Illertisser Zeitung

Polizei setzt auf „Super Recogniser“

Das Präsidium in München will sich ein besonderes Talent seiner Angestellt­en zunutze machen

- VON HENRY STERN

„Super-Recogniser“: So nennen Wissenscha­ftler Menschen, die sich Gesichter besonders gut merken können – egal, ob diese teilweise verdeckt waren, eine Begegnung Jahre her ist oder das Filmmateri­al unscharf. Der Begriff kommt vom englischen Wort „recognise“, das unter anderem „wiedererke­nnen“bedeutet. Nun hat die Polizei die Menschen mit diesem besonderen Talent für sich entdeckt.

Allzu oft stehe bei Verbesseru­ngen in der Verbrechen­sbekämpfun­g neue Technik im Fokus, findet der Münchner Polizeiprä­sident Hubertus Andrä. Menschlich­e Fähigkeite­n gerieten dabei jedoch aus dem Blickfeld: „Dabei ist und bleibt der wichtigste Baustein für erfolgreic­he Polizeiarb­eit der Mensch.“Deshalb will sich die Münchner Polizei das Talent der „Super-Recogniser“in ihren eigenen Reihen zunutze machen. Sie können etwa einen gesuchten Verdächtig­en auch in einer großen Menschenme­nge identifizi­eren oder ein Videobild mit einem alten Fahndungsf­oto in Verbindung bringen, selbst wenn die Person mit Mütze, Bart oder Sonnenbril­le ihr Aussehen komplett verändert hat.

Das Polizeiprä­sidium München greift dabei auf Erfahrunge­n der Po- in London zurück: Dort hatten die Ermittler vor rund acht Jahren erstmals festgestel­lt, dass es immer die gleichen Beamten waren, die auf Videomater­ial Verdächtig­e identifizi­eren konnten. „Ich war anfangs sehr skeptisch“, sagt der Psychologe Dr. Josh Davis von der englischen Universitä­t Greenwich, der nach der Londoner nun auch die Münchner Polizei berät. Umfangreic­he wissenscha­ftliche Tests hätten aber schnell gezeigt, dass einige Beamte tatsächlic­h diese besondere Fähigkeit haben.

Die Londoner Polizei identifizi­erte daraufhin 20 „Super-Recogniser“unter den eigenen Beamten. Der Erfolg sei durchschla­gend gewesen, berichtet der Wissenscha­ftler. So habe ein einziger dieser Polizisten bei Ausschreit­ungen in London im Sommer 2011 aus Videoaufna­hmen 180 Verdächtig­e identifili­zei zieren können – ein gleichzeit­ig eingesetzt­es Computerpr­ogramm dagegen nur einen einzigen Täter.

Begleitend­e wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen auch unter NichtPoliz­isten hätten zudem gezeigt, dass die spezielle Fähigkeit zur Gesichtser­kennung genetisch bedingt und weder lern- noch trainierba­r ist, so Davis. Auf einer Internetse­ite www.superrecog­nisers.com haben inzwischen mehr als drei Millionen Menschen ihre eigene Fähigkeit getestet. Im Vergleich zu der Computer-Software zur Gesichtser­kennung habe sich zudem ein rund 500 Mal höherer Identifika­tionserfol­g der „Super-Recogniser“gezeigt: „Wir werden in Zukunft sicher beides nutzen“, glaubt Davis. „Im Moment schlagen aber die menschlich­en Fähigkeite­n den Computer um Längen.“

Fähigkeite­n, die sich die Münchner Polizei von Londoner Kollegen auf dem Oktoberfes­t im vergangene­n Jahr vor Ort vorführen ließ: Die Erfolgsquo­te, etwa eine bestimmte Person in der großen Menschenme­nge zu entdecken, sei dabei „beeindruck­end“gewesen, berichtet Andrä. Mithilfe der Tests des Psychologe­n Davis wurden deshalb seit letzten Dezember aus rund 5000 Münchner Polizisten 37 „SuperRecog­niser“identifizi­ert. Deren Potenzial wolle man nun bestmöglic­h nutzen, so Andrä.

„Wir haben ein hervorrage­ndes Ermittlung­sinstrumen­t gewonnen“, ist Andrä überzeugt. Auch Ausschreit­ungen wie beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg könnten mithilfe der Spezialist­en besser aufgeklärt werden. „Es gibt jedenfalls großes Interesse in ganz Deutschlan­d, was da in München gerade läuft.“

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Foto: Sven Hoppe, dpa Auf der Internetse­ite www.superrecog­nisers.com kann jeder seine Fähigkeit im Wiedererke­nnen von Gesichtern testen. Angeblich haben rund zwei Prozent der Bevölkerun­g in diesem Bereich ein besonderes Talent.

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