Ein Refugium der Natur
Das Kettershauser Ried ist eines von vier Naturschutzgebieten im Unterallgäu. Bei einer Exkursion erfahren Teilnehmer mehr über seltene Tiere und Pflanzen
„Was hier alles wächst, blüht und lebt!“– Bei einer Führung durch das Kettershauser Ried sind die Sinneseindrücke nur so auf die Teilnehmer eingeprasselt. Ein sanfter Wind strich durchs feuchte Gras, Büsche und über die Haut. Rundum war Vogelgezwitscher, Summen, Brummen und Zirpen zu hören. In dieser Szenerie lenkte Diplom-Biologe Jens Franke vom Landschafspflegeverband (LPV) im Unterallgäu den Blick auf die seltenen Pflanzen und Insekten, die in dem Gebiet leben. Und er machte deutlich, weshalb er mit der Renaturierung der Moorlandschaft während der zurückliegenden Jahre sehr zufrieden ist.
Das Kettershauser Ried ist eines von vier Naturschutzgebieten im Landkreis – neben dem Hundsmoor zwischen Hawangen und Westerheim, dem Pfaffenhauser Moos und dem Benninger Ried. Wie Franke informierte, bildet die Niedermoorlandschaft zwischen Kettershausen, Mohrenhausen und Tafertshofen eines der artenreichsten Gebiete im europäischen Schutznetzwerk. Ein Ziel des im Jahr 2002 gegründeten LPV sei es, die Lebensräume, die heute noch im Günztal bestehen, zu erhalten.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg seien viele feuchte Wiesen entwässert und nutzbar gemacht worden, erzählt Franke. So wurde zum Beispiel Streu für die Ställe gewonnen. Torf wurde gestochen, um damit zu heizen. Im Laufe der Jahre habe dann eine Verbrachung eingesetzt. Diese Entwicklung galt es, zu stoppen.
Vor 20 Jahren – im Jahr 1998 – wies die Regierung von Schwaben das rund 40 Hektar große Ried als Naturschutzgebiet im Unterallgäu aus. Die Verordnung trat im August in Kraft – und mit ihr Regeln, um die Natur zu schützen. Um die Vielfalt an Strukturen und Wiesentypen zu erhalten, müssten die Maßnah- zur Pflege des Naturschutzgebietes laut Franke genau ausgelotet werden. „Manche Flächen muss man einmal im Jahr mähen, andere länger stehen lassen“, erklärte der Biologe. So können seltene Pflanzen aussamen – und die Artenvielfalt bleibt erhalten.
Die sich im Laufe der Jahre im Kettershauser Ried entwickelte Struktur biete zum Beispiel ideale Bedingungen für Orchideen. So haben sich dort etwa das gefleckte Knabenkraut und das Zweiblatt wieder angesiedelt.
Bei dem Rundgang durch die feuchte Wiesen wies Franke die Teilnehmer auch auf typische Pflanzen hin, die in dem Niedermoorgebiet gedeihen, zum Beispiel Gilbweiderich, Baldrian, Rossminze, kantiges Johanniskraut und Wiesenknöterich. Auch Wald-Simse und Herbstzeitlose sprießen.
In diesem Umfeld fühlten sich Libellen wie die geräderte Prachtlibelmen le und seltene Schmetterlinge wie der Riedteufel, der Scheckenfalter, Moorfalter und der braune Waldvogel wohl. Letzterer wird auch als „Schornsteinfeger“bezeichnet. In der Nähe von fließendem Wasser kann man im Kettershauser Ried auch die Helmazurjungfer, eine vom Aussterben bedrohte Libelle, finden. „Man braucht solche Refugien wie das Kettershauser Ried, in denen die Natur an erster Stelle steht“, sagte der Biologe.