Ein Korb voll leckerer Blüten
Vielerorts blühen in diesen Tagen Holunderbüsche. Martha Frommel, Vorsitzende des Gartenbauvereins Kettershausen-Bebenhausen, gibt Tipps zur Ernte und Verarbeitung
Der Juni hat heiße Tage gebracht. Bald kann sie schon wieder vorbei sein: die Holunderblüten-Zeit. Darum ist Martha Frommel am Freitagmorgen schnell noch einmal losgefahren, um die Dolden mit unzähligen weißen Blüten zu ernten, die seit Mai an den Büschen hängen. Die Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Kettershausen-Bebenhausen hat zwei volle Körbe nach Hause gebracht. Und die gilt es nun zu verarbeiten, bevor die Blüten abfallen.
„Ich bin jedes Jahr auf der Suche nach Büschen“, sagt die 67-Jährige. Sie fahre viel durch die Natur, auch auf der Suche nach Wildkräutern. Doch nicht überall sei es ratsam, zuzugreifen. Um die Sträucher am Straßenrand macht sie einen Bogen – wegen der Abgase, die sich womöglich auf den Blüten ablagern. Dasselbe gilt für Orte, an denen sie mit Spritzmitteln in Berührung kommen könnten.
Doch nicht nur auf den Ort, sondern auch auf die richtige Zeit kommt es laut Frommel an: „Man sollte vormittags los. Aber nicht zu früh, weil die Blüten dann noch feucht sind. Auch nach Regen würde ich zwei Tage lang warten.“Wasser schwemme den Blütenstaub weg – und gerade der schmecke doch so gut.
Früher galt der Holunder – im Schwäbischen auch Holder genannt, in Norddeutschland Fliederbeerbusch – als „Medizinbaum der Armen“. Darum seien Sprichwörter überliefert wie „Ein Holderbaum ersetzt dir eine ganze Apotheke“oder „Vor dem Holunder sollst du den Hut ziehen“, weiß die Kettershauserin. Ein Tee aus frischen oder getrockneten Blüten soll zum Beispiel Fieber senken und Schleim lösen. Auch der Saft aus den dunklen Beeren, die im Herbst reif sind, sei sehr gesund. Roh sind die Früchte giftig. „Bei 70, 75 Grad löst sich das aber auf“, sagt Frommel.
Außerdem war das Gewächs lange Zeit mit Aberglauben verbunden. Bauern pflanzten den Holder vor Häusern und Stadel. Der sogenannte „Hausbaum“sollte Blitzschlag und Dämonen vertreiben, so erzählten es die Menschen.
Die Vorsitzende des Gartenbauvereins hat weitere Tipps für die Ernte: Man sollte die Schere gleich unter den Dolden ansetzen, da die Stängel nach der Verarbeitung ohnehin nur herb schmeckten. Außerdem nehme man dem Baum so nicht unnötig Laub. „Man sollte die Blüten auch nicht gänzlich abernten. Sonst wachsen im Herbst ja keine Beeren“, sagt sie. „Und die Vögel sollen ja auch Nahrung haben.“
Zuhause klopft Frommel die Dolden behutsam auf den Terrassentisch. Käfer oder Fliegen purzeln so heraus. „Aber vorsichtig, damit nicht zu viel Blütenstaub abfällt.“Danach gelte es, die Blüten zügig zu verarbeiten, bevor sie welken.
Schade wär’s – denn aus ihnen lassen sich viele Leckereien herstellen – nicht nur ein „Hugo“, also ein Mix aus Prosecco, Holundersirup und Minze. Der Cocktail verhalf der Pflanze in den vergangenen Jahren zum Revival in den Küchen.
Frommel sagt: „Ich koche jedes Jahr und probiere viel aus. Zum Beispiel Marmeladen, Gelee, Sirup oder Liköre.“Auch in Form von Pannacotta und süßem Holunder-Hefebrot landen die Blüten auf den Tellern. Einen Teil trockne sie in einem abgedunkelten ● ● ●
Früher galt der „Holder“als wahrer Medizinbaum
Raum auf Holzrahmen, die bespannt sind. Diese Blüten kommen später in Zucker, mit dem sich Kuchen oder Getränke aufpeppen lassen.
Wer selbst einen Holderbusch im Garten pflanzen will, sollte diesen im Frühjahr oder Herbst im Schatten oder Halbschatten einsetzen, so Frommel. „Man sollte sich aber bewusst sein, dass der Baum schon Ausmaße annehmen kann.“Das robuste Gehölz könne selbst ohne besondere Pflege bis zu acht Meter hochwachsen. In Mitteleuropa sind drei von rund zehn Arten heimisch: der schwarze, der rote und der Zwerg-Holunder.