Sie machte die „Illerbombe“zum Exportkracher
Die einst in Illertissen hergestellten Spielgeräte sind bis heute legendär. Weil das örtliche Museum die Geschichte darum bewahrt, wurde es kürzlich ausgezeichnet. Doch wie geht es der ehemaligen Firmenchefin Annie Kriener?
Wer die Dinge aufzählt, die Illertissen ausmachen, darf die „Illerbombe“nicht vergessen: Bis heute zehrt die Vöhlinstadt vom Ruf der einst in der Sportartikelfabrik Kriener (1925 bis 1998) hergestellten Fußbälle. Sie waren ein Exportschlager und rollten in den Vorrunden von Weltmeisterschaften über die Rasen. Zum Beispiel 1954 in der Schweiz, 1958 in Schweden, 1962 in Chile und 1968 in Mexiko. Das im April wiedereröffnete Illertisser Museum hält das Andenken daran aufrecht – dort steht die Sattlernähmaschine, auf der auch Fußbälle entstanden. Dafür gab es nun eine Auszeichnung: Illertissen ist in der Liste „100 Heimatschätze“der nicht staatlichen Museen Bayerns vertreten. Grund genug für die Vereinsvertreter, bei der einstigen Fabrikantin Annie Kriener vorbeizuschauen. Die 94-Jährige freute sich darüber – und konnte den Besuchern so manche Geschichte aus der spannenden Zeit erzählen.
Um die einstige Geschäftsfrau ist es ruhig geworden: Allerdings pflegt die frühere Dolmetscherin nach wie vor ihre Auslandskontakte, beispielsweise im Rahmen der von ihr 1972 angestoßenen Städtepartnerschaft Illertissen – Carnac. Ebenso aufmerksam verfolgt sie das Geschehen in Illertissen. Sie lebt inzwischen zurückgezogen und hat von der Auszeichnung des Museums aus der erfahren. „Komisch ist das schon, unerwartet über seine eigene Vergangenheit zu lesen, sagt sie und lächelt. Die Seniorin kann sich noch gut daran erinnern, wie das damals so war, mit der „Illerbombe“. Und so manche Geschichte über die Bälle müsse etwas präzisiert werden, sagt Kriener. Das fängt schon beim Begriff an.
Der war ursprünglich der Produktname von einem der verschiedenen Bälle der Firma: Bald wurde die „Illerbombe“aber zum Inbegriff für Kriener-Fußbälle schlechthin. Berühmtheit erlangte sie 1954, als die Nationalmannschaften zur Weltmeisterschaft 1954 in Bern in der Schweiz antraten. Bei den Erzählungen darüber müsse ein Irrtum korrigiert werden, sagt Kriener: „Die Deutschen spielten ihre Vorrunden mit Kriener-Bällen, doch beim Finale in Bern kamen Schweizer Bälle zum Einsatz.“Es sei ein Vorrecht des ausrichtenden Landes gewesen, das Finale mit eigenen Bällen zu spielen.
So waren die Iller-Bälle nach der WM 1954 plötzlich in aller Munde – Annie Krieners zahlreiche Ge- schäftsreisen fingen an, Wirkung zu zeigen. Bald waren die in Illertissen hergestellten Bälle mit Namen wie „Saturn“, „Komet“, „Europa-Final“oder „Rekord“alle unter dem Begriff „Illerbombe“bekannt – und sie kamen bei vielen internationalen Spielen zum Einsatz. Ein Fußball wog zwischen 396 und 453 Gramm, hatte einen Durchmesser von 68 bis 71 Zentimetern und eine Lederstärke von zwei bis 2,5 Millimetern. Die älteren Modelle wurden noch von Hand zugenäht, sobald die Gummiblase durch einen Schlitz innen platziert worden war. Das Leder stammte von Kühen, die mehrfach gekalbt hatten, deren Haut war elastischer.
Die Manufaktur fertigte Bälle jeglicher Art, Medizinbälle, Hand-, Faust- und Volleybälle sowie allerlei Sportartikel aus Leder. Dieses wurde im eigenen Betrieb gegerbt. Vater Jakob Kriener hatte während des Zweiten Weltkriegs bis zu 100 Ballsattler beschäftigt, in den 1990ern waren es noch einige wenige. Krieners größter Konkurrent war Adi Dassler (Adidas). Um mitzuhalten, ließ sie ihre Bälle ebenfalls in Pakistan und Indien nähen. Sie erinnert sich: „Sobald die Umsatzzahlen nach unten gingen, suchte ich Sportgeschäfte, Handel, Messen und Verbände auf, um Geschäfte abzuschließen. Sogar im Katalog konnten Kriener-Bälle bestellt werden.“Fußballlegenden wie Sepp Herberger oder Uwe Seeler zählten einst zu ihren guten Freunden. Als 27-Jährige hatte sie Gerberei und Sattlerei nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters übernommen. Im Jahr 1998 stand der Verkauf an, danach wurde der Betrieb eingestellt. Der Wechsel von der Dolmetscherin zur Geschäftsfrau sei damals für die Älteste von drei Töchtern kein Knick in der Biografie gewesen, sagt Kriener: „Mein Vater hat seine mangelnden Sprachkenntnisse stets bedauert.“Seine Tochter Annie verfügte darüber und trat ihr Erbe gerne an – unterstützt von ihren Mitarbeitern um Geschäftsführer Karl Ott.
Für die Unternehmerin hatte das Fußballschauen stets zwei Aspekte, den beruflichen und den vergnüglichen. Das habe sich bis heute nicht geändert. Mit Schmunzeln sagt sie: „Heute sind die Bälle ja aus Kunststoff, sodass ich immer darauf warte, dass einer platzt.“Den Gefallen hätten sie ihr aber noch nicht getan, sagt Kriener mit einem Lächeln.
Fußballlegenden zählten zu ihren Freunden