Illertisser Zeitung

Der freie Handel lebt

Während sich die USA und China bekriegen, bauen Japan und die EU 99 Prozent aller bisherigen Zölle ab. Davon profitiere­n viele Branchen. Warum es trotzdem Bedenken gibt – etwa, wenn es um das Thema Trinkwasse­r geht

- VON DETLEF DREWES

Mitten im beginnende­n Handelsstr­eit der USA mit China und Europa hat die EU am Dienstag das bisher größte Freihandel­sabkommen ihrer Geschichte unterzeich­net. Partner ist Japan. Doch es gibt auch Kritik und viele Befürchtun­gen. Was wurde vereinbart? Warum muss nur das EU-Parlament zustimmen? Hier sind die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was bringt dieses Freihandel­sabkommen mit Japan?

Jefta, so die Abkürzung, verbindet zwei wirklich gewaltige Märkte: über 500 Millionen Verbrauche­r auf europäisch­er Seite, 129 Millionen in Japan. Die fernöstlic­he Insel ist mit einem Handelsvol­umen von 129 Milliarden Euro im Jahr der sechstwich­tigste Partner der EU. 69 Milliarden erwirtscha­ften die Japaner durch Exporte nach Europa, 60 Milliarden die Europäer durch Ausfuhren auf die Insel. Nun soll das noch besser werden, denn beide Seiten wollen 99 Prozent aller bisherigen Zölle abbauen.

Wer profitiert davon am meisten?

Vor allem die Agrar- und Lebensmitt­elindustri­e darf auf deutliche Zuwächse hoffen. 85 Prozent der EU-Agrarexpor­te gehen bald zollfrei nach Japan. Fleischpro­dukte werden billiger, alleine bei Rindfleisc­h sinkt der Abgabensat­z in den nächsten 15 Jahren schrittwei­se von derzeit 38,5 auf neun Prozent. Auf EU-Wein fallen 15 Prozent Zoll an, zukünftig gibt es gar keine Aufschläge mehr. Bei Hartkäse wird der Zoll ebenfalls gestrichen – bisher waren es 30 Prozent. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Ausfuhren von verarbeite­ten Produkten um bis 180 Prozent zulegen könnten.

Und wie ist das mit geschützte­n Bezeichnun­gen?

Japan hat sich verpflicht­et, geografisc­h geschützte Produktbez­eichnungen anzuerkenn­en. Das heißt: Parmesan oder irischer Whiskey sind dann vor billigen Nachahmern geschützt.

Nun also Japan. Das Netz der europäisch­en Freihandel­sverträge wird größer und dichter. Was die Gemeinscha­ft und ihre Partner da demonstrie­ren, ist ein Bekenntnis zum Freihandel, der auf unsinnige Zölle und Abgaben verzichtet und zumindest versucht, gemeinsam gleiche Industries­tandards zu erreichen. Dieses Bekenntnis braucht Einschränk­ungen – natürlich. Längst nicht jeder Partner hat die gleichen Vorstellun­gen von Menschenod­er Arbeitnehm­errechten, vom Klima- oder Verbrauche­rschutz.

Trotzdem gibt es viele Ängste – beispielsw­eise beim Thema Wasser. Worum geht es?

Beide Partner haben sich verpflicht­et, auch den Markt für Dienstleis­tungen zu öffnen. Das betrifft die Telekommun­ikation, den Öffentlich­en Dienst und Finanzdien­stleistung­en. In den Verträgen wird aber auch deutlich festgehalt­en, dass die Daseinsvor­sorge ausgenomme­n bleibt. Da in Japan die Trinkwasse­rversorgun­g durch private Anbieter sichergest­ellt wird, gibt es Befürchtun­gen, dass auch der Markt in den EU-Mitgliedst­aaten liberalisi­ert und privatisie­rt werden könnte.

Wie groß ist diese Gefahr?

Bernd Lange (SPD), der Chef des Handelsaus­schusses im Europäisch­en Parlament, sagt: „Kein internatio­naler Vertrag kann die eigentumsr­echtliche Lage von Betrieben im öffentlich­en Eigentum ändern.“Da in Jefta die öffentlich­e Daseinsvor­sorge ausdrückli­ch von der Liberalisi­erung und Privatisie­rung ausgenomme­n wurde, sind die Ängste um die Trinkwasse­r-Versorgung in Deutschlan­d und Europa unbegründe­t.

Muss das Freihandel­sabkommen nur noch vom Europäisch­en Parlament ratifizier­t werden oder gibt es weitere Hürden?

Genau genommen besteht Jefta aus mehreren Teilen. Als reiner Handelspak­t fällt das Abkommen in die Zuständigk­eit der EU. Sie kann diese Regelungen mit Zustimmung des Europäisch­en Parlamente­s in Kraft setzen. Nationale Volksvertr­etungen sind aber nicht völlig außen vor. Denn wenn es um Geld der Mitgliedst­aaten geht, müssen auch deren Abgeordnet­enkammern beteiligt werden. Deshalb wurde ein Investitio­nsteil ausgekoppe­lt, um den Vertrag nicht an Einzelfrag­en scheitern zu lassen.

Wann soll das Abkommen mit Japan in Kraft treten?

Nach den Unterschri­ften ist das Votum des Parlamente­s nötig. In Brüssel wird deshalb damit gerechnet, dass der Vertrag erst ab 2019 gilt.

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Foto: Kyodo, dpa Deal! EU Kommission­schef Jean Claude Juncker, Japans Premier Shinzo Abe und EU Ratspräsid­ent Donald Tusk (von links) sind sich einig.

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