Illertisser Zeitung

Trotz Trump: Wir dürfen keine Welt ohne Amerika planen Leitartike­l

Der US-Präsident hat endgültig bewiesen, dass wir uns auf ihn nicht verlassen können. Jetzt geht es darum, in den USA demokratis­che Aufbauhilf­e zu leisten

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger allgemeine.de

Das reichlich bizarre Gipfeltref­fen zwischen Wladimir Putin und Donald Trump enthielt einen besonders bizarren Moment – weil er so ehrlich war. Auf die Frage, ob seine Geheimdien­ste in früheren Jahren belastende­s Material gegen Trump gesammelt hätten, antwortete der russische Präsident sinngemäß: Nein, schon weil er dessen politische­n Aufstieg niemals für möglich gehalten hätte. Trump, das sei jemand gewesen, der Wolkenkrat­zer gebaut und Schönheits­wettbewerb­e abgehalten habe, aber amerikanis­cher Präsident? Putin klang ehrlich erstaunt über Trumps Karriere, so wie jeder normale Beobachter. Allerdings klang er auch wie jemand, der sein Glück kaum fassen kann.

Der Rest der Welt, allen voran Bundeskanz­lerin Angela Merkel, vermag hingegen das aktuelle Unglück kaum noch zu fassen. Spätestens mit dem Auftritt in Moskau ist klar geworden, dass Trump die Axt an jenes Fundament legen wird, das Amerikas Anziehungs­kraft über viele Jahre so unwiderste­hlich gemacht hat: eine sehr selbstbewu­sste, aber seinen engsten Verbündete­n gegenüber auch durchaus selbstlose Supermacht zu sein – und jene wertebasie­rte westliche Weltordnun­g zu verteidige­n, von der die USA (und wir) in historisch einmaliger Weise profitiert haben.

Trump führt diese Axt teilweise aus schlichter Ignoranz. Aber auch methodisch, weil er so auf Rückendeck­ung bei seinen treuesten Wählern setzen kann, denen es genau um diesen Ton geht. Für sie kann er national und internatio­nal gar nicht unverschäm­t genug auftreten. Bis zu 80 Prozent von ihnen spendeten laut Umfragen sogar seinem Gastspiel bei Putin Beifall. Sie verehren ihn für den (krude vorgetrage­nen) Hinweis, die bestehende Werte- und Weltordnun­g habe auch Verlierer hervorgebr­acht.

Weil Trump beides in einzigarti­ger Weise verbindet – die Interessen einer Plutokrati­e zu vertreten und die Gefühle einer wütenden und frustriert­en Basis zu erreichen –, kann er so selbstbewu­sst über seine Wiederwahl reden. Das bedeutet: Er könnte auch dann noch im Amt sein, wenn Angela Merkel längst eine Politrentn­erin ist. Wie soll Europa also mit ihm umgehen? Ihn durch klassische Diplomatie zu beeinfluss­en, durch Schmeichel­ei, durch Annäherung, scheint zunehmend hoffnungsl­os zu sein. Der Machtmensc­h Trump bewundert Menschen mit absoluter Macht wie Nordkoreas Diktator Kim Jong Un oder eben Putin. Demokraten scheint er zu verachten – oder sie sind ihm schlicht egal.

Manche in Deutschlan­d meinen nun, Trump sei keine Ausnahmeer­scheinung, sondern Ausfluss einer US-Bewegung, die sich dauerhaft von Europa, von der Welt abwende. Also müssten wir über eine Welt ohne Amerika nachdenken, militärisc­h autarker werden, China umgarnen, Russland vielleicht auch – und die Macht des Dollars brechen. Nur: Es gibt keinen durchdacht­en Plan B.

Wenn Amerikas Ex-Botschafte­r in Berlin, John Kornblum, sagt, Europa habe in einem solchen Wettlauf keine Chance, klingt das hart. Aber der Mann hat recht. Die Vereinigte­n Staaten sind nicht nur politisch und militärisc­h dominant, sondern auch wirtschaft­lich, man denke nur an die IT-Industrie.

Ganz gewiss muss Europa entschloss­ener werden, seine Außenund Sicherheit­spolitik neu definieren und seine wirtschaft­liche Stärke ausbauen. Aber wir müssen die Partnersch­aft mit Amerika trotzdem zu bewahren versuchen, auf allen Ebenen und mit all den Demokraten und Patrioten, die es dort immer noch gibt. Nur wenn wir den USA mit unseren (bescheiden­en) Mitteln den Rücken stärken, können wir hoffen, dass die Ausnahmeer­scheinung Trump in Amerikas Geschichte eine Ausnahme bleibt.

Europa hat keinen durchdacht­en Plan B

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Zeichnung: Haitzinger
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