Mit Weltmeistern im Gespräch
TV-Journalistin Jessy Wellmer zeigt, dass Frauen und Fußball bestens zusammenpassen. Bei der WM in Russland fachsimpelt sie live mit Philipp Lahm
Kompetent, dynamisch, feminin: Jessy Wellmer drückt der „Sportschau“am Samstag seit Sommer 2017 als Moderatorin ihren Stempel auf. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland hat die 38-Jährige eine ganz besondere Aufgabe: In der neuen Rubrik „Weltmeister im Gespräch“unterhält sie sich mit Philipp Lahm, der die deutsche Nationalmannschaft 2014 als Kapitän zum Weltmeister-Titel führte.
Frau Wellmer, welches war die erste Fußball-Weltmeisterschaft, die Sie bewusst miterlebt haben?
Das war das Turnier 1990. Diese WM war ein sehr wichtiges Ereignis für mich, und das nicht nur, weil sie so besonders erfolgreich lief aus deutscher Sicht, sondern weil sie für mich das Symbol der Einheit war. Ich war damals zehn Jahre alt, ein Mädchen aus Ostdeutschland, und dachte mir: Wenn wir diesen Sieg jetzt gemeinsam feiern, dann gehören Ost und West wohl wirklich zusammen.
Den nächsten WM-Titel holte die deutsche Elf 2014 in Brasilien – da waren Sie schon als Journalistin vor Ort…
Ich war als Reporterin fürs
dort und durfte sogar beim 7:1-Sieg der deutschen Mannschaft gegen Brasilien in Belo Horizonte dabei sein. Es war gigantisch. Nach dem Spiel mussten wir, die Medienleute aus Deutschland, ewig sitzen bleiben. Nach dieser riesigen Enttäuschung hatten unsere Gastgeber ein bisschen Sorge um die Sicherheit.
Bei der aktuellen WM sprechen Sie in einer eigens entwickelten Talkreihe mit Fußballlegende Philipp Lahm über das Turnier, die Sendung kommt vom Tegernsee. Warum nicht aus Russland?
Zum Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft gegen Mexiko besucht Philipp Lahm die deutsche Elf und ich begleite ihn. Anschließend werden wir zusammen über die Nationalmannschaft sprechen, darüber, was hinter den Kulissen eines solchen Turniers passiert. Dazu müssen wir aber nicht die ganze Zeit in Russland sein. Wir setzen uns ans Ufer des Tegernsees. Dort ist es schön und Philipp Lahm ist da mit seiner Familie zu Hause. Und für den Gebührenzahler ist das übrigens wesentlich kostengünstiger.
Nicht nur Ihre Sendung, sondern ein großer Teil der WM-Berichterstattung von ARD und ZDF kommt aus Deutschland: Das zentrale Studio steht in Baden-Baden. Bleibt da nicht viel Flair auf der Strecke?
Wenn wir uns an die WM in Brasilien erinnern: Da standen die Moderatoren auf einer Dachterrasse an der Copacabana und es war unheimlich stimmungsvoll, aber auch da ist man weit weg vom Spielfeldrand. Ökonomisch gesehen ist es ein guter Kompromiss, das Studio nach Baden-Baden zu verlegen und zusätzlich Reporter und Kommentatoren nach Russland zu schicken.
Wird die politische Situation in Putins Russland ein Thema in Ihrer Sendung mit Philipp Lahm sein?
Es wird mit Sicherheit ein Thema sein, wie ein Fußballspieler ein Trainingslager in Ländern wie Katar oder ein Turnier in einem Land wie Brasilien erlebt, wo es auch angespannte politische Verhältnisse gab. Wie nimmt er die gesellschaftliche Dimension vor Ort wahr? Das könnte ein Thema sein, das ich mit Philipp Lahm bespreche. Er ist ja ein schlauer Kopf, und als Kapitän der Weltmeistermannschaft von 2014 kann er uns sehr viel erzählen, zum Beispiel auch über die Fifa oder über Dopingkontrollen.
Finden Sie es gut, dass die Weltmeisterschaft nicht boykottiert wird?
Es ist ja grundsätzlich die Frage, ob man Großereignisse in solche Länder geben muss. Aber wenn eine WM oder Olympische Spiele dort stattfinden, muss man sich als Journalist überlegen, wie man damit umgeht. Ich finde, man sollte nicht nur als Fußballreporter hinreisen, sondern sich auch als politischer Journalist verstehen, sich vorbereiten und die Augen offenhalten. Ich war zum Beispiel als Reporterin bei den Olympischen Spielen in Südkorea, zu diesem Zeitpunkt war der Schlagabtausch zwischen Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un gerade auf dem Höhepunkt. Im Zweifelsfall musste ich da schon einordnen können, welche Bedeutung der nächste TrumpTweet haben würde. Das ist meine Grundeinstellung zu dem Job.
Anne Will, die 1999 als erste Frau die „Sportschau“präsentiert hat, moderiert inzwischen einen eigenen Polittalk. Träumen Sie auch von so etwas?
Ich hätte vor fünf Jahren nie gedacht, dass ich irgendwann die Samstags-„Sportschau“moderieren werde. Ich habe gelernt, dass das Fernsehgeschäft unergründlich und unvorhersehbar ist, es hängt an so vielen Faktoren und Entscheidern, welcher Posten wie besetzt wird. Ich genieße es jetzt erst mal, wie es ist.
Sie haben gerade Ihre erste Saison als Moderatorin der „Sportschau“hinter sich. Welche Bilanz ziehen Sie?
Es war aufregend und ich musste mich erst daran gewöhnen. Die Moderation eines solchen Bundesligaspieltags ist eine große Fernsehkomposition mit enorm vielen Beteiligten und ungeheuer viel Anstrengung. Ich bin zum Glück vom „Sportschau“-Team in Köln sehr herzlich aufgenommen worden. Es gab auch keinen einzigen Spruch, dass da jetzt eine Frau oder eine Neue die Sendung moderiert.
Die Welt des Fußballs galt viele Jahre als reine Männerdomäne, Sie sind die erste Moderatorin der „Sportschau“am Samstag seit Monica Lierhaus. Hat dieser Aspekt keine Rolle gespielt?
Es war am Anfang, als ich den Job übernahm, vor allem für die Medien ein großes Thema. Von den Zuschauern selber ist zu diesem Thema gar nicht so viel gekommen. Klar kam auch mal ein Tweet wie: „Die soll sich mal einen Rock anziehen“oder: „Die soll an ihren Herd gehen“, aber nur ganz vereinzelt.
Zum Schluss: Glauben Sie, dass Deutschland seinen Titel als Weltmeister verteidigen wird?
Ich hätte grundsätzlich nichts dagegen. Ich würde aber eher tippen, dass Deutschland ins Finale kommt und Frankreich Weltmeister wird. Allerdings liege ich mit Favoriten immer falsch (lacht).