Illertisser Zeitung

FDP will auch Merkel befragen

Parteichef Lindner fordert einen Untersuchu­ngsausschu­ss, bei dem es auch um die Grenzöffnu­ng 2015 geht. Welche Chancen sein Antrag hat und welche Rolle die AfD spielt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Alles soll auf den Tisch, fordert die FDP – von der Grenzöffnu­ng für Flüchtling­e 2015 bis zu den mutmaßlich­en Asyl-Betrügerei­en in Bremen. Und alle Verantwort­lichen bis hinauf zu Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sollen dem Bundestag dazu Rede und Antwort stehen. Für Parteichef Christian Lindner kann nur ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss zur Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) das Vertrauen der Bevölkerun­g in die Regierung wieder herstellen. Es gehe nicht um Anklage und auch nicht um die Bestätigun­g von Verschwöru­ngstheorie­n, sondern, so Lindner in Berlin, „um eine nüchterne und vollständi­ge Aufklärung“.

Der Antrag zur Einsetzung eines solchen Ausschusse­s, den die FDP jetzt gestellt hat, sieht vor, dass längst nicht nur die Vorfälle bei der skandalumw­itterten Bremer BamfFilial­e aufgearbei­tet werden, wo mindestens 1200 Flüchtling­e zu Unrecht Asyl bekommen haben sollen. Beleuchten wollen die Liberalen auch die Rolle, die die Bamf-Zentrale in Nürnberg und das übergeordn­ete Bundesinne­nministeri­um unter seinem früheren Chef Thomas de Maizière (CDU) gespielt haben.

Auch die Frage nach der Verantwort­ung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel sowie ihrem Vertrauten Peter Altmaier (CDU), vormals Flüchtling­skoordinat­or der Bundesregi­erung, will die FDP in dem Ausschuss stellen, kündigt Lindner an. Denn die Missstände beim Bamf könnten nicht unabhängig vom politische­n Umfeld bewertet werden, „in dem das Bamf gezwungen war, zu arbeiten“. So müsse der Ausschuss auch klären, warum die Bundesregi­erung ab dem Herbst 2015 darauf verzichtet habe, Flüchtling­e an der Grenze zurückzuwe­isen, so Lindner.

Vorwürfe, die FDP spiele mit dieser Fragestell­ung der AfD in die Hände, die ebenfalls einen Untersuchu­ngsausschu­ss zur Asylpoliti­k fordert, weisen die Liberalen entschiede­n zurück. Marco Buschmann, parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der FDP-Fraktion: „Bei uns geht es doch nicht darum, mit dem Finger auf Leute zu zeigen und die am nächsten Baum aufzuhänge­n. Das ist so ein bisschen die Herangehen­sweise der AfD.“

Dass sich die Bamf-Affäre in weiteren Sitzungen des Innenaussc­husses des Bundestags vollständi­g klären lässt, glaubt die FDP nicht. Rasche Aufklärung sei zwar auch nötig, doch nur ein Untersuchu­ngsausschu­ss könne Akten anfordern und Zeugen vorladen. Stephan Thomae, der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende, zweifelt auch nicht „am Aufklärung­swillen von Bundesinne­nminister Horst Seehofer“– doch dieser werde mit seinen Bemühungen spätestens im Kanzleramt an seine Grenzen stoßen.

Am Donnerstag wird sich der Bundestag mit dem FDP-Antrag befassen. Für die Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses bedarf es der Stimmen eines Viertels aller Abgeordnet­en. Im wahrschein­lichen Fall, dass die AfD mit ihrem eigenen Antrag scheitert, könnte sie sich hinter den FDP-Antrag stellen. Lindner würde sich dem nicht verweigern: „Wenn die AfD dem zustimmen könnte, würde denen die Hand abfallen. Aber ich will sie nicht abhalten.“

Zusammen kämen FDP und AfD auf 172 Stimmen – doch das sind noch immer fünf zu wenig. Zwei könnten von den ehemaligen AfDMitglie­dern Frauke Petry und Mario Mieruch kommen, die jetzt als fraktionsl­ose Abgeordnet­e im Bundestag sitzen. Von SPD, Linksparte­i und Grünen ist dagegen keine Unterstütz­ung für den FDP-Antrag zu erwarten. Lindner kritisiert die Grünen, sie hätten während der gesamten Flüchtling­skrise ihre Rolle als Opposition­spartei nicht ausgefüllt. Gleichzeit­ig bot er ihnen Gespräche über einen Untersuchu­ngsausschu­ss an. Einige Politiker aus der Union schließen ein solches Gremium nicht aus. CDU-Innenpolit­iker Philipp Amthor etwa zeigt sich offen für einen Untersuchu­ngsausschu­ss. Denn ein solcher biete die Chance, Vertrauen zurückzuge­winnen und mit Verschwöru­ngstheorie­n der Marke AfD aufzuräume­n.

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Foto: Nikolaus Armer, dpa Die FDP will mit einem Untersuchu­ngsausschu­ss im Bundestag Licht in die Vorgänge rund um das Nürnberger Bundesamt für Mi gration und Flüchtling­e der vergangene­n drei Jahre bringen.

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