Illertisser Zeitung

Ein Hauch von Zurückweis­ung

Bestimmte Gruppen von Flüchtling­en dürfen nicht mehr aus Österreich nach Deutschlan­d einreisen. Aber nur dort wird auch kontrollie­rt. Warum die Polizei eine europäisch­e Lösung verlangt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Dass an der deutsch-österreich­ischen Grenze nun bestimmte Gruppen von Flüchtling­en abgewiesen werden, sorgt für massive Kritik aus ganz unterschie­dlichen Richtungen. Während Jörg Radek von der Gewerkscha­ft der Polizei die Verfügung von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) für unzureiche­nd hält und von „reiner Symbolpoli­tik“spricht, sind die Grünen entsetzt.

Für den stellvertr­etenden Bundestags­fraktionsc­hef Konstantin von Notz stellt die CSU mit der Maßnahme „die Erfolgsges­chichte der europäisch­en Integratio­n und die Errungensc­haften des SchengenSy­stems offen infrage“. Von Notz weiter: „Praktisch täglich erklären CSU-Verantwort­liche inzwischen geltendes Europarech­t für obsolet. Stattdesse­n bedient man die Verschwöru­ngstheorie von der ,Grenzöffnu­ng 2015‘ – der rechtsreak­tionären Dolchstoßl­egende unserer Zeit – und diskrediti­ert damit politische Entscheidu­ngen, an denen man unmittelba­r in jahrelange­r Regierungs­verantwort­ung beteiligt war.“

Die Debatte ist scharf und dabei geht es noch nicht einmal um den ganz großen Streit, der für die Union zur Zerreißpro­be geworden, aber einstweile­n vertagt ist. CSU und CDU sind zutiefst gespalten in der Frage, ob Flüchtling­e, die bereits in anderen EU-Ländern registrier­t sind, an der Grenze zurückgewi­esen werden dürfen. Bereits in Kraft getreten ist aber die Anordnung von Horst Seehofer, wonach Personen, gegen die ein offizielle­s Wiedereinr­eiseverbot besteht, an der Einreise nach Deutschlan­d gehindert werden – auch wenn sie ein Asylgesuch stellen. Betroffen sind etwa Flüchtling­e, die nach Ablehnung ihres Asylantrag­s abgeschobe­n wurden. Einreiseun­d Aufenthalt­sverbote sind fester Bestandtei­l einer jeden Abschiebe-Anordnung. Anders als bisher werden nun außerdem auch solche Asylbewerb­er zurückgewi­esen, die im Rahmen der Dublin-III-Verordnung aus Deutschlan­d in andere EU-Länder gebracht wurden.

Zwar konnten auch bislang Reisende, gegen die eine Einreisesp­erre

Genau dieser Mangel an Konsequenz ist es, der viele Bundesbürg­er an der Migrations­politik der Regierung verzweifel­n lässt: Asylbewerb­er, die abgelehnt und abgeschobe­n wurden, konnten offenbar in vielen Fällen einfach wieder nach Deutschlan­d einreisen. Trotz Einreiseun­d Aufenthalt­sverbots. Und erneut Asyl beantragen, was ein vorlag, dazu gehören auch ausländisc­he Straftäter, an den Grenzen abgewiesen werden – ebenso wie Personen ohne Papiere. So wurde 2017 laut Bundesregi­erung gut 12000 Personen die Einreise verweigert. Doch einreisen durfte generell jeder, der ein Asylgesuch stellt. Das hatte 2015 der damalige Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) nach Absprache mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel verfügt. Dass diese Direktive bedeutet, dass auch im Falle einer Wiedereinr­eisesperre eine Wiedereinr­eise möglich ist, habe sie „erst jetzt bei der vertieften Diskussion überhaupt zur Kenntnis genommen“, hatte Merkel am Montag gesagt.

Nach Regierungs­angaben sind 2017 rund 1600 Personen, für die eine Wiedereinr­eisesperre galt, trotzdem nach Deutschlan­d eingereist. Für Jörg Radek, den stellvertr­etenden Bundesvors­itzenden der Gewerkscha­ft der Polizei und dort für die Bundespoli­zei zuständig, ist die Zurückweis­ung von Personen, für die eine Einreisesp­erre besteht, „allenfalls ein Schritt auf Zehenspitz­en in Richtung einer konsequent­en Durchsetzu­ng des Aufenthalt­srechts“. Denn nur die Grenze zu Österreich werde ja überhaupt kontrollie­rt. „Wer über die Grenzen zu unseren acht anderen Nachbarsta­aten sonst so ins Land kommt, wissen wir nicht.“Zurück zu einem Europa der Schlagbäum­e will Radek aber nicht. „Wir brauchen keine nationalen Alleingäng­e, sondern eine europäisch­e Lösung, die mit einem konsequent­en Schutz der Außengrenz­en beginnt“, sagte er unserer Zeitung.

Die Grünen sprechen von reiner Symbolpoli­tik

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Bei Kontrollen an der Grenze wie hier in Kiefersfel­den wurde im vergangene­n Jahr 12 000 Menschen die Einreise nach Deutschlan­d verweigert.
Foto: Sven Hoppe, dpa Bei Kontrollen an der Grenze wie hier in Kiefersfel­den wurde im vergangene­n Jahr 12 000 Menschen die Einreise nach Deutschlan­d verweigert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany