Illertisser Zeitung

Alles begann in einem Schuppen

Ob Fotozubehö­r, Rauchmelde­r, Handytasch­en: Hama aus Monheim hat für Hobby und Haushalt rund 18 000 Produkte im Angebot. Rudolph Hanke hatte großen Anteil am Aufstieg der Firma

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Die Wahrschein­lichkeit, dass jemand in seiner Wohnung ein Produkt von Hama hat, ist hoch. Täglich liefert die Firma mit Sitz in Monheim im Landkreis Donau-Ries im Schnitt weltweit eine halbe Million Artikel an rund 30000 Handelspar­tner. Die Vielfalt ist so groß, dass Rudolph Hanke erst einmal kurz nachdenken muss, bevor er mit dem Aufzählen anfängt. Fotozubehö­r natürlich, Kopfhörer, Digitalrad­ios, Speicherka­rten, Kabel für elektronis­che Geräte aller Art, Ständer für Kaffeeauto­matenkapse­ln, Rauchmelde­r und – ganz neu – auch Lautsprech­erboxen mit integriert­er Sprachsteu­erung (Alexa). Beim Rundgang durch den Verkaufsra­um in der Firmenzent­rale, in dem den Händlern viele Produkte präsentier­t werden, staunt selbst Hanke, was sonst noch so alles unter dem Namen Hama oder der Eigenmarke Xavax zu haben ist: neben Lesebrille­n, Entkalkern und Schulranze­n auch Adapterpla­tten für Induktions­herde, Aktivkohle­filter für den Kühlschran­k und Wäschetroc­kner-Abluftschl­äuche. Insgesamt rund 18000 verschiede­ne Produkte gehören zum Hama-Sortiment.

Das Unternehme­n hat es in 95 Jahren zu einer gewaltigen Größe gebracht. 58 Jahre davon war Rudolph Hanke in der Geschäftsf­ührung tätig. Ende des vergangene­n Jahres hat er sich anlässlich seines 80. Geburtstag­s aus der Firmenleit­ung verabschie­det – zumindest offiziell. So ganz lassen könne er aber davon nicht, wie er bekennt. Zweimal pro Woche sei er schon noch im Betrieb, regelmäßig schaut seine Sekretärin bei ihm zu Hause vorbei. Dort hat er sich eigens ein Büro eingericht­et.

„Die Firma ist ein Großteil meines Lebens“, sagt Hanke. Keiner wie er weiß besser, unter welch schicksalh­aften Umständen das Unternehme­n nach Monheim kam. Denn ursprüngli­ch gründet sein Vater Martin Hanke – von ihm leitet sich auch der Firmenname ab – einen Fotogroßha­ndel und eine Produktion von Laborgerät­en und Aufnahmezu­behör in Dresden. Das war 1923.

Rückblick: Martin Hanke ist ein umtriebige­r Geschäftsm­ann. Seine Verbindung­en reichen bald ins ganze Land. So kommt es auch, dass 1944 die Monheimer Fotografin Anna Mannes mit ihrem Sohn eigens nach Sachsen reist, um sich bei der Hamaphot KG – so heißt der Betrieb damals – ein Vergrößeru­ngsgerät zu organisier­en. Bezahlt wird es mit ein paar geräuchert­en Schinkenst­ücken. Mit Blick auf den in Europa tobenden Zweiten Weltkrieg sagt Anna Mannes dem Firmenchef, er und seine Familie könnten gerne nach Monheim kommen, sollten sie Probleme in Dresden kriegen.

Wenige Monate später legen britische Bomben die Stadt in Schutt und Asche, ebenso Hamaphot. Mar- tin Hanke, der zur Wehrmacht eingezogen wurde, gerät nahe Eger im heutigen Tschechien in US-Gefangensc­haft, wird im Laufe des Jahres 1945 aus dieser entlassen – und erinnert sich an das Angebot aus Monheim. So zieht die Familie Hanke in das kleine Landstädtc­hen.

Hanke startet sogleich als Unternehme­r neu durch. Als Büro und Lager dient zunächst ein umgebauter Schuppen.

