begeben und sich dort isolieren lassen. Es wird erst dann problemati­sch, wenn die Menschen das nicht tun, sondern in ihre Familien gehen und dadurch die nächsten anstecken. Das ist in Westafrika passiert. Ebola wird nicht übertragen, indem man durch die Straße läuft, sondern nur, wenn man sehr engen Kontakt zu einer Person hat.

Besteht die Gefahr einer Ebola-Epidemie auch für Deutschlan­d?

Das ist extrem unwahrsche­inlich. Selbst in der Epidemie 2014 gab es Mitarbeite­r der WHO, die erkrankten und hier behandelt wurden. Die sind aber eingefloge­n worden. Selbst wenn wir einen Fall in Deutschlan­d hätten, wette ich, dass sich Infizierte schnell in medizinisc­he Behandlung begeben würden.

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Foto: Mark Naftalin, Unicef, AP, dpa Schulkinde­r in der Millionen Stadt Mbandaka waschen sich zum Schutz die Hände, bevor sie in ihr Klassenzim­mer gehen.

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