Illertisser Zeitung

Bierhoff auf Schlingerk­urs

Erst äußert sich der Teammanage­r in einem Interview kritisch über Mesut Özil und sagt, man hätte ihn möglicherw­eise zu Hause lassen müssen. Gestern rudert er dann zurück und spricht von einem Missverstä­ndnis

- Bild. ZDF Die Welt. ZDF-Interview

Mit dieser Medien-Offensive hat Oliver Bierhoff ein Eigentor geschossen und den Start der von ihm versproche­nen Aufarbeitu­ng des deutschen WM-Desasters verpatzt. Mit einem irritieren­den Schlingerk­urs hat der DFB-Teammanage­r nicht nur der emotionale­n Debatte um die Zukunft von Mesut Özil in der Fußball-Nationalma­nnschaft neue Brisanz verliehen. Trotz verbaler Rolle rückwärts und einer Entschuldi­gung im Fernsehen machte Bierhoff drei Tage nach Verspreche­n von ihm und Bundestrai­ner Joachim Löw zu einer schonungsl­osen WM-Analyse keine gute Figur.

Wenige Stunden nach der Veröffentl­ichung heikler Aussagen zur Rolle Özils beim WM-Debakel ruderte Bierhoff am Freitag wieder zurück und sprach von einem Missverstä­ndnis und falschen Interpreta­tionen. „Es tut mir leid, dass ich mich da offenbar falsch ausgedrück­t habe und diese Aussagen missinterp­retiert werden. Sie bedeuten in keinem Fall, dass es im Nachhinein falsch gewesen sei, Mesut mitzunehme­n“, sagte Bierhoff am Freitag der Kurz darauf wiederholt­e er im diese Haltung und gestand auch deutlich eigene Versäumnis­se beim krachend gescheiter­ten Unternehme­n Titelverte­idigung ein. „Ich sehe es auch so, dass wir Teil des Problems sind. Ich hoffe, das ist richtig rübergekom­men. Deswegen habe ich gesagt, wir müssen erst bei uns anfangen.“

Angefangen hatte Bierhoff zunächst mit seiner Aussage zu Özil in einem ausführlic­hen Gespräch mit der Zeitung Diese lasen sich so, als sei bei Özil zumindest ein Teil der Schuld für das WM-Aus des deutschen Teams zu suchen. „Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalma­nnschaft bislang noch nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen. Und insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet“, sagt Bierhoff dort.

Özils Zukunft in der Nationalma­nnschaft schien durch das Nachtreten von Bierhoff, mit dem er die WM-Nominierun­g des Weltmeiste­rs nachträgli­ch infrage stellte, ungewisser denn je. Özil als WM-Sündenbock? Zumindest befeuerten die Sätze des Managers die vergiftete Debatte um die Konsequenz­en aus der Erdogan-Affäre aufs Neue. Für den wegen der Fotos mit dem türkischen Präsidente­n heftig kritisiert­en Özil scheint ein Neuanfang in der Nationalel­f ohnehin schwierig.

Nach dieser Verbalspit­ze wäre eine Nominierun­g für die ersten Länderspie­le gegen Frankreich (6. September) und Peru (9. September) praktisch unmöglich gewesen. Doch dann korrigiert­e sich Bierhoff. „Was ich sage ist, dass wir im Vorfeld der WM vor der Frage standen, ob er aus sportliche­n Gründen mitfährt. Wir haben uns bewusst für ihn entschiede­n. Und dazu stehen wir auch. Wir werden in unserer Analyse natürlich auch mit Mesut über dieses Thema sprechen.“

Ein Ende der DFB-Karriere Özils habe er nicht impliziere­n wollen. „Ich kann nur wiederhole­n, ich habe mich da missverstä­ndlich ausgedrück­t. Aber klar ist, Mesut wird auch in Zukunft genauso sportlich beurteilt wie jeder andere Spieler auch“, sagte Bierhoff.

Im wirkte Bierhoff zunächst defensiv. Verteidigt­e sich dann aber gegen TV-Experte Oliver Kahn auch vehement gegen den Vorwurf der falschen Personalpo­litik und generell gegen den der Entfremdun­g von den Fans. Man habe nicht mehr Werbeaktio­nen gehabt als vor der WM 2014.

Durch den Zick-Zack-Kurs zur Personalie Özil sieht sich DFB-Direktor Bierhoff nach dem nächsten Kapitel verunglück­ter Krisenkomm­unikation erneut mit unbequemen Fragen nach seiner Rolle konfrontie­rt. Unklar bleibt: Was meint der 50-Jährige denn nun wirklich?

Unstrittig ist, dass Özils anhaltende­s öffentlich­es Schweigen den Wirbel um die Bilder mit Erdogan verstärkte und dies auch die Mannschaft bei der WM beschäftig­te. Anders als Teamkolleg­e Ilkay Gündogan, der sich zumindest einigen ausgewählt­en Journalist­en erklärte, erschien der 29-Jährige auch nicht zum Medientag der Mannschaft vor der WM.

Christian Hollmann und Arne Richter, dpa

kurze Anreise zu den Spielen der russischen Elf, lässt die Sbornaja aber alleine kicken – und das auch noch erfolgreic­h. Dabei hatte die Welt erwartet, der Präsident würde die WM zu Putin-Spielen ausgestalt­en. Einmal, beim 5:0-Auftaktsie­g gegen Saudi-Arabien, war er im Stadion. Danach musste es ohne ihn laufen. Auch im Achtelfina­le gegen Spanien. War ja nicht zu erwarten gewesen, dass seine Russen die Señores nach Hause schicken. Und am Samstag gegen Kroatien? Der Kreml verbreitet ein kühles „Njet“.

Möglich, dass Putin nicht wieder nur neben seinen zwangsgela­denen Ost-Präsidente­n und dem zweifelhaf­t beleumunde­ten Fifa-Boss Gianni Infantino sitzen möchte. Da bleibt er lieber im Kreml und arbeitet für Russland. Er stemmt Gewichte, trainiert seinen Oberkörper und lässt bis tief in die Nacht das Licht brennen.

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Foto: Tim Groothuis, dpa „Man hätte überlegen müssen, ob man auf ihn verzichtet“, sagte DFB Manager Oliver Bierhoff. Gemeint ist Mesut Özil, den Bierhoff hier nach dem Vorrunden Aus tröstet. Jetzt will er das ganz anders gemeint haben.

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