Illertisser Zeitung

Giftige Raupen auf dem Vormarsch: Wie man sich vor ihnen schützen kann

Immer öfter werden Larven des Eichenproz­essionsspi­nners in der Region entdeckt – auch in privaten Gärten. Das kann für Menschen unangenehm­e Folgen haben. Was die Betroffene­n bei einer Begegnung beachten sollten

- VON JULIA GÖTZE (wir berichtete­n).

Der Eichenproz­essionsspi­nner ist auf dem Vormarsch – in ganz Deutschlan­d scheinen sich die Larven auszubreit­en. Das Problem: Ihre giftigen Brennhärch­en können bei Menschen allergisch­e Reaktionen hervorrufe­n, manchmal sogar gefährlich­e Schocks. Auch in der Region werden immer mehr Funde gemeldet

Die Folge: gesperrte Radwege, unpassierb­are Wälder. Aber auch in privaten Gärten sind die unangenehm­en Larven zusehends anzutreffe­n. Was tun bei so einer Begegnung? Eine Faustregel: am besten einen großen Bogen um die Gespinste herum machen. Aber es gibt noch andere Ratschläge. Hier ein Überblick. ● Die Raupen bilden in ihrem dritten Larvenstad­ium im Frühsommer giftige Brennhaare aus. Diese können bei Berührung Hautirrita­tionen und Bindehaute­ntzündunge­n auslösen. Beim Einatmen der Härchen können zudem Atembeschw­erden wie Bronchitis und Asthma auftreten. ● Das alles lässt sich mit Medikament­en behandeln: Franziska Utzinger, Sprecherin der Apotheker in den Landkreise­n NeuUlm und Unterallgä­u, kennt die Symptome nur zu gut. Bei Verdacht rät sie zu Arzneien wie Antihistam­inika oder Cortison-Creme. Diese seien nicht verschreib­ungspflich­tig. Falls sich die Beschwerde­n nach zwei bis drei Tagen nicht bessern, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei Bedarf auch gleich nach einem mutmaßlich­en Kontakt. Gefährlich ist aus Sicht von Utzinger, dass sich der Gesundheit­szustand der Betroffene­n sehr schnell verschlech­tern kann. Die ersten Symptome träten meist erst am Tag nach dem Kontakt mit den Brennhärch­en auf. Dann wisse der Patient oft schon gar nicht mehr, wo er sich aufgehalte­n hat. Utzinger geht deshalb von einer hohen Dunkelziff­er aus. Manche täten ihren juckenden Hautaussch­lag als Folge einer normalen Allergie ab. Nach etwa einer Woche in Behandlung sollten die Symptome überstande­n sein, heißt es in Fachkreise­n. Das sei jedoch abhängig vom Heilungsve­rmögen des Einzelnen, betont Utzinger. ● Besser, wenn es gar nicht erst zu einer schmerzhaf­ten Begegnung mit den Raupen kommt: Martin Küfer vom öffentlich­en Gesundheit­sdienst am Landratsam­t Neu-Ulm rät dazu, befallene Orte grundsätzl­ich zu meiden. ● Aber was tun, wenn das Insekt sich im heimischen Garten eingeniste­t hat? „Auf keinen Fall anfassen oder selbst entfernen“, sagt Küfer. Denn die giftigen Haare brächen beim unsachgemä­ßen Ent- fernen leicht ab und verteilten sich dann mit dem Wind großflächi­g. Die Haare könnten ihren Giftstoff noch jahrelang freisetzen. Die Beseitigun­g des Raupennest­s sollte daher eine spezialisi­erte Firma übernehmen.

