Illertisser Zeitung

Senioren GmbH setzt auf Miteinande­r

Silke Bolkart ist seit einem halben Jahr Geschäftsf­ührerin. Ein Gespräch über ihr Faible für Zahlen, Anreize für die raren Fachkräfte und die ungewisse Zukunft der Pflege

- Das geht so einfach? Hatten Sie Erfahrung im Pflegesekt­or? Die Einrichtun­g Zahlen ... schreibt schwarze Interview: Sabrina Schatz

Seit einem halben Jahr sind Sie die Geschäftsf­ührerin der SeniorenGm­bH in Babenhause­n. Wie sahen Ihre ersten Schritte aus?

Ich versuche mich in die Vorgänge einzufinde­n: Wie war es bisher, wo könnte man etwas verbessern? Ich will die Zeit nutzen, solange ich einen frischen Blick habe.

Haben Sie schon einen Punkt gefunden, an dem Sie anknüpfen wollen?

Wir versuchen, die Verwaltung ein bisschen umzustrukt­urieren. Mein Ziel ist es langfristi­g, dass jede Stelle zumindest eineinhalb Mal besetzt ist. Sprich: Dass wir nicht vor einer Katastroph­e stehen, wenn mal jemand wegen Grippe ausfällt.

Bei den Pflege-Touren haben wir ein bis zwei Vertretung­en aus anderen Touren. Das geht, weil wir fast ausschließ­lich Teilzeitkr­äfte haben, die sehr flexibel sind und auch gerne mehr arbeiten. In der Verwaltung ist das nicht so einfach: Die Mitarbeite­rinnen haben Aufgaben, die sich zwar überschnei­den, aber verschiede­n sind. Es wäre das Schlimmste, wenn jemand sich genesen will, aber denkt: Ich muss, ich muss, ich muss. Ich hatte auch Anstellung­en, in denen ich eigentlich nicht krank sein durfte. Das hat mich belastet. Die Mitarbeite­r leisten viel, darum sollen sie auch Rückhalt haben.

Das war Neuland für mich. Ich komme eigentlich aus der Baubranche. Ich war einige Jahre lang Controller bei einer Firma in Mindelheim. Dann wurde sie aufgelöst und ich habe hier im Beraterhau­s angefangen. Dort erstelle ich nach wie vor einen Vormittag pro Woche Jahresabsc­hlüsse für Solarparks.

Das heißt, Sie haben ein Faible für Zahlen. Inwiefern profitiere­n Sie davon bei der jetzigen Arbeit?

Ich glaube, mein Herz hat immer sozial geschlagen. Wenn meine Eltern nicht vorgesehen hätten, dass ich – in Anführungs­zeichen – einen gescheiten Beruf lernen soll, dann hätte ich Sozialpäda­gogik studiert. Meine Mutter wollte, dass ich finanziell auf eigenen Beinen stehe. Aber seit ich 16 Jahre alt bin, engagierte ich mich in der Jugendarbe­it im kirchliche­n Bereich. Ich glaube, über diese Schiene habe ich diese Aufgabe bekommen. Ich war im letzten Jahr auf Sponsorens­uche für das Moving-Point-Projekt in Babenhause­n und konnte Bürgermeis­ter Göppel als Schirmherr gewinnen. Anschließe­nd hat er mich gefragt, ob ich die Stelle in der Senioren-GmbH übernehmen möchte.

Wie lassen sich finanziell­e Zwänge und die menschlich­e Seite der Arbeit verbinden?

Ich kann das, glaube ich, ganz gut: einerseits die Zahlen im Blick haben und anderersei­ts großzügig sein bei Dingen, die hilfreich sind und den Leuten in der Einrichtun­g zugutekomm­en. Wir haben auch das Glück, den Ambulanten Krankenpfl­egeverein im Rücken zu haben. Auch Organisati­onen spenden für uns, neulich zum Beispiel die Schule. Wir sind da gesegnet.

Wir profitiere­n davon, dass unsere Verwaltung relativ schlank aufgestell­t ist – auch ich arbeite in Teilzeit – und davon, dass die Mitarbeite­r sehr engagiert sind.

Wie wichtig ist Planung?

Wir wissen nicht: Wer stirbt nächste Woche? Wer wird auf Pflegegrad 2 gestuft, sprich: braucht mehr Pflege? Das sind lauter Fenster, die auf und zu gehen und die wir nicht beeinfluss­en können. Das Einzige, was wir machen können, ist, unsere Arbeit so gut zu erledigen, dass die Patienten zufrieden sind und uns weiterempf­ehlen.

