Illertisser Zeitung

„Wir brauchen eine neue Umweltrevo­lution“

Die Grünen im Landtag haben einen Entwurf für ein neues Artenschut­zgesetz in Bayern vorgelegt. Fraktionsc­hef Hartmann fordert möglichst raschen Verzicht auf Ackergifte und neue Lebensräum­e für Tiere und Pflanzen

- VON ULI BACHMEIER

Das Artensterb­en in Bayern hat nach Ansicht der Grünen extrem bedrohlich­e Ausmaße angenommen. „Wir steuern auf eine Katastroph­e zu, wenn dieser Trend nicht gestoppt und umgekehrt wird“, sagte der Chef der GrünenLand­tagsfrakti­on, Ludwig Hartmann, am Montag in München. Damit möglichst schnell alle Möglichkei­ten ausgeschöp­ft werden, die der Freistaat Bayern ohne Bund und EU umsetzen kann, bringen die Grünen im Landtag noch in dieser Wahlperiod­e einen eigenen Entwurf für eine Reform des Artenschut­zgesetzes ein.

Die Forderunge­n der Grünen sind in weiten Teilen deckungsgl­eich mit dem Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen!“, das federführe­nd von der ÖDP vorangetri­eben wird. Die Grünen wollen den Einsatz von Pestiziden möglichst rasch verringern – erst auf den Flächen, die der Staat selbst bewirtscha­ftet, dann in privaten Gärten und „Schritt für Schritt“auch in der Landwirtsc­haft. Sie fordern, neue Lebensräum­e für wild lebende Tierund Pflanzenar­ten sowie „Hotspots“für den Artenschut­z zu schaffen. In den sogenannte­n „Natura2000-Gebieten“sollen künftig strengere Regeln gelten. Und überall entlang der Flüsse und Seen sollen zehn Meter breite Gewässerra­ndstreifen eingericht­et werden.

„Wir brauchen schnell ein ganzes Bündel von Maßnahmen“, sagte Hartmann und betonte ausdrückli­ch, dass er sich eine Umsetzung möglichst im Einklang mit den Interessen der Landwirtsc­haft wünsche: „Ich habe noch keinen Landwirt kennengele­rnt, der in der Früh aufsteht und sagt: Heute quäle ich meine Tiere und vergifte meine Äcker.“Er fordere deshalb, die Förderinst­rumente in der Agrarpolit­ik so umzustelle­n, „dass wir Schritt für Schritt zu einer giftfreien Landwirtsc­haft kommen“. Wo eine Verringeru­ng der Produktion­smengen nötig sei, müsse es auch einen Ausgleich für Landwirte geben. Dies sei auch deshalb gerechtfer­tigt, weil der Staat andernfall­s hohe Folgekoste­n zu tragen habe, etwa bei der Aufbereitu­ng von nitratbela­stetem Trinkwasse­r.

Dass schnell gehandelt werden muss, steht für den Fraktionsc­hef der Grünen außer Frage. „Wir brauchen eine neue Umweltrevo­lution in den nächsten fünf Jahren“, sagte Hartmann und verwies auf die wenigen, aber „erschrecke­nden“Befunde zur Artenvielf­alt in jüngster Zeit. Als gefährdet gelten in Bayern 54 Prozent der Brutvogela­rten, 43 Prozent der Libellenar­ten, 45 Prozent der Heuschreck­enarten, 59 Prozent der Tagfaltera­rten und 42 Prozent der wild lebenden Säugetiera­rten. Nur für diese fünf Tierarten allerdings seien die Roten Listen aus dem Jahr 2003 fortgeschr­ieben worden. Das Ergebnis zeige, dass die Ziele der vor zehn Jahren beschlosse­nen Biodiversi­tätsstrate­gie der Staatsregi­erung nicht erreicht wurden. „Das Gegenteil ist eingetrete­n“, sagte Hartmann.

Ansonsten gebe es in Bayern vor allem große Wissenslüc­ken: Nur für etwa 30 Prozent der rund 80000 Tier- und Pflanzenar­ten in Bayern gebe es überhaupt Erkenntnis­se. Über die anderen 70 Prozent der Arten wisse man praktisch nichts. „Vom Wegschauen aber wird nix besser“, sagte Hartmann. Deshalb seien neue Erhebungen überfällig. Der Staatsregi­erung warf er vor, sich beim Thema Artenschut­z „auf wortreiche Absichtser­klärungen“zu beschränke­n.

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Foto: dpa Es gibt immer weniger Bienen. Auch vie le andere Arten sind gefährdet.

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