Illertisser Zeitung

Was auf dem Balkon wirklich erlaubt ist

Mieter haben es gut. Sie genießen im Sommer überrasche­nd viele Freiheiten auf Balkonien. Bei Eigentümer­n wird es komplizier­t, wenn sie Umbauten vornehmen wollen. Sie müssen sich mit anderen abstimmen

- VON BERRIT GRÄBER

Mein Balkon gehört mir: Darauf dürfen Millionen Mieter getrost bauen, wenn sie ihre FreiluftQu­adratmeter jetzt im Sommer wieder nach Herzenslus­t nutzen und gestalten wollen. Das deutsche Mietrecht räumt ihnen überrasche­nd viel Freiheit ein – ob es ums Aufhängen bunter Blumenkäst­en geht, ums Aufstellen von Sandkasten, Grill oder Gartenmöbe­ln. Verboten ist nur, was andere massiv stört.

Für Besitzer von Eigentumsw­ohnungen kann es komplizier­t werden, sobald sie am Balkon etwas baulich ändern. Von wegen eigene vier Wände: Ihr Balkon ist Gemeinscha­ftseigentu­m und gehört – allen. Geht es um Umgestaltu­ngen oder auch nur die Farbe der Markise ist meist das Okay der Miteigentü­mer nötig. Das sorgt für Verdruss. Ein Überblick, was Mietern und Eigentümer­n erlaubt ist – und wann andere definitiv ein Wörtchen mitzureden haben. ● Mieter haben es gut. Haben sie eine Wohnung oder ein Haus mit Balkon, dürfen sie diesen grundsätzl­ich so nutzen wie sie wollen. Er gehört zur vermietete­n Bleibe dazu, wie Ulrich Ropertz erläutert, Sprecher des Deutschen Mieterbund­s. Das gilt auch für die Terrasse oder den mitgemiete­ten Garten. Der Bewohner kann dort Gartenstüh­le, Bänke, Tische, einen Sandkasten oder Sonnenschi­rme aufstellen. Er darf sein kleines Reich begrünen und bepflanzen, Rankgitter montieren, Sichtschut­z und Blumenkäst­en am Balkongelä­nder anbringen, auch außen, solange sie richtig befestigt sind.

Außerdem erlaubt: Am Balkon und im Garten die Wäsche trocknen, Gäste empfangen, mit Freunden zusammen sitzen, Kaffee trinken, reden, lachen. Auch Kinder können dort spielen und Freunde mitbringen. Sogar gegen nackt sonnen und im aufblasbar­en Mini-Pool planschen ist grundsätzl­ich erst einmal nichts einzuwende­n.

Die Grenze der freien Verfügung ist immer dann erreicht, wenn Nachbarn massiv gestört oder die Rechte des Hauseigent­ümers beeinträch­tigt werden, wie Ropertz betont. Wer den Balkon im Sommer als Disco nutzt, die Terrasse in einen Schrottpla­tz verwandelt oder den gemieteten Garten verwildern lässt, muss sich Beschwerde­n gefallen lassen. ● Wer eine Eigentumsw­ohnung hat, ist in seiner Gestaltung­sfreiheit beschränkt: Der mitgekauft­e Balkon oder die Terrasse gehören – meist mit Ausnahme des Bodenbelag­s – der Wohnungsei­gentümerge­meinschaft (WEG). Also auch allen Miteigentü­mern. Die Folge: Selbst beim Einrichten der eigenen Freiluft-Quadratmet­er haben alle mitzureden. Das sorgt im Sommer für mächtig viel Frust, wie Gabriele Heinrich erklärt, geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied beim Verband „Wohnen im Eigentum“. Ein Blick in Teilungser­klärung, Gemeinscha­ftssowie Hausordnun­g macht schnell klar: Der Eigentümer ● Nach den Fenstern sind die Balkone der größte Zankapfel in Ei gentümerge­meinschaft­en (WEG). Da bei sollte von Rechts wegen die Lage klar sein. „Alle tragenden Teile sind Ge meinschaft­seigentum und damit Sa che der WEG. Der Balkonraum an sich ist Sondereige­ntum des Wohnungs eigentümer­s“, sagt Martin Metzger aus Rosenheim vom Bundesfach­verband der Immobilien­verwalter. Zu den tra genden Teilen gehört, was die Si cherheit und Gestaltung des Hauses be darf in der Regel gerade mal Stühle, Tisch, Sonnenschi­rm und Blumentöpf­e auf Balkonien aufstellen, eventuell noch einen Grill. Bei allem anderen muss er sich fügen oder um Erlaubnis fragen.

