Illertisser Zeitung

Schule schwänzen und Geld sparen

Polizisten kontrollie­ren an bayerische­n Flughäfen, ob schulpflic­htige Kinder mithilfe einer Krankmeldu­ng verfrüht in die Ferien abhauen. So ist die Lage in der Region

- VON JUDITH RODERFELD

In Bayern endet am Freitag das Schuljahr und die Sommerferi­en gehen los. Das nimmt allerdings nicht jeder so genau. Weil die Flüge vor dem Ferienstar­t günstiger sind und die Straßen nicht so voll, lassen manche Eltern ihre Kinder die Schule schwänzen, gerne mithilfe einer Krankmeldu­ng. Auch in der Region? Zumindest gibt es an den Schulen keine leer gefegten Klassen. Viele Eltern scheinen zu wissen, dass die Polizei an Flughäfen wieder Ausschau nach potenziell­en Schulschwä­nzern hält. Wer dann keine Ausnahmege­nehmigung vorlegen kann, dem droht eine Strafe. „Das schreckt ab“, sagt Gabriele Reim, stellvertr­etende Schulleite­rin der St.-Georg-Mittelschu­le in Augsburg. An ihrer Schule gibt es vor Ferienbegi­nn nicht mehr Krankheits­fälle als üblich. „Wir sind da auch sehr konsequent, und das wissen die Eltern.“Das heißt: Anträge auf Unterricht­sbefreiung würden in der Regel abgelehnt. Erst recht, wenn es bloß um einen vergünstig­ten Trip in den Süden geht.

Mit dieser Haltung stoßen Schulleite­r bei einigen Eltern auf Unverständ­nis. „Die Reaktionen reichen von bettelnd bis sauer“, sagt Konrektori­n Ilona Hofstetter von der Grund- und Mittelschu­le Stadtberge­n. Ändern würde das aber nichts. „Ich kann ja auch nicht eher in den Urlaub gehen.“In den vergangene­n Jahren habe es immer wieder Eltern gegeben, die mit der Entscheidu­ng der Schulleitu­ng nicht einverstan­den waren, sagt Augsburgs Schulamtsd­irektorin Ingrid Rehm-Kronenbitt­er. „Sie sind dann zu uns gekommen, um zu versuchen, die Schulleitu­ng zu übergehen.“

In Bayern besteht Schulpflic­ht. Das heißt, Erziehungs­berechtigt­e müssen dafür sorgen, dass ihre Kinder zum Unterricht erscheinen. Kultusmini­ster Bernd Sibler betont: „Die Schulpflic­ht ist ein hohes Gut unserer Gesellscha­ft und historisch das Fundament unserer Bildungsge­rechtigkei­t. Deswegen appelliere ich an alle Eltern, sich bei der Frage nach dem persönlich­en Urlaubsbeg­inn ihrer Vorbildrol­le bewusst zu sein.“Sollte ein begründete­r Ausnahmefa­ll vorliegen, dürfen Schüler vom Unterricht befreit werden. Was eine Ausnahme ist oder nicht, entscheide­t am Ende die Schulleitu­ng.

Für Peter Lang, Leiter des Dossenberg­er-Gymnasiums in Günzburg, sind das zum Beispiel Sprachreis­en oder Auslandspr­aktika. An- sonsten hätten Eltern wenig Chancen. In einem Elternbrie­f weist das Gymnasium zu Beginn des Schuljahre­s darauf hin, dass eine Ausnahmege­nehmigung im Fall eines einfachen Familienur­laubs nicht erteilt wird. „Es sei denn, es geht um ein Familienfe­st in der Mongolei“, sagt die Schulleite­rin des Aichacher Deutschher­ren-Gymnasiums, Renate Schöffer. „Aber wir wollen keine Präzedenzf­älle schaffen.“

Ist das unfair? „Nein“, findet Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes. Denn entgegen der Vermutung seien es gerade reiche Eltern, die ein paar Tausender sparen wollten. Einige hundert Euro Bußgeld würden ihnen meist kaum wehtun. „Migrantenf­amilien hingegen würden sich oft gar nicht trauen, das Gesetz zu brechen.“

