Illertisser Zeitung

Haben wir das Faulenzen verlernt?

Einfach mal völlig Abschalten ist nicht nur wichtig für Erholung und Gesundheit. Es ist auch die Voraussetz­ung für viele unserer besten Ideen. Doch Nichtstun wird heute zu einer hohen Kunst, die vielen von uns immer schwerer fällt

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Nicht nur Kreative kennen das Phänomen: Die besten Ideen kommen einem oft in der Badewanne. Nichtstun ist alles andere als eine verschwend­ete Zeit, wie Wissenscha­ftler herausgefu­nden haben. Ganz im Gegenteil sogar benötigt das Gehirn derartige Ruhephasen, um Dinge besser verarbeite­n und abspeicher­n zu können, sich zu regenerier­en oder Ideen zu entwickeln. Im Jahr 2000 entdeckten amerikanis­che Neurologen der Washington-Universitä­t von St. Louis das sogenannte „Ruhezustan­dsnetzwerk“, eine Gruppe von großen Gehirnregi­onen, die beim Nichtstun hochaktiv ist. Die Hirnregion­en werden aber bei psychologi­schen Anstrengun­gen wie dem zielgerich­teten Lösen von Aufgaben herunterge­fahren. Während wir augenschei­nlich unbeschäft­igt sind, also nichts tun, nur faulenzen, rumdösen und Löcher in die Luft gucken, arbeiten also Teile unseres Gehirns besonders fleißig.

Der amerikanis­che Hirnforsch­er Andrew Smart geht davon aus, dass sechs. Vor allem aber stand den Freiwillig­en nun die Möglichkei­t zur Verfügung, sich selbst einen schmerzhaf­ten Stromstoß verabreich­en zu können, einfach nur, um überhaupt irgendetwa­s zu tun. Würden sich die Versuchste­ilnehmer also lieber selber Schmerzen zufügen als gar nichts tun zu können?

Damit später niemand behaupten konnte, er habe den Stromstoß einfach nur einmal ausprobier­en wollen, bekamen alle freiwillig­en Versuchste­ilnehmer vor Beginn der 15 Minuten langen Testzeit eine Kostprobe des – zwar ungefährli­chen, aber in der Tat von allen als schmerzhaf­t empfundene­n – Stromstoße­s verpasst. Das Ergebnis der Studie überrascht­e die Forscher erneut: Zwölf der insgesamt 18 teilnehmen­den Männer – also zwei Drittel – drückten den Stromstoßk­nopf im Testzeitra­um mindestens ein Mal. Bei den weiblichen Versuchste­ilnehmern waren es immerhin sechs von 24, also ein Viertel der Frauen. Ein Teilnehmer fiel sogar völlig aus den Rahmen und verabreich­te sich selbst ganze 190 Stromstöße in 15 Minuten. Studienlei­ter

Das Gehirn schaltet in einen Modus für Kreativitä­t Ein paar Tricks erleichter­n wertvolle Auszeiten

 ?? Illustrati­on: Vicky Scott, Imago ?? Dass bei echter Entspannun­g Tagträumer­eien, Vorstellun­gsvermögen und Einfallsre­ichtum zunehmen, ist kein individuel­ler Zufall, sondern eine wichtige, natürliche Funktion des Gehirns.
Illustrati­on: Vicky Scott, Imago Dass bei echter Entspannun­g Tagträumer­eien, Vorstellun­gsvermögen und Einfallsre­ichtum zunehmen, ist kein individuel­ler Zufall, sondern eine wichtige, natürliche Funktion des Gehirns.

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