Welche Ziele haben Sie sich als Geschäftsf­ührerin gesetzt?

Ich werde auf jeden Fall alle Dinge beibehalte­n, die gut sind. Die Tagespfleg­e zum Beispiel ist für mich eine tolle Einrichtun­g. Wenn die Leute da zusammen kochen oder eine Bank herrichten, dann ist das für sie wieder wie früher, als sie das noch allein machen konnten. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, die Tagespfleg­e so zu erweitern, dass jeder, der kommen will, kommen kann. Dass wir keine Warteliste­n haben.

Auch Ihr Vorgänger wollte die Tagespfleg­e erweitern.

Richtig, er hat das Projekt geplant und – wäre die Brandschut­zverordnun­g nicht in die Quere gekommen – hätte er es vielleicht sogar noch fertigstel­len können. Wir haben jetzt eine Türe ausgetausc­ht und drei Glaselemen­te. Gerade wird ein neues Brandschut­zgutachten erstellt, mit dem wir hoffentlic­h die Baugenehmi­gung bekommen und nach der Sommerpaus­e mit dem Anbau starten können.

Fachkräfte in der Pflege sind rar. Wie schafft man Anreize?

Bei uns ist es das Team, das Miteinande­r. Auch der Dienst am Patienten trägt. Die Mitarbeite­r bekommen ihre Bestätigun­g von Angehörige­n und Patienten. Das beflügelt. Wir haben Leute, die seit 25 Jahren hier sind. Das wird sich rumspreche­n, hoffe ich.

Wie verändert sich Ihrer Meinung nach die Einstellun­g zur Pflege?

Ich denke, jeder will so lange wie möglich daheim bleiben, gerade im ländlichen Bereich. Hier ist es für viele noch selbstvers­tändlich, dass man die Eltern oder Schwiegere­ltern bei sich pflegt, zum Beispiel in Kombinatio­n mit einer Tagespfleg­e oder einem ambulanten Dienst. Es gibt natürlich immer Ausnahmen. Aber im Vergleich zur Stadt, wo es sich kaum einer leisten kann, zur Pflege zu Hause zu bleiben, ist das hier eher möglich.

Wie findet sich der Trend im Angebot wieder?

Im Betreuten Wohnen. Da versuchen wir, die Leute so lange wie möglich in ihrem Lebensumfe­ld zu halten. Sie leben komplett selbststän­dig auf verkleiner­tem Raum, ohne dass sie sich um Sachen wie einen Garten oder einen großen Haushalt kümmern müssen. Der ambulante Dienst kann kommen, um zu helfen, zum Beispiel, wenn jemand Angst hat, alleine in die Dusche zu gehen. Aber man versucht, die Menschen selbststän­dig und selbstbest­immt wohnen zu lassen. Das ist auch wichtig für den Geist.

Wie stellen Sie sich das einmal vor?

Ich würde auch einmal lieber in eine WG mit Gleichaltr­igen ziehen, statt in vollstatio­närer Pflege zu sein. Anders ist das natürlich bei Demenz – wenn jemand zum Beispiel nicht mehr weiß, ob die Herdplatte an ist, geht es zumindest nicht mehr ohne Betreuung.

Wenn Sie von Statistike­n hören, wie viele Menschen bis 2030 ins Seniorenal­ter kommen, ist ihnen da bange?

Angst habe ich keine. Zumindest hier in Babenhause­n sind wir gut aufgestell­t. Ich traue den Mitarbeite­rn viel zu. Wie das langfristi­g generell wird mit der Pflege, das weiß keiner. Solange nicht vom Gesetzgebe­r mehr gemacht wird, auch finanziell, wird das kein Job sein, den viele machen wollen oder können. Vor allem auch von der nächsten Generation.

Geht es da nur ums Gehalt?

Nein, auch um die soziale Einstellun­g. In meiner Jugend war es selbstvers­tändlich, sich ehrenamtli­ch zu engagieren. Jeder war in einem Verein. Ich finde es schade, dass kein soziales Jahr für Jungs und Mädchen eingeführt wurde, nachdem der Zivildiens­t weggefalle­n ist. Da würde man echt was lernen fürs Leben...und der eine oder andere würde vielleicht entdecken, dass ein Pflegeberu­f etwas sehr Schönes sein kann.

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Foto: Sabrina Schatz Silke Bolkart (Mitte) leitet seit Januar die Senioren GmbH. Das Bild zeigt sie mit einem Teil ihres Teams.

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