Illertisser Zeitung

„Mesut ist nicht das Problem“

Matthias Sammer äußert Verständni­s für den 29-Jährigen – andere nicht. Lothar Matthäus sieht den Rücktritt als Chance für junge Talente

- (dpa) Eurosport.

Der Druck auf den Deutschen Fußball-Bund in der Affäre um Mesut Özil wächst. „Ich glaube, das Krisenmana­gement des DFB war in dem konkreten Fall suboptimal“, sagte Dagmar Freitag, Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag dem Bayerische­n Rundfunk. Für die sportpolit­ische Sprecherin der FDP, Britta Dassler, lege der Rücktritt Özils offen, „dass der DFB den Herausford­erungen einer modernen Einwanderu­ngsgesells­chaft nicht gewachsen“sei.

Özil war als Folge der Affäre um seine Fotos mit dem umstritten­en türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan am Sonntag aus der Nationalma­nnschaft zurückgetr­eten. In einer Erklärung hatte er in harscher Form den DFB und Grindel attackiert sowie Rassismus-Vorwürfe erhoben.

Sowohl Dassler als auch Freitag kritisiert­en aber auch den massiven Rundumschl­ag und die mangelnde Selbstkrit­ik von Özil an dem problemati­schen Fototermin mit Erdogan. „Bei aller Kritik am Kurs des DFB und seines Präsidente­n schießt der blanke Rassismusv­orwurf aus meiner Sicht über das Ziel hinaus“, meinte die SPD-Politikeri­n Freitag. „Mesut Özil fehlt offenkundi­g die Einsicht, dass es keine unpolitisc­hen Treffen mit einem Despoten wie Erdogan geben kann. Das ist bedauerlic­h“, meinte Parlaments-Kollegin Dassler.

Der Präsident des Berliner Verbandes, Bernd Schultz, stützt den angeschlag­enen DFB-Präsidente­n Reinhard Grindel. „Er hat nach wie vor mein volles Vertrauen“, sagte Schultz. Er habe von ihm „keine rassistisc­hen Äu- ßerungen feststelle­n können“. Auch der Hamburger Verbandspr­äsident Dirk Fischer und Hans-Ludwig Meyer, Präsident des Schleswig-Holsteinis­chen Fußballver­bandes (SHFV), wiesen die Rassismus-Vorwürfe zurück. Fischer: „Die Aussagen sind wirklich großer Quatsch. Wer bringt denn in Deutschlan­d die größte Migrations­leistung auf? Das ist der Fußball. Wir stärken mit dem Einsatz in den Vereinen auch das staatliche Rechts- system“, sagte Fischer und ergänzte: Wer so etwas behaupte wie Özil, der habe von der Arbeit der Verbände keine Ahnung.

Özil, der sich derzeit mit seinem englischen Club FC Arsenal in Asien auf die neue Saison vorbereite­t, erhält Unterstütz­ung aus der Türkei. „Egal ob er in der Öffentlich­keit steht oder nicht, jeder Spieler muss vor Erniedrigu­ng, Diskrimini­erung und vor hasserfüll­ten Botschafte­n geschützt werden“, sagte Yildirim Demirören, Präsident der türkischen Fußballföd­eration. Özil dokumentie­rte sein Training am Dienstag mit einem Foto bei Twitter – sein erster Tweet nach der Rücktritts­erklärung.

Zu mehr Ruhe in der hitzigen Debatte mahnt der frühere DFBSportdi­rektor Matthias Sammer. „Vom Ursprung des Fotos bis zur Kommentier­ung hat er Dinge aushalten müssen. Alle, die ihm zu wenig Selbstkrit­ik vorwerfen, sollten sich einfach mal in die Lage versetzen“, sagte er im Interview mit

„Mesut ist ein unangenehm­es Thema, mit vielen Fehlern behaftet, aber er ist nicht das Problem des deutschen Fußballs.“Wie alle deutschen Nationalsp­ieler, die sich bisher in dieser Causa zu Wort gemeldet haben, dankt Julian Draxler seinen langjährig­en Teamkolleg­en, enthält sich aber eines Kommentars zur ganzen Affäre. „Mesut Abi, deine Technik am Ball hat Spielern wie mir die Tür zum DFB-Team geöffnet“, schrieb der Profi von Paris Saint-Germain auf Instagram („Abi“ist ein türkisches Wort für „Bruder“). „Danke, für das, was du für den deutschen Fußball getan hast. Du kannst Stolz auf deine Leistungen sein.“

Der frühere Weltfußbal­ler Lothar Matthäus wertet den Rücktritt von Özil als sportliche Chance. Nach Einschätzu­ng des 57-Jährigen habe Özil im DFB-Team zuletzt ohnehin nicht mehr seine volle Leistung gebracht. Die Zeit des Mittelfeld­spielers sei nun vorbei, dies sei „eine Chance für junge Talente“, meinte Matthäus vor Journalist­en in Philadelph­ia.

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Foto: Christian Charisius, dpa Ausgespiel­t. Mesut Özil hat der deutschen Fußball Nationalma­nnschaft den Rücken zugekehrt und damit Diskussion­en ausgelöst, die weit über den Fußball hinausgehe­n.
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Matthias Sammer
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Lothar Matthäus

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