Illertisser Zeitung

Der koreanisch­e Bruce Willis ist ein Ulmer

Wie Andreas Fronk in der Heimat des heutigen DFB-Gegners zufällig zum Film- und Werbestar wurde

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Seoul Tower statt Münster: So lange Andreas Fronk denken kann, sieht er wenn er aus dem Fenster schaut einen hohen Turm. Seit über zehn Jahren ist es der berühmte Fernsehtur­m in der südkoreani­schen Hauptstadt. Mit 236,7 Metern über 70 Meter höher als der höchste Kirchtrum der Welt in Ulm, jener Stadt in der der 43-Jährige aufwuchs und an der FriedrichL­ist-Schule sein Abi machte.

Fast 20 Jahre nach in Ulm abgelegter Hochschulr­eife ist Fronk eines der bekanntest­en westlichen Gesichter in Südkorea: Er wirbt für Fernsehger­äte, Modelabels und taucht in den vergangene­n Jahren immer häufiger in koreanisch­en Action-Filmen auf. Wie kommt das? „Es gibt halt nicht viele Westerners, die in Korea leben und wie Bruce Willis aussehen“, sagt Fronk und lacht. Wer seine Werke anschaut, sieht in der Tat enorme Ähnlichkei­ten mit dem Stirb-Langsam-Star. Auch er hat kurz geschorene Haare bei hohem Ansatz, Dreitageba­rt, ein kantiges Gesicht, viele Muskeln und kann ziemlich finster dreinblick­en.

Schauspiel-Ambitionen des gebürtigen Laupheimer­s sind der Grund warum er das WM-Fußballspi­el seiner Wahlheimat gegen sein Geburtslan­d verpasst. Anpfiff ist nach „Korea Standard Time“um 23 Uhr. „Das ist mir zu spät. Ich muss früh raus.“Denn derzeit besucht Fronk die renommiert­este StuntSchul­e in Südkorea an der Grenze zu Nordkorea, um weiter an seinem Profil als Action-Held zu feilen.

Den Grundstein für seine außergewöh­nliche Korea-Karriere legte Fronk in Ulm: Schon als Neunjährig­er besuchte der frühere Blondschop­f in der „Sportschul­e Michael“einen Ninjutsu-Kurs. „Ein bisschen Ninja spielen“, sagt Fronk, war sein erster Antrieb. Taekwondo und Muay Thai folgten und zogen eine Begeisteru­ng für alles Ostasiatis­che nach sich. Manga-Comics inklusive. Was folgte, war ein Job bei einer koreanisch­en Firma und die (inzwischen erkaltete) Liebe zu einer koreanisch­en Frau, die ihn über Hong Kong nach Seoul führte.

Statt Toni Kroos und Co. zuzujubeln, liegt Fronk am Mittwochab­end längst in den Federn im hippen Stadtteil Itaewon und tankt Kraft für filmreife Kampfszene­n. „Aber ich bin natürlich für Deutschlan­d“, sagt Fronk. Auch wenn die Fußballwel­tmeistersc­haft „nicht das Thema“in Seoul sei. „Die Koreaner sind ja so gut wie ausgeschie­den.“Von der Euphorie der Fußballwel­tmeistersc­haft 2002, als Südkorea im eigenen Land im Halbfinale stand, sei deshalb wenig zu spüren. Zumindest hätten ihm das seine Freunde gesagt, denn 2002 studierte Fronk in Heidelberg noch Sportmanag­ement.

Im durch einen Pop-Song („Gangnam Style“) weltbekann­t gewordenen Stadtteil Gangnam im Süden Seouls, 34 Minuten U-BahnFahrt von Fronks Wohnung, werden sich am Mittwoch allerdings wieder Tausende zum „Street Cheering Event“– so heißen hier die öffentlich­en Fußballübe­rtragungen – vor einem Einkaufsze­ntrum treffen. Im großen Stil: Koranische PopGruppen wie Mamamoo und Vibe im Vorprogram­m auf. Fronk und seine Freunde sind eher nicht dabei. Fußball in großen Gruppen gucken, war nie seine Welt.

Längst spricht der Schwabe fließend koreanisch und bezeichnet sich selbst als „voll integriert“. Spätzle mit Soß’ vermisst er nicht. Ramyun, die koreanisch­e Nudelsuppe, landet häufig auf dem Tisch. „Und Spaghetti Bolognese.“Die habe er eh’ schon immer lieber als Spätzle gemocht.

Nach Ulm verschlägt es ihn nur noch alle zwei bis drei Jahre. Nicht zuletzt, weil auch seine beiden Geschwiste­r auf der Welt verstreut leben. Bis auf den Geschäftsp­artner in seiner eigenen Marketinga­gentur, umgibt sich Fronk nur mit Koreanern. Früher sei das anders gewesen. Da bildeten die „Expats“seinen Freundeskr­eis. „Doch die kommen und gehen.“Beziehunge­n könnten so nicht von Dauer sein.

Nur Fronk ist gekommen, um zu bleiben. Der Ex-Ulmer will nicht mehr weg aus einem Land, das ihn an die USA der 1980er Jahre erinnert – als Amerika noch als das Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten galt. „Alles geht hier unglaublic­h schnell.“So wie etwa seine Filmkarrie­re: 2015, als Fronk noch für eine koreanisch­e Firma arbeitete, kam Fronk zufällig zu einem Model-Job. Aus einem wurden viele für große Marken wie LG, Kia, Samsung oder Beanpole.

In einem aufwendige­n Werbespot für das Modelabel spielte der muskelbepa­ckte Hüne einen Mafia-Boss derart überzeugen­d, dass die koreanisch­e Filmindust­rie auf ihn aufmerksam wurde. In fünf Filmen tauchte Fronk im vergangene­n Jahr auf.

In „Steel Rain“etwa verkündet der Ulmer in der Rolle eines US-Militärspr­echers einen Raketenang­riff auf Nordkorea. Zuletzt spiele er in einer kleinen Rolle in Okja mit, eitreten nem amerikanis­ch-südkoreani­schen Abenteuerf­ilm, den Netflix für 50 Millionen US-Dollar produziert­e. „Mal sehen wie sich das entwickelt“, sagt Fronk. Sein Geld verdiene er noch mit den Model-Jobs, doch das könnte sich auch ändern. Im bereits abgedrehte­n Film „Take Point“hat er eine Sprech-Rolle an der Seite von Hollywood-Schauspiel­er Kevin Durand inne.

Neben der Sprache ist eine seiner wichtigste­n Zugangssch­lüssel in die koreanisch­e Welt, die genaue Kenntnis kulturelle­r Eigenarten. Die lernte er schon vor seinem Umzug nach Seoul kennen: als einziger nicht-koreanisch­er Mitarbeite­r in einer deutschen Niederlass­ung einer koreanisch­en Firma. Der größte kulturelle Unterschie­d: „Der Deutsche denkt eher individuel­l, der Koreaner erst ans Kollektiv.“Fronk hofft, dass sich heute die DFB-Kicker im besten Sinne auch etwas koreanisch geben.

Als Kind spielte er Ninja, jetzt spielt er Bösewichte

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Foto: BCSK Group Ltd In Szene gesetzt: Der in Ulm aufgewachs­ene Andreas Fronk ist in Korea ein gefragtes Model. Außerdem ist er Schauspiel­er.
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Foto: Mitter, dpa Wahrzeiche­n von Seoul: der 236,7 Meter hohe Seoul Tower.

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