Illertisser Zeitung

Locker bleiben

Vor dem entscheide­nden Spiel gegen Südkorea heute Nachmittag hat der Bundestrai­ner noch immer keine Stammforma­tion. Darauf legen Löw und seine Assistente­n aber offenbar auch keinen besonderen Wert

- VON TILMANN MEHL

Als sich deutsche Mannschaft­en im Ausland noch als Panzer bezeichnen lassen mussten, die ihre Gegner schlicht niederwalz­ten, wäre eine Partie wie die heutige eine Aufgabe gewesen, der man sich nur allzu gerne angenommen hätte. Bei Temperatur­en um die 30 Grad stampfend den quirligen Gegenspiel­ern hinterherh­echeln, mit Glück das eigene Tor verteidige­n und vorne hätte schon mal gegen Ende des Spiels eine Ecke irgendeine­n Deutschen siegbringe­nd am Kopf getroffen. Nicht schön, aber erfolgreic­h. Danach hätte sich das Team als Turnierman­nschaft feiern lassen, das bemüht, wonach ein gutes Pferd nur so hoch springt, wie es denn unbedingt müsse. Diese Zeiten sind dankenswer­terweise vorbei.

Die Mannschaft von 2018 ist geübt darin, sich ästhetisch wertvoll ihrer Gegner zu entledigen. Gegen Schweden paarte sie diese Fähigkeit mit dem Geist vergangene­r Generation­en. Ein Hauch von Hans-Peter Briegel schwebte über dem Siegtor von Toni Kroos. Weitaus gefühlvoll­er zwar, als es die altvordere­n deutschen Fußballkäm­pfer zu leisten imstande gewesen wären, aber eben doch eine Standardsi­tuation. Im entscheide­nden Spiel heute gegen Südkorea in Kasan (16 Uhr/ZDF) dürfte der Mannschaft von Bundestrai­ner Joachim Löw neben ihrer spielerisc­hen Klasse auch die bisherige Willenssch­ulung abgefragt werden. „Sie haben gute Konterspie­ler. Das ist das Spiel, das sie lieben. Sie laufen früher an als die Schweden und haben schnelle Spieler“, hat Löw als Stärken der Asiaten ausgemacht.

Zu den Qualitäten der deutschen Mannschaft gehört es aber nun mal eher, den Gegner vor schwierig zu lösende Aufgaben zu stellen. Sich selbst Schwierigk­eiten zu entledigen, fällt dem Team hingegen weniger leicht. Gegen Mexiko fand es so gar keine Lösung und gegen Schweden schafften sich die Spieler erst selbst ein Problem, um es mit der Idee des Spiels zu beseitigen. „Aber gegen Schweden haben wir die Konter schon besser unterbunde­n. Das muss der Maßstab sein“, so der Bundestrai­ner.

Die Temperatur­en in Kasan lassen den Schluss zu, dass es ohne absolute körperlich­e Fitness schwer werden wird, den notwendige­n Sieg für den Achtelfina­l-Einzug zu erringen. Zudem verhindert­en am Dienstagab­end Blitz, Donner und Starkregen das geplante Abschlusst­raining von Manuel Neuer und Kollegen im WM-Stadion. Der vom Wasser überflutet­e Rasen sollte geschont werden. Löws Team musste kurzfristi­g in eine andere Trainingss­tätte ausweichen. Zur Anstoßzeit am Mittwoch sind in der über 1000 Jahre alten Tatarensta­dt an der Wolga Sonne und große Hitze angesagt. „Die Physis wird eine wichtige Komponente“, so der Bundestrai­ner. Allerdings hätte sein Team auch schon gezeigt, dass es beständig das Tempo hochhalten kann. Mindestens genauso wichtig wie die körperlich­e Fitness ist, „dass wir die Jungs geistig frisch bekommen“, meint Co-Trainer Marcus Sorg.

Ein Sieg wie der gegen Schweden kann einer Mannschaft einen Schub versetzen, der sie durch das weitere Turnier treibt. Er muss aber auch verarbeite­t werden. Wenn Last abfällt und wenig später wieder SpanBild nung aufgebaut werden soll, sind die Trainer gefragt. Als Mittel zum Zweck dient ein Konkurrenz­kampf im Team, den es so schon lange nicht mehr gegeben hat. Begünstigt durch eine Sperre (Jérôme Boateng), eine Verletzung (Sebastian Rudy) und einige formschwac­he Spieler (unter anderem Thomas Müller, Sami Khedira, Julian Draxler) wittern beinahe alle Akteure die Möglichkei­t, zum Einsatz zu kommen.

Mats Hummels wird wieder in die Mannschaft rücken. Aber wer verletzten teidigt neben ihm? Niklas Süle könnte für Antonio Rüdiger in die Elf rutschen, schließlic­h hat er in München schon oft und gut mit Hummels das Zentrum gegenüber gegnerisch­en Angriffen versiegelt. Vollkommen offen scheint das Rennen um den Platz neben Toni Kroos im Mittelfeld. Ilkay Gündogan konnte nicht vollkommen überzeugen, gleiches gilt für Khediras Auftritt im ersten Spiel. Das eröffnet Leon Goretzka die Möglichkei­t auf einen Startplatz. Und in der Offensive herrscht sowieso ein Überangebo­t. Marco Reus und Timo Werner sind gesetzt. Die restlichen beiden Plätze machen Julian Brandt, Mesut Özil, Thomas Müller und Mario Gomez unter sich aus. Mit Müller hat Löw nach dem vergangene­n Spiel intensiv geredet und ihm anhand von Videoseque­nzen gezeigt, wie er zum Erfolg kommen kann. „Thomas schaut auch nach ein, zwei schlechten Spielen positiv nach vorne“, streicht er eine Qualität des Bayern heraus.

Eine Stammelf hat sich bisher noch nicht herauskris­tallisiert. Darauf legt der Trainersta­b auch keinen gesteigert­en Wert. Wichtiger sei „der Glaube an die eigene Stärke. Daran arbeiten wir“, so Sorg. Das wiederum eint das Team von heute mit dem Team von einst. Nur die Stärken haben sich gewandelt.

 ?? Foto: dpa ?? Die deutschen Spieler beim Training im Elektron Stadion. In diese Sportstätt­e wurde das Training verlegt, weil heftige Regenfälle den Rasen im WM Stadion überflutet hatten.
Foto: dpa Die deutschen Spieler beim Training im Elektron Stadion. In diese Sportstätt­e wurde das Training verlegt, weil heftige Regenfälle den Rasen im WM Stadion überflutet hatten.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany