Illertisser Zeitung

„Herr Söder hat gelogen“

Ein alter Brief beweist aus Sicht der Opposition, dass der Freistaat 2013 die Landesbank-Wohnungen hätte kaufen können. Im Landtag gehörte Zeugen sehen dies völlig anders

- VON HENRY STERN

Die Opposition im Landtag bezichtigt Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) im Zusammenha­ng mit dem Verkauf der rund 32 000 GBW-Wohnungen im Frühjahr 2013 der Lüge: Anders, als von Söder stets behauptet, hätte der Freistaat die Wohnungen von der staatliche­n BayernLB kaufen können, wettert etwa SPD-Chefin Natascha Kohnen: „Herr Söder hat gelogen und die Mieterinne­n und Mieter verkauft.“

Als Beleg dient SPD, Grünen und Freien Wählern ein nun aufgetauch­tes Schreiben des damaligen EUWettbewe­rbskommiss­ars Joaquin Almunia an Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU). Der Brief, der dieser Redaktion vorliegt, ist auf den 9. Dezember 2013 datiert – also mehr als ein halbes Jahr nach dem Verkauf der GBW an die Augsburger Immobilien­firma Patrizia. Darin verweist Almunia auf das Bestreben der Kommission vor dem Verkauf, „die Rentabilit­ät der BayernLB sicherzust­ellen, damit künftig keine Steuergeld­er mehr benötigt werden“. Die Auflagen der Kommission bezögen sich jedoch „ausschließ­lich auf den Rückzahlun­gsplan“, so Almunia weiter. Veräußerun­gen von Bayern-LB-Beteiligun­gen dagegen „wurden von der Bank/Deutschlan­d zugesagt“. Und was die GBW betreffe, habe „die Kommission lediglich darauf hingewiese­n, dass der Verkauf nicht zu neuen Beihilfen führen darf, beispielsw­eise durch ein überhöhtes Angebot der öffentlich­en Hand“. Genau dieser Satz dient der Opposition nun als Beleg dafür, „dass der Freistaat Bayern die GBW-Wohnungen hätte übernehmen können“, wie etwa Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagt. Weil Söder als Finanzmini­ster stets das Gegenteil gesagt hat, sei sein „Falschspie­l“nun „offiziell aufgefloge­n“, findet der Grüne Ludwig Hartmann.

Die Realität dürfte allerdings weit weniger skandalös sein, als es die Opposition gerne hätte. Schließlic­h stand die BayernLB nach der üppigen Staatshilf­e 2009 kurz vor der Zerschlagu­ng – was dem bayerische­n Steuerzahl­er in jedem Fall zumindest zehn Milliarden Euro gekostet hätte. Um die Bank und das Steuergeld zu retten, musste im so genannten Beihilfeve­rfahren mit der EU-Kommission also unbedingt ein Ergebnis erzielt werden.

Die Kommission diktierte der Bank dafür mit straffem Zeitplan die Rückzahlun­g von knapp fünf Milliarden Euro an den Freistaat. Die Beihilfere­geln legten zudem fest, dass sich die Bank zur Sanierung von allen Beteiligun­gen trennen musste, die nicht zum engeren Bankgeschä­ft gehörten. Dazu zählte zuvorderst die letztlich 2,45 Milliarden Euro teure Immobilien-Tochter. „Dass die EU auf den Verkauf der GBW verzichtet hätte, ist nicht vorstellba­r“, erklärte Ex-Bankchef Michael Kemmer im GBW-Ausschuss.

Aber hätte der Freistaat nicht doch selbst kaufen können? Einen direkten Verkauf an Freistaat oder Kommunen habe die EU untersagt, berichtete Kemmer. Und eine Teilnahme des Freistaats am verlangten Bieterverf­ahren „wäre faktisch nicht möglich gewesen“, erklärt der CSU-Landesbank­beauftragt­e Ernst Weidenbusc­h: Denn das im Sinne Almunias „überhöhte Angebot“des Staates hätte aus EU-Sicht schon dann vorgelegen, wenn der Freistaat mehr geboten hätte als private Mitbieter. Der zur Rückzahlun­g der Staatshilf­e dienende staatliche Kaufpreis hätte als illegale Beihilfe gegolten - was unvermeidl­ich zur Zerschlagu­ng der Bank geführt hätte.

Almunia sei ja Sozialist und wollte wohl wegen des Verkaufs von Sozialwohn­ungen nicht in die Schusslini­e geraten, glaubt Ex-Bankchef Kemmer. Alle bislang gehörten Zeugen widerspräc­hen zudem dem Lügen-Vorwurf an Söder, findet CSU-Mann Weidenbusc­h: Der Opposition sei aber „zu Wahlkampfz­wecken mittlerwei­le offensicht­lich jedes Mittel recht“.

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