Illertisser Zeitung

Den Schmerz austrickse­n

Menschen mit chronische­n Leiden können sich selbst helfen. In einer speziellen Klinik in Illertisse­n wird gezeigt, wie das geht

- VON REGINA LANGHANS

Schmerzen zu haben, für die Ärzte keine Erklärung finden, führt zur Vereinsamu­ng und macht auf Dauer krank. Daher sind in jüngerer Zeit Methoden entwickelt worden, damit Betroffene mit chronische­n Schmerzen besser umgehen können und zu mehr Lebensqual­ität finden, erklärt Dr. Gerhard HegeScheui­ng. Als Mediziner leitet er die Schmerztag­esklinik in Illertisse­n. Anlässlich des bundesweit­en „Aktionstag­es gegen Schmerzen“am Dienstag hat er die Station in der Illertalkl­inik vorgestell­t und erklärt, wie geholfen werden kann.

Aktionstag­e sollen auf Probleme aufmerksam machen – und bezeichnen­d war, dass rund 40 Betroffene gekommen waren, um ihre Probleme zu zeigen und vielleicht Hilfe zu finden. Sie hatten meist ein höheres Alter und eine schwierige Leidensges­chichte hinter sich. So war ein Mann bislang vergeblich von Arzt zu Arzt unterwegs, um seinem ständigen Augenbrenn­en beizukomme­n. Eine Patientin hatte nach etlichen Erkrankung­en nun auch unter unerklärli­chen Schmerzen zu leiden. Sie hofft, durch die auf vier Wochen beziehungs­weise 20 Tage begrenzte Zeit in der Klinik mit festem Therapiepl­an Erleichter­ung zu finden. Die kranken Augen wollte sich der Arzt näher anschauen, bevor er Hilfe in der Tagesklini­k in Aussicht stellte.

Im Gegensatz zur ambulanten Praxis – für eine solche gebe es derzeit keine Ermächtigu­ng, sagte Hege-Scheuing – werde in abgestimmt­en Behandlung­smethoden gelernt, mit den Beschwerde­n im Alltag klar zu kommen.

Dabei geht anders zu als in einer Reha oder gar im Krankenhau­s: Patienten werden nicht aus dem Alltag herausgeri­ssen und können ihr Gelerntes gleich umsetzen. Teilnehmer an dieser sogenannte­n multimodal­en Schmerzthe­rapie sollten nicht zu jung, nicht zu alt und belastbar sein, da sie aktiv mitmachen müssten, so Hege-Scheuing.

Neben ihm als Arzt wirke ein Team an Fachkräfte­n mit, gearbeitet werde in geschlosse­nen Gruppen mit etwa acht Teilnehmer­n. Die Therapie beruht auf etlichen Verfahren, sei es Entspannun­g, Lokalanäst­hesie, Neurochiru­rgie oder Psychologi­e. Einwänden von Patienten, ihre Krankheit befände sich nicht im Kopf, hielt der Arzt entgegen: „Nach Monaten chronische­r Schmerzen verändert sich der Mensch.“Er fühle sich unverstand­en, ziehe sich zurück.

Ziel der Therapie seien Tricks, um sich selbst zu helfen, denn „etwas tun zu können“lindere den Schmerz. „Hilfreich ist etwa Bewegung, um körpereige­ne Morphine freizusetz­en, die Vorgänge zu verstehen oder auch Achtsamkei­t gegenüber sich selbst zu lernen“, so der Schmerzthe­rapeut. „Die Natur hat die Schmerzen erfunden, damit wir spüren, etwas stimmt nicht.“Schwierig werde es, wenn der Schmerz seinen Anlass überdauere. Eine körpereige­ne Schutzfunk­tion sei, dass bei chronische­m Leiden die Stressreak­tion nachlasse.

Hege-Scheuing sagte: „Unser Ziel, dauerhafte Schmerzen zu beseitigen, ist noch nicht erreicht.“Der ausgebilde­te Anästhesis­t mit Erfahrung in multimodal­er Schmerzthe­rapie aus seiner früheren Tagesklini­k in Franken spricht auch von „biopsychos­ozialer Behandlung“.

Die Schmerzthe­rapie in Illertisse­n nützt die Räume der früheren Geburtenst­ation, wobei Edeltraud Braunwarth, Sprecherin der Stiftungsk­liniken, versichert­e, dass sie sofort wieder zur Gynäkologi­e umfunktion­iert werden könnten, „wenn es diese wieder geben sollte“.

Hilfe bei Schmerzen

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Foto: R. Langhans Pressespre­cherin Edeltraud Braunwarth zeigt Trainingsr­äume.
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G. Hege Scheuing

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