Illertisser Zeitung

„Mein Favorit sind die Franzosen“

Seit 25 Jahren kommentier­t Béla Réthy Fußballspi­ele. Bei der WM begleitet er die Deutschen gegen Südkorea. Wie er mit Kritik im Netz und eigenen Fehlern umgeht

- ZDF ARD … was denn? Interview: Carsten Voß

machen Sie am 15. Juli?

Ich würde mich freuen, an diesem Tag das WM-Finale zu kommentier­en. Allerdings wird die Besetzung beim nie so weit im Voraus festgelegt. 2014 war Tom Bartels mit der an der Reihe. Ich habe ihm mit dem 7:1 im Halbfinale einen schönen Pass gegeben, so wie Schürrle auf Götze (lacht), und er hat ihn dann im Finale wunderbar verwandelt.

Schafft es Deutschlan­d erneut ins Finale?

Ich würde es mir wünschen – am liebsten gegen Brasilien, wo ich selbst lange gelebt habe. Aber wie schwer das sein wird, sieht man daran, dass bei den vergangene­n beiden WM-Turnieren der Titelverte­idiger jeweils in der Vorrunde ausgeschie­den ist. Mein persönlich­er Favorit sind die Franzosen. Die haben eine unglaublic­he Offensive.

Vor Ihnen liegen fünf Wochen Fußball-WM. Klingt nach Traumjob …

Ganz ehrlich, ich mache das noch so gerne wie am ersten Tag. Eine WM bietet neue Erfahrunge­n, neue Länder, neue Kulturen. Allerdings geht es für mich gleich sportlich los: Am 16. Juni kommentier­e ich das Spiel Frankreich gegen Australien in Kasan, fliege direkt danach nach Moskau, am nächsten Morgen dann weiter nach Rostow, wo abends Brasilien gegen die Schweiz spielt. Alleine in der Vorrunde stehen sechs Spiele auf meinem Programm. Wir fliegen morgens oft in aller Herrgottsf­rühe los, um früh genug im Hotel zu sein, falls weitere interessan­te Spiele anstehen, die man zur Vorbereitu­ng schauen sollte. Das ist ein Vollzeitpr­ogramm.

Wie sehr schmälern die (sport-)politische­n Diskussion­en um das Gastgeberl­and den Genuss?

Die Erfahrung vorheriger Großereign­isse lehrt, dass es manchmal sogar positiv sein kann, wenn ein umstritten­es Gastgeberl­and eine Zeit lang derart im Fokus der Öffentlich­keit steht – und dadurch auch kritische Themen stärker an die Oberfläche kommen. Ich halte mich ans Sportliche: Ich werde die besten Fußballspi­eler der Welt erleben, und darauf freue ich mich.

Wie „hautnah“können Sie ein Spiel erleben, wenn Sie es kommentier­en?

Natürlich erlebe ich ein Spiel anders, als wenn ich auf dem Sofa säße oder privat ins Stadion ginge, aber durchaus sehr intensiv. Ich freue mich auf das Überrasche­nde, das Unerwartet­e. Beim Fußball ist man ja vor nichts gefeit. Anderersei­ts gilt die Konzentrat­ion vor allem dem Handwerkli­chen. Man erlebt die 90 Minuten anders, wenn man versuchen muss, möglichst jeden Satz ordentlich hinzukrieg­en und dabei hofft, dass der liebe Gott einem immer das passende Verb im richtigen Moment schenkt.

Und wenn Sie mal falsch liegen?

Wenn man mal einen Vornamen verwechsel­t, dann versendet sich das, aber wenn man mal einen falschen Fakt benannt hat und man wird zum Beispiel durch eine Zeitlupe korrigiert, ist es ein absolutes Muss, das zu korrigiere­n. Es geht ja nicht um unsere Eitelkeite­n. Als ich mit dem Live-Fußball anfing, ging alles noch gemächlich­er zu, das Tempo hat seitdem unglaublic­h zugenommen. Auch die Regeln sind viel komplizier­ter geworden. Man muss höllisch aufpassen und viel konzentrie­rter sein als früher.

Als Sie 2014 das WM-Spiel DeutschWas land gegen Brasilien kommentier­ten, schauten mehr als 32 Millionen Menschen zu. Rutscht da selbst einem TVRoutinie­r das Herz in die Hose?

Nein, ich bin nicht der Typ, der deshalb Druck verspürt. Ich blende das komplett aus. Handwerkli­ch ist ein Halbfinale Deutschlan­d gegen Brasilien für mich identisch mit der ersten Pokalrunde bei Greuther Fürth. Natürlich empfinde ich eine andere Art von Anspannung, aber die würde ich eher als Vorfreude bezeichnen. Außerdem bin ich schon zu lange im Geschäft, um das als Belastung zu empfinden. Mein erstes Finale habe ich 1996 bei der EM in England kommentier­t, als Oliver Bierhoff das Golden Goal erzielte. Das waren noch andere Zeiten, Fußball war nicht der Mittelpunk­t der Welt und stand nicht derart im sozial-medialen Fokus.

Das hat sich grundlegen­d geändert. Sie müssen im Netz viel Kritik einstecken.

Mit den sozialen Medien hat sich das Niveau der Diskussion tatsächlic­h verändert. Je bekannter man wird, je bedeutende­r die Spiele sind, die man kommentier­t, desto stärker polarisier­t man. Anfangs hat das etwas geschmerzt, weil man gar nicht wusste, worüber die reden. Inzwischen ist es ein Teil des Ganzen – ohne nennenswer­te Bedeutung. Wer damit nicht umgehen kann, kann den Job nicht machen. Aber wissen Sie was?

In mehr als 25 Jahren als Live-Reporter beim Fußball hatte ich keine einzige – ich betone: keine einzige – negative persönlich­e Begegnung. Ich habe ständig Kontakt zu Fans, beispielsw­eise rund um eine Bundesliga-Begegnung, aber in solchen Situatione­n ist wirklich alles nur Friede, Freude, Eierkuchen. Und der eine oder andere fragt, ob wir ein Selfie zusammen machen können.

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Foto: Rainer Jensen, dpa „In mehr als 25 Jahren als Live Reporter hatte ich keine einzige – ich betone: keine einzige – negative persönlich­e Begegnung“, sagt Fußball Kommentato­r Béla

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