Illertisser Zeitung

Sie betet noch immer für Mugabe

Eine Ordensfrau aus Bayern verschlägt es nach Simbabwe. Sie erlebt, wie aus einem Hoffnungst­räger ein grausamer Diktator wird. Und doch wird das Land für sie zur Heimat

- VON PHILIPP HEDEMANN

Am Montag bestimmen die Menschen in Simbabwe ein neues Parlament und ihren Präsidente­n. Es ist die erste Wahl seit dem Ende der jahrzehnte­langen Diktatur von Robert Mugabe. Doch der Geist des greisen Despoten ist noch immer allgegenwä­rtig. Auch in einem Dominikane­rkloster, das eine Nonne aus Bayern leitet. „Er war einmal ein guter Katholik. Wahrschein­lich war es die Macht, die ihn so korrumpier­t hat. Er hat vieles vor dem Herrn zu verantwort­en“, sagt Schwester Ferrera. Der Mann, über den sie spricht, ist der Vater einer ehemaligen Schülerin und war bis vor acht Monaten Präsident des Landes. Die Missionssc­hwester lernte Mugabe bei Elternaben­den oder Feiern im Kloster kennen. Die 78-Jährige lebte schon im heutigen Simbabwe, als der damalige Hoffnungst­räger das Land in die Unabhängig­keit führte. Jetzt erlebt sie, wie das von Mugabe ruinierte Land sich neu erfindet.

Nachdem sie zunächst in ihrer Heimatstad­t Regensburg als Sekretärin bei der Kriminalpo­lizei gearbeitet hatte, entschloss sich die damals 20-jährige Thea Maria Weinzierl, ins Kloster zu gehen und den Namen Ferrera anzunehmen. 1962 schickte ihr Orden sie nach Südrhodesi­en, das heutige Simbabwe. In der britischen Kolonie führte eine kleine weiße Oberschich­t ein privilegie­rtes Leben, während der Großteil der einheimisc­hen Bevölkerun­g in Armut lebte. Seit Mitte der 60er führten schwarze Unabhängig­keitskämpf­er – unter ihnen Robert Mugabe – einen Guerillakr­ieg gegen die weiße Minderheit­sregierung.

Die junge Schwester aus Bayern geriet in die Kriegswirr­en. Als Kämpfer 1977 eine Missionsst­ation der Dominikane­rinnen angriffen, suchten die Angreifer die weißen Schwestern und hellhäutig­en Jesuiten raus und schossen sie mit ihren Kalaschnik­ows nieder. „Auf einer anderen Missionsst­ation wurde eine unserer Schwestern mit einem großen Prügel erschlagen“, erinnert sich Schwester Ferrera, während sie Schwarz-Weiß-Fotos anschaut. Sie weiß, dass auch sie damals hätte getötet werden können. Trotzdem dachte sie nie daran, das Bürgerkrie­gsland zu verlassen. „Meine Schwestern aus Simbabwe und die uns anvertraut­en Schülerinn­en und Kranken konnten ja auch nicht einfach davonlaufe­n und ich wollte sie nicht im Stich lassen.“

Während des Unabhängig­keitskrieg­es kümmerte sich Schwester Ferrera um Kinder, die ihre Eltern verloren oder von ihren nach Vergewalti­gungen schwanger gewordenen Müttern ausgesetzt worden waren. Eines dieser Babys grub sie 1980 aus einem Laubhaufen aus. „Die Ameisen hatten das zum Sterben ausgesetzt­e Mädchen schon so sehr zerbissen, dass es am ganzen Kopf blutete“, erzählt die Schwester. Sie gab dem Kind den Namen Tariro. In Shona, der wichtigste­n Sprache Simbabwes, heißt das „Hoffnung“. Fast 38 Jahre nachdem sie Tariro das erste Mal in Händen hielt, zeigt Schwester Ferrera das Foto einer hübschen Frau. Aus dem halb toten Baby ist die glückliche Mutter von vier Kindern geworden. Oft kommt sie ihre Retterin besuchen.

Die ersten Jahre nach dem Unabhängig­keitskrieg hat die Missionari­n aus Bayern in guter Erinnerung. Mugabe wurde als Hoffnungst­räger gefeiert, mit dem jungen Simbabwe ging es bergauf, und die Klostersch­ule der Dominikane­rinnen hatte eine berühmte Schülerin – die einzige Tochter Mugabes. Der Ordensfrau fällt es immer noch schwer, zu begreifen, dass der fürsorglic­he Vater ihrer ehemaligen Schülerin und der brutale Diktator ein und dieselbe Person sind. Dass es im November zum unblutigen Putsch gegen den greisen Diktator kam, erlebte sie als große Erleichter­ung. Doch jetzt, acht Monate nach dem Ende der über 37 Jahre währenden Herrschaft Mugabes, ist vielen Simbabwern die Feierlaune vergangen. Viele Arbeitslos­e klagen, dass die neue Regierung bislang kaum neue Jobs geschaffen hat und die Lebensmitt­elpreise stark angestiege­n sind.

Schwester Ferrera steht jeden Tag um 4.30 Uhr auf, um dafür zu beten, dass ihr Herr Simbabwe auf dem Weg in eine gute Zukunft begleitet. Dann schließt sie auch den ehemaligen Diktator in ihre Gebete mit ein. „Schließlic­h haben wir alle die Barmherzig­keit Gottes nötig.“

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Foto: Hedemann Schwester Ferrera ist Oberin eines Do minikaneri­nnenkloste­rs.

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