Illertisser Zeitung

Braucht das Handwerk strengere Regeln?

Die Koalition will zur Meisterpfl­icht für einige Berufe zurück – vor allem am Bau

- VON MARGIT HUFNAGEL

Das Handwerk kämpft seit beinahe 15 Jahren darum, nun gerät auch die Politik in Bewegung: Die Koalition prüft eine Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht für bestimmte Berufe. „Die Abschaffun­g der Meisterpfl­icht war ein Fehler“, sagt Carsten Linnemann (CDU). Und erklärt auch gleich, warum: „Die Qualität der Arbeit hat sich in diesen Gewerken teilweise deutlich verschlech­tert, außerdem wird weniger Nachwuchs ausgebilde­t.“Es sei staatliche­s Interesse, Bildung, Qualität und Verbrauche­rschutz sicherzust­ellen. Damit ist die Rechnung, die der damalige Wirtschaft­sminister Wolfgang Clement (SPD) im Zuge der Hartz-Reformen aufmachte, offenbar nicht aufgegange­n. 2004 war die Zahl der Berufe mit Meisterpfl­icht von 94 auf 41 reduziert worden. Zulassungs­frei sind unter anderem Fliesenleg­er und Gebäuderei­niger.

Die Liberalisi­erung des Handwerksm­arktes sollte die Beschäftig­ungszahlen antreiben. Tatsächlic­h ist die Zahl der Unternehme­nsgründung­en stark angestiege­n – doch anders als gewollt. Till Proeger vom Volkswirts­chaftliche­n Institut für Mittelstan­d und Handwerk an der Universitä­t Göttingen sagt: „Es gibt nach der Deregulier­ung sehr viele neue Unternehme­n. Diese sind allerdings im Durchschni­tt deutlich kleiner als die vorherigen Unternehme­n und haben auch deutlich höhere Insolvenzr­aten.“Besonders Zuwanderer aus Osteuropa mischten den Markt in Deutschlan­d mit EinMann-Betrieben kräftig auf.

Deshalb rückt nun sogar die SPD von ihrem eigenen Projekt ab. „Die Kunden müssen die Sicherheit haben, dass der bestellte Handwerker auch wirklich eine gut ausgebilde­te Fachkraft ist“, sagt SPD-Fraktionsv­ize Sören Bartol. Er erwarte von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) einen „konkreten Vorschlag, wie man die Handwerkso­rdnung ändern kann, ohne vor dem Bundesverf­assungsger­icht und bei der Europäisch­en Kommission zu scheitern“. Diplomatis­cher äußert sich Linnemann: „Herr Altmaier hat sich mir gegenüber offen gezeigt.“Er schränkt zugleich ein: Es soll keineswegs für alle 53 Berufe eine Rückkehr zur Meisterpfl­icht geben, sondern nur für „einige wenige, die aber Gewicht haben“. Die Baubranche etwa stehe im Fokus.

Im Wirtschaft­sministeri­um gibt man sich auf Nachfrage noch zurückhalt­end. Man komme derzeit dem Prüfauftra­g des Koalitions­vertrages nach, erklärt eine Sprecherin – und macht zugleich auf die engen verfassung­srechtlich­en und europarech­tlichen Rahmenbedi­ngungen aufmerksam. Tatsächlic­h arbeitet die EU derzeit eher an einer weiteren Liberalisi­erung des Marktes.

Widerspruc­h gibt es deshalb auch aus der FDP. „Die GroKo weckt mit der Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht bei Teilen des Handwerks trügerisch­e Hoffnungen“, sagt Michael Theurer, stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r der FDP, unserer Zeitung. „Schlimmer noch: Sie riskiert, dass der Meisterbri­ef in allen Gewerken von der EU abgeschaff­t wird.“Ein Eingriff in die Berufsfrei­heit müsse gut begründet sein. „Man darf gespannt sein, wie die GroKo nachweist, dass etwa die heutigen Fließenleg­er-Betriebe schlechte Qualität abliefern.“

In der Region hofft man dennoch, dass der Vorstoß Erfolg hat. „Wir brauchen die Meisterqua­lifikation“, sagt Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. „Der wirtschaft­liche Erfolg Deutschlan­ds hat wesentlich mit qualifizie­rter Arbeit zu tun.“Der Wegfall der Meisterpfl­icht habe zu Lohndumpin­g und Qualitätse­inbußen geführt.

Mehr Neugründun­gen, aber auch mehr Insolvenze­n

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany