Illertisser Zeitung

Akedia – der Dämon des Überdrusse­s

- VON GERTRUD BREM, GABLINGEN

Beim Kramen in alten Unterlagen fand ich zufällig einen Auszug aus dem Buch eines Wüstenmönc­hes, der vom Dämon des Überdrusse­s geplagt wird und ihn humorvoll beschreibt. Dieser Dämon namens Akedia ist für die Mönche des vierten Jahrhunder­ts die gefährlich­ste Versuchung, denn er besetzt die ganze Seele und raubt ihr jede Kraft. Wenn der Dämon „angreift“, dann zeigt sich das in dem Gefühl, dass die Zeit besonders langsam vergeht und man zu nichts Lust hat. Man ist dessen überdrüssi­g, was man gerade tut, und ist unzufriede­n mit dem eigenen Leben. Freunde und Kollegen werden als unsensibel und verständni­slos erlebt, und man malt sich aus, dass ein anderes Leben schöner ist und glückliche­r macht. Die innere Lustlosigk­eit und Leere treibt einen in den Schlaf oder zur Flucht aus dem Alltäglich­en oder auch in sinnlose Betriebsam­keit.

Wir glauben heute nicht mehr an Dämonen, aber die beschriebe­nen Symptome von Lustlosigk­eit und Überdruss sind uns durchaus bekannt. Die destruktiv­en Kräfte in uns korrespond­ieren mit den Ansprüchen und Anreizen von außen und machen müde, unzufriede­n und manchmal auch aggressiv. Dieser „Dämon Akedia“ist auch Einfallsto­r für Ersatzbefr­iedigung und Süchte.

Aber wie kann man erfolgreic­h gegen ihn vorgehen? Die „Wüstenväte­r“empfehlen, dass man in sich selbst eine innere Ordnung, eine Struktur aufbaut, und damit auch die Zeit strukturie­rt. Man soll sich nicht in Betriebsam­keit flüchten, sondern geduldig bei sich selbst bleiben, seiner Unruhe nachgehen und sich fragen, auf welche Probleme und ungelöste Konflikte sie hinweisen will, und nicht zuletzt soll man daran glauben, dass Gott bei einem bleibt, auch wenn man vor sich selbst flüchten will.

Es ist doch interessan­t, dass Menschen schon vor über tausend Jahren mit dem Dämon des Überdrusse­s kämpften und dass moderne Ratgeber im Grunde die gleichen Lebenshilf­en anbieten.

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