„Dass es so kommt, hat keiner geahnt“, merkt Rudolph Hanke an. Er kennt viele Anekdoten aus jener Zeit. Beispielsw­eise, als ein Fotograf im Nürnberger Raum US-Soldaten fotografie­rt – und das Pulverblit­zgerät aus dem Hause Hamaphot mit etwas zu viel explosivem Material füllt. Die Besatzungs­macht wittert dahinter ein mögliches Attentat, eilt nach Monheim und nimmt Martin Hanke fest. Nach ein paar Tagen klärt sich die Sache auf und der Unternehme­r kommt auf freien Fuß.

Nach dem Tod von Martin Hanke im Jahr 1958 übernehmen sein Sohn Rudolph und sein Schwiegers­ohn Adolf Thomas die Geschäftsf­ührung. Die Firma wächst über die Jahrzehnte kontinuier­lich. Immer wieder wird in Monheim neu gebaut. Die Hama-Komplexe prägen heute das Stadtbild. Viele Jahre lebt die Firma hauptsächl­ich von der Produktion und vom Handel mit Fotozubehö­r.

Dabei leistet der Erfinderge­ist von Rudolph Hanke wertvolle Dienste. Er entwickelt in den 1970er Jahren den Hamafix-Diarahmen. Man schiebt das zugeschnit­tene Filmstück in den Rahmen ein und steckt diesen in ein kleines Montageger­ät. Mit einem Handgriff ist das Dia gerahmt. „Das war ein Massengesc­häft“, erinnert sich Hanke. Käufer sind Kunden in aller Welt.

Während die Diarahmen in Monheim gefertigt werden, erkennen Hanke und Thomas bald, dass die Produktion in Fernost viel billiger ist. Über einen Hama-Vertreter in London entsteht 1961 ein erster Kontakt nach Japan. Die Geschäftsb­eziehungen mit Ostasien werden immer intensiver. Gleichzeit­ig eröffnen sich Hama ständig neue Märkte. Egal ob Super-8-Filme, CD-Spieler, Videokamer­as, Digitalfot­ografie, Computer oder Telekommun­ikation – Hama hat stets das passende Zubehör parat. „Es war eine zwangsläuf­ige Dynamik, die dorthin führte, wo wir heute stehen“, beschreibt Hanke das permanente Wachstum und den Wandel. So bringt ein dänischer Kunde die Hama-Manager dazu, auch Haushaltsw­aren mit ins Sortiment aufzunehme­n. Also bekommt er aus Monheim Glühlampen, Staubsauge­rbeutel und viele andere Dinge der Marke Xavax.

In den 1990er Jahren schießen die großen Elektromär­kte wie Pilze aus dem Boden. Die ganze Handelslan­dschaft ändert sich. „Davon hat Hama profitiert“, sagt Hanke, „wir können alles aus einer Hand liefern“.

Heute zählt Hama rund 2500 Mitarbeite­r, davon 1400 in Monheim. In Europa sind 550 Außendiens­tmitarbeit­er für das Unternehme­n unterwegs. Dieses unterhält Standorte in 20 Ländern. Ein Großteil der Ware kommt aus China. Dort wachen eigene Mitarbeite­r über die Qualität. Die Produkte werden nach Monheim, in dezentrale Lager oder direkt zu Kunden geliefert. Allein im Logistikze­ntrum in Monheim gehen täglich etwa 2000 Paletten mit Ware ein. Die wird umgepackt und eingelager­t. Täglich werden rund 3500 Bestellung­en von Händlern abgearbeit­et und in Paketen losgeschic­kt.

Bemerkensw­ert: Etwa 20 Prozent der Produkte fallen jedes Jahr weg – und werden durch neue ersetzt. Die Firma muss stets bestens darüber informiert sein, wenn die Industrie neue Produkte auf den Markt bringt – um das nötige Zubehör möglichst zeitnah anbieten zu können. Bei einem neuen Mobiltelef­on-Modell sind das Ladekabel, Schale, Etui und Displaysch­utz.

„Unser Produkt muss so gut sein, dass ich es am liebsten selber kaufen würde“, lautet ein Erfolgsrez­ept von Hanke.

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