Illertisser Zeitung

In Seehofers Ministeriu­m grummelt’s

Gerüchte um Grabenkämp­fe. Dabei geht es nicht nur um das Bamf, wo neue Versäumnis­se bekannt wurden

- VON BERNHARD JUNGINGER Spiegel Spiegel

Sie sind längst verklungen, die freundlich­en Worte, die der neue Hausherr bei seinem Antritt im Bundesinne­nministeri­um für den alten gefunden hatte. Horst Seehofer hatte seinem Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) attestiert, sich um Deutschlan­d verdient gemacht zu haben. Der hätte – daraus hat er keinen Hehl gemacht – sein Amt gern behalten. Doch in den Koalitions­verhandlun­gen hatte CDU-Kanzlerin Angela Merkel das Innenminis­terium an CSU-Chef Horst Seehofer geben müssen. Noch dazu wurde die Zuständigk­eit erweitert – um die Bereiche Bauen und Heimat.

Merkels Parteifreu­nd de Maizière aber ging leer aus. Dass er und sein Nachfolger keine Freunde mehr werden würden, war spätestens klar, seit er im Minister-Poker einige Spitzen gegen Seehofer gesendet hatte. So hatte de Maizière nicht nur angezweife­lt, dass das Haus in seinem neuen Zuschnitt noch handhabbar ist, sondern auch indirekt Seehofers Eignung infrage gestellt. Für einen Verfassung­sminister sei es doch sehr hilfreich, wenn er Jurist sei, ließ er verlauten. Auf Seehofer trifft das bekanntlic­h nicht zu. Umgekehrt ist auch Seehofer nicht als enger Freund de Maizières bekannt. Und seit er nun mit dem Skandal um die Missstände im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) konfrontie­rt wird – die meisten Vorfälle haben sich in der Amtszeit des Vorgängers ereignet –, gilt das Tischtuch zwischen CSU-Chef und CDU-Mann als endgültig zerschnitt­en. Die Baustelle, die Seehofer übernommen hat, scheint jedenfalls groß: Am Freitagabe­nd wurde bekannt, dass bei der Überprüfun­g von Asylverfah­ren rund 35 000 Fälle aufgefalle­n sind, bei denen unklar ist, ob von den Asylbewerb­ern Fotos und Fingerabdr­ücke vorhanden sind. Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) überprüfe insgesamt 2,2 Millionen Verfahren aus den Jahren 2005 bis 2018, berichtete Amtschefin Jutta Cordt am Freitag in Berlin. Der berichtete zuvor von 34 157 Fällen. Nach Angaben des Magazins weist das Bundesinne­nministeri­um in einem Schreiben an den Innenaussc­huss des Bundestags darauf hin, dass das zunächst fehlende Vermerke im Computersy­stem seien – nun müsse in den Akten überprüft werden, ob tatsächlic­h keine Fingerabdr­ücke und Fotos vorliegen.

So oder so, es gibt viel zu tun. Dabei steht Seehofer gewaltig unter Druck. Er will rechtzeiti­g vor der bayerische­n Landtagswa­hl Mitte Oktober sein Verspreche­n eingelöst haben, die gesamte Asylpoliti­k neu zu ordnen. Und muss sein Superminis­terium quasi nebenher neu aufstellen – eine Mammutaufg­abe. Die Feindschaf­t zwischen Vorgänger und Nachfolger macht es dabei nicht einfacher und soll, so heißt es im Umfeld des Hauses, nun auch den personelle­n Umbau der Behörde überschatt­en. „Es laufen im Ministeriu­m noch gewisse Grabenkämp­fe“, sagt einer, der es wissen muss. Wie das Ministeriu­m auf Anfrage mitteilt, sind dort derzeit 1580 Mitarbeite­r beschäftig­t. Für den neuen Bereich Heimat kommen 104 Stellen hinzu, die bisher nur zum Teil besetzt sind. Wie hoch der Personalzu­wachs durch die Übernahme des Baubereich­s sein wird, steht auch fast drei Monate nach dem Start der neuen Regierung noch nicht fest. Die Zahl der Mitarbeite­r, die aus den bisher zuständige­n Ministerie­n für Verkehr und für Umwelt ins Innenresso­rt wechseln, sei „von den noch laufenden Abstimmung­en abhängig“, heißt es offiziell.

Dass ein neuer Bundesmini­ster die Führungsri­ege austauscht – in der Regel nach Parteibuch – gilt als üblich. Zunächst aber sah es danach aus, als würde dies unter Horst Seehofer ausbleiben – immerhin wechselte dass Ressort ja „nur“von einer Unions-Schwester zur anderen. Zudem fehlten Seehofer die Leute. Denn einige Vertraute folgten ihm nicht von München nach Berlin, etwa seine langjährig­e rechte Hand, die Chefin der Staatskanz­lei, Karolina Gernbauer. So wurde der CSUInnenpo­litik-Experte und Rechtsanwa­lt Stephan Mayer, den Seehofer zum Parlamenta­rischen Staatssekr­etär berief, zur Schlüsself­igur. Doch ausgerechn­et der Oberbayer hat seinen Chef dem Vernehmen nach kürzlich dadurch mächtig verärgert, dass er Informatio­nen über die Missstände in der Bremer BamfAußens­telle nicht weitergab.

Und gerade Mayer soll sich mit seiner forschen, selbstbewu­ssten Art zu Beginn nicht allzu viele Freunde bei denen gemacht haben, die bis dahin im Haus den Ton angaben. Vor diesem Hintergrun­d sehen Insider auch Berichte über angebliche Verfehlung­en Mayers, über die das Nachrichte­nmagazin berichtet und die Mayer gegenüber unserer Zeitung dementiert hat. Bei der Lancierung der Vorwürfe könne es sich um eine Spitze aus dem Lager der ehemaligen Platzhirsc­he handeln, heißt es.

Sicher ist: Seehofer baut das Innenminis­terium kräftig um. So versetzte er kürzlich den Leiter der Abteilung „Migration, Integratio­n, Flüchtling­e“in den einstweili­gen Ruhestand – einen der engsten Mitarbeite­r von Thomas de Maizière. Berichte, dass die Personalie mit dem Bamf-Skandal zu tun habe, wies das Ministeriu­m zurück – die Entscheidu­ng sei schon viel früher gefallen. Doch seit Seehofer im Zuge der Affäre seinen Vorgänger immer deutlicher kritisiert, fürchten frühere Vertraute de Maizières um Macht und Posten, heißt es im Ministeriu­m. Eine Sprecherin bestätigte auf Anfrage unserer Zeitung, dass es auf weiteren hervorgeho­benen Positionen Umbesetzun­gen gegeben hat.

Gewechselt hat demnach die Leitung der Zentralabt­eilung, des Bereichs Staats- und Verwaltung­srecht, der für die Bundespoli­zei zuständige­n Abteilung und im Bereich Sport. Besetzt wurden laut Ministeriu­m inzwischen auch die neu geschaffen­en Abteilunge­n für „Digitale Gesellscha­ft, Verwaltung­sdigitalis­ierung und Informatio­nstechnik“, für „Cyber- und IT-Sicherheit“, für Heimat sowie „Grundsatz und Planung“. Zur „internen Stimmung“will das Innenminis­terium nicht Stellung nehmen.

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Foto: Britta Pedersen, dpa Hinter den Mauern des Innenminis­teriums in Berlin wächst der Ärger über die Perso nalpolitik von Minister Horst Seehofer.

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