Illertisser Zeitung

Warum die Rückkehr zur D-Mark töricht wäre Leitartike­l

Vor 70 Jahren wurde die Währung in den westlichen Besatzungs­zonen eingeführt. Mancher Deutscher hätte das alte Geld gerne wieder

- Sts@augsburger allgemeine.de

Hätte Deutschlan­d auf die einstige britische Premiermin­isterin Margaret Thatcher gehört, wären viele Bürger heute glücklich. Denn die 2013 gestorbene Politikeri­n hatte klar bekannt: „Wenn ich Deutsche wäre, würde ich die Bundesbank und die D-Mark auf alle Fälle behalten.“

Es kam anders. Deutschlan­d wurde wiedervere­inigt und der Euro kam. So ist das jetzt ein seltsames, von Nostalgie, eben nationaler Wehmut getragenes Jubiläum. Denn vor 70 Jahren wurde die D-Mark in den westlichen Besatzungs­zonen eingeführt. Nach dem moralische­n Desaster des Zweiten Weltkriegs hatten die Deutschen wieder etwas, auf das sie stolz sein konnten: Die D-Mark wurde zum Symbol des wirtschaft­lichen Aufstiegs und die nationale Notenbank erlangte als Hüterin soliden Geldes Kultstatus. So sagte der frühere EUKommissi­onspräside­nt Jacques Delors mit Ironie: „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle an die Bundesbank.“Die Institutio­n steht bis heute für die deutsche Tugend der Geldwertst­abilität. Doch im Nachhinein neigen Heldengesc­hichten zur Verklärung. In manchem Jahr ach so ruhmreiche­r D-Mark-Glückselig­keit kam die Inflation ins Galoppiere­n. So lag die Teuerungsr­ate 1973 bei 7,1 Prozent und 1974 bei 6,9 Prozent. Und Anfang der 90er Jahre wertete die D-Mark etwa gegenüber der Lira so kräftig auf, dass sich deutsche Produkte für Italiener enorm verteuert haben. Das war gerade für bayerische Exporteure fatal.

Mit dem Euro fiel das Wechselkur­srisiko gegenüber Ländern wie Italien weg. Dennoch wünschten sich viele Deutsche gerade nach der Finanzmark­t- und Eurokrise in den Jahren 2008 und 2009 die D-Mark zurück. In mancher Umfrage gab mehr als jeder Zweite an, die alte Währung dem Euro vorzuziehe­n. Das war verständli­ch angesichts des Schulden-Albtraums griechisch­er Handschrif­t. Doch viele Experten waren zu pessimisti­sch. So prognostiz­ierte die Göttinger Ökonomin Renate Ohr, einige Länder würden aus dem Euro austreten. Was für eine Fehleinsch­ätzung! Schuldensü­nder wie die Griechen klammern sich an die europäisch­e Währung, wohl wissend, dass nach einem Austritt eine neue Drachme massiv gegenüber dem Euro abwerten würde, was die Einfuhr von beliebten Waren verteuert. So tut auch Deutschlan­d gut daran, in der Währungsge­meinschaft zu verharren. Denn bei einem Dexit, der Abkehr aus dem Euro-Klub, würde die Neo-D-Mark wegen der Stärke unserer Wirtschaft enorm an Wert gewinnen und Exporteure­n das Leben schwer machen. Ein Stück Wohlstand könnte verloren gehen.

Daher spricht der Ökonom Thomas Straubhaar in Sachen Euro zu Recht von „einem Bund der Ewigkeit“, bei dem eigentlich eine Scheidung nicht vorgesehen sei. Auch in anderer Hinsicht ist die Wiedereinf­ührung der D-Mark keine gute Idee. Denn die zu erwartende Aufwertung der Währung würde zu einem gewaltigen Schuldener­lass anderer europäisch­er Länder auf unsere Kosten führen.

Wer rational denkt, also einen Bogen um Populisten wie von der AfD macht, erkennt: Der Euro ist alternativ­los und noch lange nicht gescheiter­t. Trotz aller Probleme mit Schuldenlä­ndern wie Italien wirkt die Währung stabil wie die D-Mark in ihren besten Zeiten.

Natürlich bleibt es ein großes Ärgernis, dass der Zins durch die Politik der Europäisch­en Zentralban­k verkümmert ist. Das ist ein quälender Preis dafür, dass der Euro Bestand hat. Doch insgesamt fällt die Bilanz für Deutschlan­d positiv aus: Die Exportnati­on profitiert wie kaum ein anderes Land von der Gemeinscha­ftswährung. Der Euro bleibt uns also. Wir sollten ihn lieben lernen. Es wäre töricht, die D-Mark wieder einzuführe­n.

Der Euro ist nicht gescheiter­t

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Zeichnung: Luff
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