Will er etwa den Balkon mit Blumenkäst­en verschöner­n, die man von außen sehen kann, zählt das meist schon als bauliche Änderung. Und die muss abgesegnet sein, wie Heinrich berichtet.

Erst recht keine freie Wahl gibt es für Projekte wie einen Sichtschut­z, für die Balkonverg­lasung oder seitliche Trennwände. Auch die Markise darf nur in der Farbe angeschaff­t trifft, also etwa die Fassade oder die Brüstungsm­auer. Dagegen gehören zum Beispiel Fliesen oder der Innen anstrich zum Sondereige­ntum. Kaputte Fliesen auf dem Balkon tauscht der Wohnungsei­gentümer auf eigene Kos ten aus. Bei einer unter den Fliesen liegenden Abdichtung, durch die Was ser in die darunter liegende Etage eindringt, ist dagegen die Gemeinscha­ft dran. ● Probleme gibt es, wenn Teilungser­klärungen und Ge werden, die zum Gesamtbild der Wohnanlage passt. „Dem Einzelnen gehört, salopp gesagt, eigentlich nur die Luft zwischen den Wänden“, sagt Eva Reinhold-Postina, Sprecherin des Verbands privater Bauherrn (VPB). ● Draußen rauchen ist in Mehrfamili­enhäusern nicht grenzenlos erlaubt – weder Mietern noch Eigentümer­n. Fühlt sich ein Nachbar durch aufziehend­en Tabakqualm vom Balkon unter ihm stark gestört, kann er einen zeitweisen Rauchstopp respektive „rauchfreie Zeiten“einfordern, wie der Bundesgeri­chtshof entschied (BGH V ZR 110/14). Dürfen Mieter in den Garten, können sie ihn auch nutzen und bepflanzen. Aber: Wer auf eigene Kosten Bäume oder Sträucher setzen oder Vorhandene­s entfernen will, sollte das immer mit dem Vermieter absprechen. In der Regel ist der Hausbesitz­er für Gartenarbe­iten wie Vertikutie­ren, Düngen oder Rasen mähen zuständig. Beauftragt er eine Gartenbauf­irma, darf er die Kosten auf die Mieter umlegen. Hat nur ein Bewohner den Garten eines Mehrfamili­enhauses gemietet, ist dieser auch zur Gartenarbe­it verpflicht­et.

Für Eigentümer in WEGs gilt: Wer eine Gartenfläc­he zur Sondernutz­ung hat, kann sie trotzdem nicht einfach nach eigenem Geschmack bepflanzen. Auch hier gibt es fast immer Vorgaben. ● Mieter dürfen auf Balkon, Terrasse und im Garten meist nach Herzenslus­t grillen – solange es nicht ausdrückli­ch im Mietvertra­g verboten ist. Und solange der Rauch nicht in Nachbarwoh­nungen zieht und stört. Bislang entschiede­n die Gerichte in der nationalen Streitfrag­e „Grillen, ja oder nein und wie oft?“eher großzügig. Zeitliche Vorgaben, dass man beispielsw­eise nur ein Grillvergn­ügen pro Monat haben darf, seien reine Einzelfall­entscheidu­ngen von Gerichten und nicht die Regel, betont Ropertz. Notfalls muss das Gericht entscheide­n.

Selbst beim Sommerverg­nügen Grillen haben WEG-Eigentümer häufig die schlechter­en Karten. Denn: WEGs dürfen ein Verbot fürs Grillen mit offener Flamme verhängen. Das hat das Landgerich­t München klargestel­lt (Az.: 36 S 8058/12 WEG). ● Hartnäckig halten sich Gerüchte wie: Jeder Bürger habe ein Recht auf Party und dürfe einmal im Monat oder dreimal im Jahr so richtig auf die Pauke hauen. „Das gehört ins Reich der Märchen“, winkt Ropertz ab. Was allein zählt, und zwar ohne Ausnahme, sind die Landesimmi­ssionsschu­tzgesetze. Sie gelten für alle Bürger. Und sie schreiben klipp und klar vor: Ab 22 Uhr muss Schluss sein mit Lärm, lauter Musik und Gelächter im Freien. Dann beginnt die Nachtruhe – auch im Sommer.

Fenster und Türen gehören ab da zugemacht. Dann darf aber auch drinnen nicht mehr lautstark weitergefe­iert werden. Da geht die Rücksichtn­ahme auf die Nachbarn vor und das freie Nutzungsre­cht endet – für Mieter wie für Eigentümer in Wohnanlage­n.

Eigentümer: Wer zahlt die Balkon Reparatur?

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Foto: Patrick Pleul, dpa Wer Mieter ist, darf seinen Balkon begrünen und in vieler Hinsicht nutzen.

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