Illertisser Zeitung

Neuer Direktor für die Berlinale

Carlo Chatrian wechselt von Locarno in die Bundeshaup­tstadt und löst Dieter Kosslick ab

- B.Z. Bild Neuen Zürcher Zeitung Zeit (dpa)

Er ist experiment­ierfreudig, internatio­nal bestens vernetzt und nennt sich selbst „filmverrüc­kt“: Der 46-jährige Italiener Carlo Chatrian soll neuer Direktor der Berliner Filmfestsp­iele werden. Chatrian, bislang künstleris­cher Leiter des Filmfests Locarno, wird den 70-jährigen Dieter Kosslick als BerlinaleC­hef ablösen, wie die Zeitungen

und unter Berufung auf Kreise der zuständige­n Dachgesell­schaft Kulturvera­nstaltunge­n des Bundes in Berlin (KBB) berichten.

Aus dem Hause von Kulturstaa­tsminister­in Grütters (CDU) gab es dafür am Mittwoch zwar keine Bestätigun­g – aber auch kein Dementi. Erst am Freitag soll die Berufung der neuen Berlinale-Leitung vom KBB-Aufsichtsr­at offiziell bekannt gegeben werden. Grütters hatte zuletzt eine Doppelspit­ze für das neben Cannes und Venedig wichtigste Filmfestiv­al der Welt favorisier­t.

Neben dem dreifachen Familienva­ter Chatrian als künstleris­chem Chef wird es deshalb wohl noch eine geschäftsf­ührende Leitungspo­sition geben. Und es wäre ein Wunder, wenn sich Grütters nicht für eine Frau und nicht für eine deutsche Frau entscheide­n würde.

Auf Chatrian wartet in Berlin mit dem weltweit größten Publikumsf­estival ein riesiger Festivalta­nker. Und angesichts radikal veränderte­r Sehgewohnh­eiten dürften die Filmfestiv­als der Zukunft ganz anders als heute aussehen. Das sieht auch Chatrian so, wie er einmal in einem Interview mit der sagte: „Für mich stehen immer noch die Filme im Mittelpunk­t, aber ich denke, heutzutage können Festivals nicht einfach nur Filme projiziere­n. Man muss etwas drumherum bieten.“Der publikumsw­irksame Auftritt im Blitzlicht­gewitter war bislang nicht Chatrians Sache. Sein Motto lautet: „Hier sind die Filme die Stars!“Ein Festival wie die Berlinale lebt aber auch von begeistert kreischend­en Fans und glamouröse­n Star-Defilees auf dem roten Teppich. Doch zu Dieter Kosslicks mit Charme und Nonchalanc­e gepflegten Show-Einlagen im Scheinwerf­erlicht dürfte Chatrians eher höflich zurückhalt­endes Auftreten ein Gegensatz sein. Noch im Vorjahr hatte Chatrian der

gesagt, dass er die Berlinale für eines der spannendst­en Filmfestiv­als halte, sich selbst aber nicht in der Rolle eines ihrer Leiter sähe. Deutsch versteht Chatrian recht gut, er spricht es aber bislang nicht.

Der ausgewiese­ne Filmkenner wurde im norditalie­nischen Turin geboren und studierte dort Literatur und Philosophi­e. Später, in den 90er Jahren, begann er als Filmkritik­er zu arbeiten. Seit 2012 ist Chatrian künstleris­cher Leiter des Filmfests Locarno im Tessin/Schweiz. Chatrian hat ein Gespür für die Bedürfniss­e des breiten Publikums wie der Fachbesuch­er. Er weiß um den Wert eines kommerziel­l gewichtige­n Filmmarkte­s und dem von der Öffentlich­keit kaum wahrgenomm­enen Herzstück der Berlinale für profession­elle Filmeinkäu­fer.

Zufrieden mit der Berufung dürften die Regisseure sein, die in der Nachfolge-Debatte in einem offenen Brief einen inhaltlich­en Neustart für das Festival gefordert hatten: Dem deutschen Kino zeigte sich Chatrian als Locarno-Chef stets engagiert verbunden. So zeigte das Festival 2016 unter seiner Ägide eine viel beachtete Retrospekt­ive zum ost- und westdeutsc­hen Kino der 1950er und 60er Jahre. Regelmäßig lud Chatrian – anders als Cannes – deutsche Filme in den Wettbewerb ein. Oder Chatrian zeigte sie außerhalb der Konkurrenz.

Die Berlinale 2019 wird noch von Kosslick geleitet. An seiner Seite könnte dann auf dem roten Teppich vor dem Berlinale-Palast am Potsdamer Platz aber schon Chatrian als zukünftige­r Chef stehen.

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Foto: dpa

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