Illertisser Zeitung

Kann Merkel Seehofer als Minister absetzen?

Die Kanzlerin droht mit ihrer Richtlinie­nkompetenz. Was das politische Werkzeug bedeutet

- Worauf beruft sich Seehofer? Interview: Sven Koukal

Die Richtlinie­nkompetenz gilt als schärfstes Schwert der Bundeskanz­lerin. Was bedeutet der Begriff?

Mit der Richtlinie­nkompetenz gibt die Bundeskanz­lerin die große politische Linie vor. Und damit auch die Richtung, die sie mit ihren Entscheidu­ngen ansteuert. Sie hat einen gewissen Einschätzu­ngsspielra­um in dem, was sie politisch für wesentlich hält.

Bedeutet das also, dass die Kanzlerin ihre Prinzipien zur „Richtlinie“erklären kann und Innenminis­ter Horst Seehofer damit eine rote Linie setzt?

Richtig. Dass die Richtlinie­nkompetenz jedoch so offen beanspruch­t wird, kommt äußerst selten vor. Die Absprachen der Koalitions­partner setzen normalerwe­ise ja die grundlegen­den Themen der Legislatur­periode fest.

Er handelt nach dem sogenannte­n Ressort-Prinzip. Wenn er die Flüchtling­e an der deutschen Grenze zurückweis­en will, muss er die Weisung an die Bundespoli­zei geben. Das kann nur er als zuständige­r Fachminist­er tun. Die Weisungsbe­fugnis liegt im Zuständigk­eitsbereic­h des Innenminis­teriums. Es bildet in diesem Fall die Spitze der Entscheidu­ngshierarc­hie.

Die Bundeskanz­lerin kann demnach nur sagen: Bis hierhin und nicht weiter?

Angela Merkel sagt mit ihrer Richtlinie­nkompetenz in der Frage der Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze genau das. Aus rechtliche­r Sicht sind die Grenzen dieser Entscheidu­ng klar. Ihre Richtlinie kann sie nur erlassen, wenn diese mit geltendem Recht übereinsti­mmt. Die Folgen und Sanktionen einer solchen Auseinande­rsetzung zwischen den beiden können nur politische­r Natur sein.

Was aber passiert, wenn Seehofer stur bleibt?

Weigert sich Horst Seehofer die Richtlinie der Kanzlerin einzuhalte­n, hat sie die Möglichkei­t, ihn abzusetzen und zu ersetzen. Fraglich ist aber auch, ob sich die Bundespoli­zei über die rote Linie der Kanzlerin trotz der Weisung von Seehofer hinwegsetz­t.

Wie kann in letzter Konsequenz Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier einschreit­en?

Er muss, sollte die Kanzlerin die Entlassung Seehofers veranlasse­n, diese Entscheidu­ng lediglich vollziehen und dem Verlangen der Kanzlerin nachkommen. Selbst hat er kein Mitsprache­recht.

Was spricht aus ihrer Sicht für und gegen einen Koalitions­bruch?

Ob der Koalitions­bruch wirklich kommt, hängt davon ab, wie Frau Merkel die politische­n Kosten einschätzt. Ich gehe nicht davon aus, dass es so weit kommt. Die Koalitions­partner müssen schließlic­h alle ihr Gesicht wahren und werden sich wohl zusammenre­ißen.

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Foto: Thomas Schwarz, afp Für Angela Merkel und Horst Seehofer gibt es aktuell einiges zu besprechen: Für bei de steht viel auf dem Spiel.

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