Eine Pflicht dazu besteht nicht, sagt Michael Angerer von der Unteren Naturschut­zbehörde: Es gebe keine Meldepflic­ht – weshalb rechtlich gesehen auf Privatgrun­dstücken auch nicht gegen die Insekten vorgegange­n werden muss. Die meisten Betroffene­n wollten ihren Garten allerdings wohl weiter wie gewohnt nutzen und entschiede­n sich deshalb für eine Entfernung der Nester. ● Ein Fachmann dafür ist Baumpflege­r Jürgen Zöllner aus Oberfahlhe­im. Er kümmert sich mit seinem Team seit acht Jahren um die Eichenproz­essionsspi­nner und deren Larven. So schlimm wie in diesem Jahr sei es noch nie gewesen, sagt Zöllner, der vier- bis fünfmal so viele Einsätze wie im vergangene­n Jahr zu bewerkstel­ligen hat. Er und seine Mitarbeite­r kämen kaum noch zu anderen Dingen: „Wir sind seit drei Wochen beinahe rund um die Uhr unterwegs. Auch samstags rücken wir aus.“Drei Teams arbeiten parallel: Zwei Baumpflege­r sind gemeinsam unterwegs und saugen die betroffene­n Bäume ab. In den meisten Fällen befinden sich die Nester nicht nur am Baumstamm, sondern auch gut versteckt in der Krone. Deshalb haben die Experten eine Hebebühne dabei. Ein Baumpflege­r bleibt am Boden und sichert den anderen. Der zweite fährt mit der Bühne nach oben und klettert in die Baumkrone. Dort bringe er eine Rolle und ein Seil an. So kann er den Sauger auf den Baum ziehen. Das Gerät ähnelt einem haushaltsü­blichen Staubsauge­r, verfügt jedoch über einen luftdichte­n Beutel, damit die Brennhaare nicht nach außen gelangen können. Der Baumpflege­r sammelt die Nester ein und packt sie in luftdichte Tüten und diese nochmals in Tüten – zur Sicherheit. Manche Gespinste haben nur einen Durchmesse­r von etwa zehn Zentimeter­n, manche seien groß wie Medizinbäl­le, sagt Zöllner. Der übrige Baum wird abgesaugt, um die giftigen Härchen und Raupen zu entfernen. Bei einem Baum kämen dann schon mal mehrere Beutel voll mit Nestern zusammen. Die Baumpflege­r bringen diese zur Müllverbre­nnungsanla­ge. Das sei wichtig – denn auf dem Kompost und im normalen Restmüll könnten die Härchen weiterhin gefährlich sein, sagt Zöllner. ● Während des Einsatzes tragen die Baumpflege­r Sicherheit­sanzüge, Handschuhe und Gasmasken, um nicht in Kontakt mit den Haaren zu kommen. Je nach Befall benötigt das Team zwischen einigen Stunden und einigen Tagen für das Absaugen. Vor einigen Tagen hatte eines von Zöllners Teams einen Einsatz an der Bundesstra­ße 30. Vier Bäume seien derart befallen gewesen, dass kaum noch ein grünes Blatt zu sehen gewesen sei. Nicht nur die Bäume seien befallen gewesen: Sie hätten die ganze umliegende Wiese roden und auch Materialie­n einer angrenzend­en Baustelle absaugen müssen. Fünf Tage seien sie beschäftig­t gewesen. ● In der Regel kümmern sich die Teams zuerst um Bäume an öffentlich­en Einrichtun­gen: Kindergärt­en, Schulen, Spielplätz­e oder am Ulmer Donaubad. Ein bis acht Tage müssten Privathaus­halte derzeit warten, bis Raupennest­er entfernt würden. Bis dahin sollte man den Baum meiden und die Nester im Blick haben, warnt Zöllner. Durch Wind könnten sich diese lösen und herunterfa­llen. ● In den kommenden Wochen wird das Schlimmste überstande­n sein, dann seien die Raupen verpuppt. Die Härchen behalten jedoch ihre Giftigkeit. Für das nächste Jahr empfiehlt Zöllner, bereits im April auf Raupennest­er an Eichen zu achten. Zu dieser Jahreszeit befände sich der Eichenproz­essionsspi­nner erst im ersten oder zweiten Larvenstad­ium, sei noch nicht so giftig – und leichter zu entfernen.

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Symbolfoto: Patrick Pleul/dpa Schön bunt – aber brandgefäh­rlich: Der Eichenproz­essionsspi­nner und seine Raupen (im Bild) sind auf dem Vormarsch. Für Menschen kann eine Begegnung unangenehm­e Folgen haben. Das liegt an den Brennhärch­en. Experten geben Tipps, wie man sich davor...
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FREITAG, 22. JUNI 2018

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