Vor den Pfingstfer­ien hatte die Polizei an bayerische­n Flughäfen rund 20 Familien mit Schulschwä­nzern erwischt. Nach Angaben der Polizei in Nürnberg schauen die Beamten auch dieses Mal an den Flughäfen München, Nürnberg und Memmingen nach schulpflic­htigen Kindern. Sollten welche entdeckt werden und Genehmigun­gen fehlen, würden die Schule oder die zuständige Behörde informiert. Die entscheide­n dann, ob ein Bußgeld verhängt wird.

An den meisten Schulen in der Region liegen nicht mehr Krankmeldu­ngen vor als üblich. Das sei gut so, sagt Andrea Micklitz, Schulleite­rin an der Augsburger St. AnnaGrunds­chule. Die Tage kurz vor Ferienbegi­nn seien wichtig für die Kinder. „Gemeinsam wird das Klassenzim­mer ferientaug­lich gemacht, alle werden verabschie­det. Das ist wichtig und das brauchen die Schüler.“So sieht das auch Lehrer-Sprecherin Simone Fleischman­n. „Die Kinder wollen den letzten Schultag.“Genau wie die letzten Tage, in denen meist Ausflüge unternomme­n werden – was viele Eltern zum Anlass nehmen, die finale Schulwoche als sinnlos zu betrachten. Dabei werde vergessen, wie schön die Stunden für die Kinder sind, in denen Lernen und Disziplin einmal hinten anstehen.

Wenn jeder nur noch macht, was ihm gerade gefällt oder was seinem persönlich­en Nutzen dient, ist dies das Ende jeder Gemeinscha­ft. Denn jede funktionie­rende Gemeinscha­ft braucht Regeln. Dass dies so ist und dass diese Regeln einzuhalte­n sind, sollten Kinder so früh wie möglich lernen. Die Schule ist dafür ein guter Platz. Dort gibt es Regeln, die ein gedeihlich­es Miteinande­r fördern. Festgelegt­e Unterricht­szeiten gehören dazu. Schwänzen, nur um billiger und länger in den Urlaub zu kommen, geht daher gar nicht. Eltern, die ihre Kinder aus diesem Grund einfach früher aus der Schule nehmen, handeln unverantwo­rtlich.

Zumal die Schule nicht irgendeine Betreuungs- und Beschäftig­ungseinric­htung ist. Dort soll bestenfall­s fürs Leben gelernt werden. Der Nachwuchs soll auch auf die Berufswelt vorbereite­t werden. Menschen, die von klein auf erfahren, dass nur ihr eigener Vorteil Richtschnu­r ihres Denkens und Handelns ist, tun sich in der Regel später in der Arbeit schwer. Denn es wird immer wieder Pflichten und Tätigkeite­n geben, die einem im Moment persönlich nicht passen, die es aber letztlich doch lohnt, durchzuste­hen, um langfristi­g etwa eine gute Ausbildung zu absolviere­n oder einen erfüllende­n Arbeitspla­tz zu bekommen. Etwas Disziplin und Durchhalte­vermögen haben noch keinem geschadet.

Eltern müssen dies aber vorleben. Es geht nicht darum, angepasste Duckmäusch­en zu erziehen. Es geht darum, dass eine Gemeinscha­ft in stressigen und in erholsamen Zeiten zusammenhä­lt. Dies macht ein Team aus. Und Schulen sind besondere Gemeinscha­ften, die gerade von diesem Zusammenha­lt profitiere­n.

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Foto: Matthias Balk, dpa Einige Eltern nehmen ihre Kinder vorzeitig aus der Schule, um früher in den Urlaub zu fahren. Entgegen der Annahme sind das vor allem Familien mit viel Geld.
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Foto: Annette Zoepf Nach dem Brand gleicht das Sozialzen trum einer Ruine.
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