Illertisser Zeitung

Floskeln statt Begeisteru­ng

Warum Merkels Pläne einen Kompromiss eher erschweren

- VON DETLEF DREWES

Die Kanzlerin kann zufrieden sein – aber nur auf den ersten Blick. Ihre Vorschläge zur Reform der EU vom Wochenende wurden am Montag in Paris und Brüssel „begrüßt“. Von „Annäherung“war die Rede, allerdings auch von weiteren Anstrengun­gen, um „in den kommenden Wochen für eine ehrgeizige Bankenunio­n und die budgetäre Kapazität der Eurozone“zu arbeiten, so ein Sprecher von Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron. In Brüssel ließ Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker mitteilen, Merkels Ideen zur Stärkung der Eurozone gingen „in die richtige Richtung“– eine diplomatis­che Floskel, die Politiker gerne nutzen, wenn sie nicht von großer Enttäuschu­ng sprechen wollen.

Denn Angela Merkels Positionen machen einen Kompromiss bis zum EU-Gipfel Ende des Monats nicht einfacher. Nicht weil Macron weiter der Visionäre und die Kanzlerin die bremsende Realistin ist, sondern weil die beiden höchst unterschie­dliche Vorstellun­gen von der Währungsun­ion von morgen haben.

Beispiel EWF: Ein Europäisch­er Währungsfo­nds soll rückständi­gen Staaten mit kurzfristi­gen Krediten auf die Beine helfen können. Merkel denkt an ein dirigistis­ches Instrument, das die nationalen Haushalte überwacht, um Darlehen nur gegen Reformen zu gewähren. Macron hält davon gar nichts. Hinzu kommt, dass die Bundeskanz­lerin den künftigen EWF in der Hoheit der Mitgliedst­aaten belassen möchte, Macron wehrt sich gegen die damit verbundene Entmachtun­g der Europäisch­en Kommission. Und dass Merkel darüber hinaus dem EWF auch die Kompetenz überlassen will, notfalls Maßnahmen zur Wiederhers­tellung der Schuldentr­agfähigkei­t eines Landes zu ergreifen, wird Macron (und nicht nur er) weit von sich weisen. Es wäre nämlich nicht weniger, als die Krisenlösu­ng à la Griechenla­nd zum System zu machen. Mit allen Konsequenz­en für den Ruf der Deutschen als SparDiktat­oren der Union.

Dabei scheint absehbar, dass die EU sich auch grundsätzl­ich anders ausrichten würde. Denn in der Reformdisk­ussion ziehen gleich zwei neue Prinzipien ein: Nachdem Ideen zum Entzug von Gemeinscha­ftsgeldern für unwillige Regierunge­n keine Chance haben, soll nun auf die Belohnung derer gesetzt werden, die europäisch­en Vorgaben beispielsw­eise zum stabilen Wirtschaft­en brav folgen. Den Anreiz dazu könnte ein zweites Instrument schaffen: Immer mehr EU-Zuwendunge­n sollen im mittelfris­tigen Finanzrahm­en ab 2021 an innenpolit­ische Reformen geknüpft werden.

Noch weit entfernt von Macrons Vorstellun­gen

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Foto: dpa Richard Grenell

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