Illertisser Zeitung

Warum es in Schwaben keine „Spätis“gibt

In Berlin ist er Kult, in der Region sucht man ihn vergebens. Es gibt in Bayern jedoch eine Alternativ­e

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Zu Beginn der ersten Semesterfe­rien steht es da: Das kleine Hänschen, das einst in die weite Welt hinaus zog und nun von seinen Abenteuern in der Metropole Berlin schwärmt. Den krassen Partys, wie beliebt die zugezogene­n Schwaben in der Hauptstadt neuerdings seien und vor allem: dem Späti. Den heiligen Tempelhall­en all der Hungrigen, die um 20 Uhr vor leerem Kühlschran­k stehen. Den Durstigen, die um 2 Uhr morgens fürchten, zu dehydriere­n. Den Partygänge­rn, die ebenso fürchten, zu dehydriere­n.

Es handelt sich um einen sagenumwob­enen Ort, musst du feststelle­n, wenn Hänschen mit sehnsuchts­vollem Blick vom Späti berichtet. Und falls er dann lästert, was für eine Schande es doch sei, dass solche Etablissem­ents hierzuland­e verboten seien. Als grenze es an Blasphemie. Es wird nicht helfen, wenn du beschwicht­igst, „Mia san mia“, das reiche völlig aus und der Schwabe spart eben auch zu später Stunde noch gern. Schuld an dem Dilemma sind die bayerische­n Gesetze – eiserne Ketten, die jeglichen Hedonismus im Zaum halten.

Seit 2006 ist es Ländersach­e, wie lange Geschäfte öffnen dürfen. In fast allen Bundesländ­ern brachen daraufhin die Dämme. Überall kann man jetzt bis mindestens 22 Uhr einkaufen, in einigen Bundesländ­ern rund um die Uhr. Mit zwei Ausnahmen: dem Saarland und Bayern. Hier blieb alles bei der guten alten Zeit: Um 20 Uhr ist Ladenschlu­ss.

Aber natürlich gibt es hierzuland­e Alternativ­en zum Späti: Tankstelle­n oder Bahnhöfe. Geschäfte, die Reisende mit dem Nötigsten versorgen, dürfen rund um die Uhr aufhaben. Zu einer solchen Grundverso­rgung zählt neben Zeitung, Autozubehö­r und Leberkäse eben auch ein kühles Helles. (Bekanntlic­h ist Bier in Bayern Grundnahru­ngsmittel.) Das Problem: Nicht jeder wohnt an einem Hauptbahnh­of, an dem der Supermarkt 24 Stunden geöffnet hat. Und die Tankstelle­nbetreiber wissen um ihre nächtliche Monopolste­llung und verlangen dementspre­chende Preise. Was bleibt, sind Kioske. Denn der Kiosk gilt in Bayern als Gaststätte und darf 23 Stunden am Tag geöffnet haben.

Übrigens: Erst Ende 2017 haben die Freien Wähler in Bayern eine Initiative gewagt, um die Ladenöffnu­ngszeiten wenigstens bis 22 Uhr zu verlängern. Auf viel Gegenliebe sind sie dabei nicht gestoßen. Der Ladenschlu­ss um 20 Uhr blieb. Bis dahin bleibt für Hänschen in Bayern statt Bier auf dem Bürgerstei­g nur der Bartresen.

 ?? Symbolfoto: Henrik Josef Boerger/dpa ?? Nicht nur in Berlin gibt es „Spätis“, wie dieses Foto beweist. Das wurde in Hamburg aufgenomme­n.
Symbolfoto: Henrik Josef Boerger/dpa Nicht nur in Berlin gibt es „Spätis“, wie dieses Foto beweist. Das wurde in Hamburg aufgenomme­n.

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