Giftige Raupen auf dem Vormarsch: Wie man sich vor ihnen schützen kann
Immer öfter werden Larven des Eichenprozessionsspinners in der Region entdeckt – auch in privaten Gärten. Das kann für Menschen unangenehme Folgen haben. Was die Betroffenen bei einer Begegnung beachten sollten
Der Eichenprozessionsspinner ist auf dem Vormarsch – in ganz Deutschland scheinen sich die Larven auszubreiten. Das Problem: Ihre giftigen Brennhärchen können bei Menschen allergische Reaktionen hervorrufen, manchmal sogar gefährliche Schocks. Auch in der Region werden immer mehr Funde gemeldet
Die Folge: gesperrte Radwege, unpassierbare Wälder. Aber auch in privaten Gärten sind die unangenehmen Larven zusehends anzutreffen. Was tun bei so einer Begegnung? Eine Faustregel: am besten einen großen Bogen um die Gespinste herum machen. Aber es gibt noch andere Ratschläge. Hier ein Überblick. ● Die Raupen bilden in ihrem dritten Larvenstadium im Frühsommer giftige Brennhaare aus. Diese können bei Berührung Hautirritationen und Bindehautentzündungen auslösen. Beim Einatmen der Härchen können zudem Atembeschwerden wie Bronchitis und Asthma auftreten. ● Das alles lässt sich mit Medikamenten behandeln: Franziska Utzinger, Sprecherin der Apotheker in den Landkreisen NeuUlm und Unterallgäu, kennt die Symptome nur zu gut. Bei Verdacht rät sie zu Arzneien wie Antihistaminika oder Cortison-Creme. Diese seien nicht verschreibungspflichtig. Falls sich die Beschwerden nach zwei bis drei Tagen nicht bessern, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei Bedarf auch gleich nach einem mutmaßlichen Kontakt. Gefährlich ist aus Sicht von Utzinger, dass sich der Gesundheitszustand der Betroffenen sehr schnell verschlechtern kann. Die ersten Symptome träten meist erst am Tag nach dem Kontakt mit den Brennhärchen auf. Dann wisse der Patient oft schon gar nicht mehr, wo er sich aufgehalten hat. Utzinger geht deshalb von einer hohen Dunkelziffer aus. Manche täten ihren juckenden Hautausschlag als Folge einer normalen Allergie ab. Nach etwa einer Woche in Behandlung sollten die Symptome überstanden sein, heißt es in Fachkreisen. Das sei jedoch abhängig vom Heilungsvermögen des Einzelnen, betont Utzinger. ● Besser, wenn es gar nicht erst zu einer schmerzhaften Begegnung mit den Raupen kommt: Martin Küfer vom öffentlichen Gesundheitsdienst am Landratsamt Neu-Ulm rät dazu, befallene Orte grundsätzlich zu meiden. ● Aber was tun, wenn das Insekt sich im heimischen Garten eingenistet hat? „Auf keinen Fall anfassen oder selbst entfernen“, sagt Küfer. Denn die giftigen Haare brächen beim unsachgemäßen Ent- fernen leicht ab und verteilten sich dann mit dem Wind großflächig. Die Haare könnten ihren Giftstoff noch jahrelang freisetzen. Die Beseitigung des Raupennests sollte daher eine spezialisierte Firma übernehmen.
Eine Pflicht dazu besteht nicht, sagt Michael Angerer von der Unteren Naturschutzbehörde: Es gebe keine Meldepflicht – weshalb rechtlich gesehen auf Privatgrundstücken auch nicht gegen die Insekten vorgegangen werden muss. Die meisten Betroffenen wollten ihren Garten allerdings wohl weiter wie gewohnt nutzen und entschieden sich deshalb für eine Entfernung der Nester. ● Ein Fachmann dafür ist Baumpfleger Jürgen Zöllner aus Oberfahlheim. Er kümmert sich mit seinem Team seit acht Jahren um die Eichenprozessionsspinner und deren Larven. So schlimm wie in diesem Jahr sei es noch nie gewesen, sagt Zöllner, der vier- bis fünfmal so viele Einsätze wie im vergangenen Jahr zu bewerkstelligen hat. Er und seine Mitarbeiter kämen kaum noch zu anderen Dingen: „Wir sind seit drei Wochen beinahe rund um die Uhr unterwegs. Auch samstags rücken wir aus.“Drei Teams arbeiten parallel: Zwei Baumpfleger sind gemeinsam unterwegs und saugen die betroffenen Bäume ab. In den meisten Fällen befinden sich die Nester nicht nur am Baumstamm, sondern auch gut versteckt in der Krone. Deshalb haben die Experten eine Hebebühne dabei. Ein Baumpfleger bleibt am Boden und sichert den anderen. Der zweite fährt mit der Bühne nach oben und klettert in die Baumkrone. Dort bringe er eine Rolle und ein Seil an. So kann er den Sauger auf den Baum ziehen. Das Gerät ähnelt einem haushaltsüblichen Staubsauger, verfügt jedoch über einen luftdichten Beutel, damit die Brennhaare nicht nach außen gelangen können. Der Baumpfleger sammelt die Nester ein und packt sie in luftdichte Tüten und diese nochmals in Tüten – zur Sicherheit. Manche Gespinste haben nur einen Durchmesser von etwa zehn Zentimetern, manche seien groß wie Medizinbälle, sagt Zöllner. Der übrige Baum wird abgesaugt, um die giftigen Härchen und Raupen zu entfernen. Bei einem Baum kämen dann schon mal mehrere Beutel voll mit Nestern zusammen. Die Baumpfleger bringen diese zur Müllverbrennungsanlage. Das sei wichtig – denn auf dem Kompost und im normalen Restmüll könnten die Härchen weiterhin gefährlich sein, sagt Zöllner. ● Während des Einsatzes tragen die Baumpfleger Sicherheitsanzüge, Handschuhe und Gasmasken, um nicht in Kontakt mit den Haaren zu kommen. Je nach Befall benötigt das Team zwischen einigen Stunden und einigen Tagen für das Absaugen. Vor einigen Tagen hatte eines von Zöllners Teams einen Einsatz an der Bundesstraße 30. Vier Bäume seien derart befallen gewesen, dass kaum noch ein grünes Blatt zu sehen gewesen sei. Nicht nur die Bäume seien befallen gewesen: Sie hätten die ganze umliegende Wiese roden und auch Materialien einer angrenzenden Baustelle absaugen müssen. Fünf Tage seien sie beschäftigt gewesen. ● In der Regel kümmern sich die Teams zuerst um Bäume an öffentlichen Einrichtungen: Kindergärten, Schulen, Spielplätze oder am Ulmer Donaubad. Ein bis acht Tage müssten Privathaushalte derzeit warten, bis Raupennester entfernt würden. Bis dahin sollte man den Baum meiden und die Nester im Blick haben, warnt Zöllner. Durch Wind könnten sich diese lösen und herunterfallen. ● In den kommenden Wochen wird das Schlimmste überstanden sein, dann seien die Raupen verpuppt. Die Härchen behalten jedoch ihre Giftigkeit. Für das nächste Jahr empfiehlt Zöllner, bereits im April auf Raupennester an Eichen zu achten. Zu dieser Jahreszeit befände sich der Eichenprozessionsspinner erst im ersten oder zweiten Larvenstadium, sei noch nicht so giftig – und leichter zu entfernen.