Der Kongo fürchtet sich vor Ebola
Nach der Katastrophe von 2014, der zigtausend Westafrikaner zum Opfer gefallen waren, droht nun eine neue Epidemie. Ein Virologe erklärt, wie groß die Gefahr wirklich ist
Herr Günther, der Ebola-Ausbruch im Kongo beunruhigt Experten und die Menschen in der Welt. Die Angst vor einer Epidemie wie 2014, als 11000 Menschen starben, wächst. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Ich hoffe natürlich, dass diese Epidemie sich noch nicht so ausgebreitet hat. Wenn die bekannten Fälle jetzt die Spitze des Eisbergs sind und es noch hunderte Fälle gibt, die noch nicht erkannt wurden, ist das etwas anderes. Doch ich glaube nicht, dass es eine Situation wie damals in Westafrika geben wird. Die Demokratische Republik Kongo hat große Erfahrung mit Ebola-Ausbrüchen.
Was tragen die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Internationale Gemeinschaft zur Bekämpfung der Krankheit im Kongo bei?
Die WHO macht sehr viel momentan. Sie koordiniert zum Beispiel die Ausbruchskontrolle, also die Identifizierung von Erkrankten und Kontaktpersonen, aber auch die Anschaffung von Impfstoffen und Medikamenten. Es gibt mittlerweile auch mobile Nachweisgeräte für die Infektion, die einfach zu handhaben sind. Im Moment sind aber noch nicht so viele internationale Partner dort tätig. Sie haben zwar ihre Bereitschaft signalisiert zu helfen, aber wenn das Land sagt, wir möchten das selbst in den Griff bekommen, muss man das auch akzeptieren.
Ein weiteres Problem bei der Epidemie 2014 in Westafrika war, dass das Pflegepersonal sich auch mit dem Virus infizierte. Sind Pfleger jetzt besser darauf vorbereitet?
Einheiten von Ärzte ohne Grenzen, die gut ausgerüstet sind, sind schon vor Ort. Eine vordringliche Aufgabe der Mitarbeiter und der WHO ist, Schutzausrüstung für Pflegepersonal in die Region zu bringen und sie auch entsprechend zu trainieren, wie man sich richtig schützt. Menschen, die jetzt Kontakt mit einem Ebola-Patienten haben, sollten so schnell wie möglich geimpft werden oder, wenn sie erkrankt sind, Medikamente bekommen. Wir haben zwar jetzt nicht die hundertprozentige Sicherheit, aber gute Hinweise, dass Medikamente Menschen helfen könnten.
Jetzt sind bereits die ersten Impfaktionen im Kongo angelaufen. Wie groß ist die Hoffnung, dass der neu eingesetzte Impfstoff überhaupt wirksam ist?
Wir haben einen Impfstoff, der getestet worden ist bei der letzten Epidemie. Und der hat sich auch als wirksam herausgestellt.
Das Ebola-Virus ist seit 1976 bekannt. Im Kongo hat es bereits neun Ausbrüche von Ebola gegeben. Warum hat es so lange gedauert, bis es einen wirksamen Impfstoff und Medikamente gab?
Es gibt mittlerweile mehrere Impfstoffe und Medikamente, die eingesetzt werden können. Das Komplizierte ist, dass sich die meisten nur im Affenexperiment als wirksam herausgestellt haben. Glücklicherweise ist Ebola selten, aber so fehlten schlichtweg die Probanden für die Prüfung von Medikamenten am Menschen. Und dann spielen sich Ebola-Epidemien noch in einer Umgebung ab, wo Medikamentenstudien nicht so einfach möglich waren. Daher ist es unheimlich kompliziert, Medikamente zu entwickeln. Statistisch gesehen, braucht man hundert bis tausende Probanden. Es ist nämlich ein großer Unterschied, ob etwas, das beim Affen funktioniert hat, auch beim Menschen funktioniert.
Kann man daraus schlussfolgern, dass es erst zu einer Epidemie kommen musste?
Leider ist das so. Diese große Epidemie 2014, so schlimm sie war, hat die Möglichkeit geboten, die Wirksamkeit am Menschen zu prüfen. Immerhin gibt es jetzt eine Impfung, die wirksam ist. Es gibt auch Medikamente, die geprüft worden sind. Leider waren die Fallzahlen der behandelten Personen in dieser Zeit nicht hoch genug, um mit einer statistischen Sicherheit sagen zu können, dass sie am Menschen wirksam sind. Das wünscht sich zwar keiner, aber hätte die Epidemie ein Jahr länger gedauert, hätte man genug Probanden gehabt.
Inwiefern wird die Situation dadurch erschwert, dass Ebola in einer Millionenstadt wie Mbandaka ausgebrochen ist?
Das ist eine gefährliche Situation. Aber es ist sehr, sehr schwer einzuschätzen, solange man nicht weiß, wie weit Ebola sich ausgebreitet hat. Epidemiologen sind aktuell von der WHO entsandt worden, um das herauszufinden.
Wann besteht denn grundsätzlich die Gefahr einer Epidemie?
Es hängt davon ab, wie sich die Menschen verhalten. Es ist kein Problem, wenn sich die an Ebola Erkrankten in Behandlungszentren begeben und sich dort isolieren lassen. Es wird erst dann problematisch, wenn die Menschen das nicht tun, sondern in ihre Familien gehen und dadurch die nächsten anstecken. Das ist in Westafrika passiert. Ebola wird nicht übertragen, indem man durch die Straße läuft, sondern nur, wenn man sehr engen Kontakt zu einer Person hat.
Besteht die Gefahr einer Ebola-Epidemie auch für Deutschland?
Das ist extrem unwahrscheinlich. Selbst in der Epidemie 2014 gab es Mitarbeiter der WHO, die erkrankten und hier behandelt wurden. Die sind aber eingeflogen worden. Selbst wenn wir einen Fall in Deutschland hätten, wette ich, dass sich Infizierte schnell in medizinische Behandlung begeben würden.