Illertisser Zeitung

Wie gefährlich sind coliforme Keime?

Im Trinkwasse­r der Stadt Vöhringen wurden Bakterien entdeckt. Bürger sollen es deshalb vor Gebrauch abkochen. Ein Experte klärt über Risiken auf

- VON MADELEINE SCHUSTER

Es klingt im ersten Moment besorgnise­rregend: Im Vöhringer Trinkwasse­r wurden Keime – sogenannte coliforme Bakterien – festgestel­lt. Was im gesamten Stadtgebie­t aus dem Hahn kommt, muss deshalb vorsorglic­h abgekocht werden. Doch wie gefährlich sind die Bakterien überhaupt? Und was ist das eigentlich, was da in unseren Leitungen schwimmt? Dr. Martin Küfer, Leiter des öffentlich­en Gesundheit­sdienstes am Landratsam­t Neu-Ulm, klärt auf.

Wie Küfer auf Nachfrage unserer Zeitung sagt, handelt es sich bei coliformen Keimen um eine ganze Gruppe stäbchenfö­rmiger Bakterien. Dabei gebe es sowohl Arten, die im Darm von Menschen und Tieren lebten als auch sogenannte Umweltcoli­forme. Sie kommen außerhalb des Darmtrakte­s in der Umwelt vor. Gesundheit­sschädlich seien die coliformen Bakterien zunächst einmal nicht. Aber: Wie bei allen Erregern oder Schadstoff­en könne eine Gefährdung nicht ausgeschlo­ssen werden.

Anfällig für die Erreger sind vor allem die Personen, deren Abwehr generell geschwächt ist. Auch bei Kindern oder Senioren bestünde ein höheres Risiko. Generell entscheide aber vor allem die Menge darüber, wie groß die Gefahr ist. Erst, wenn der Körper mit vielen Bakterien konfrontie­rt wird, kommt das Immunsyste­m in Bedrängnis. „Das Wasser müsste schon literweise getrunken werden“, erklärt Küfer.

Dass im Trinkwasse­r coliforme Bakterien gefunden werden, komme in der Region zwar nicht häufig, aber immer mal wieder vor. Wie die Keime ins Wasser gelangen, lasse sich nicht pauschal sagen. In Vöhringen könnten Baumaßnahm­en am Rohrnetz zu der Verunreini­gung geführt haben. Es werde aber auch nach anderen Ursachen gesucht, hieß es in einer Mitteilung der Stadt. Dabei muss die Verunreini­gung nicht zwangsläuf­ig von außen in das Wassernetz gelangt sein. Wie der Leiter des Gesundheit­sdienstes erklärt, könne es beispielsw­eise bei plötzliche­r Erhöhung der Fließgesch­windigkeit zu einer Freisetzun­g der Bakterien aus vorhandene­n Ablagerung­en kommen.

Sicher ist jedenfalls: Solange die Herkunft der Bakterien nicht geklärt ist, sollten nach Angaben von Hauptamtsl­eiter Jürgen Herzog alle Bewohner im Stadtgebie­t (samt Ortsteilen) vorsorglic­h abkochen. Die Stadt rät dabei, das Leitungswa­sser vor Gebrauch einmal sprudelnd aufzukoche­n – und langsam, über mindestens zehn Minuten, abkühlen zu lassen. Händewasch­en, Duschen oder Baden mit belastetem Wasser sei kein Problem, denn coliforme Keime dringen nicht durch die Haut und werden auch nicht eingeatmet wie etwa Legionelle­n.

Im Laufe der Woche stehe nach Einschätzu­ng von Mediziner Küfer das Ergebnis weiterer Proben fest. Dann entscheide sich, ob Entwarnung gegeben werden kann oder ob weitere Schritte ergriffen werden müssen – etwa, ob das Wasser eine Zeit lang gechlort werden muss.

Laut Trinkwasse­rverordnun­g dienen coliforme Bakterien generell als Verschmutz­ungsindika­tor für Trinkwasse­r. Der Grenzwert liegt bei null. Werde bei Messungen an einer Stelle ein geringfügi­g höherer Wert festgestel­lt, werde der Zustand des Wassers laut Experte Küfer zunächst beobachtet und weitere Proben an mehreren Stellen genommen. Werden auch dort Grenzwerte überschrit­ten, wird die Bevölkerun­g, wie nun in Vöhringen, informiert.

Hoch sind die im Stadtgebie­t gemessenen Werte nach Angaben von Küfer nicht. So wurden etwa im Ortsnetz in der Nähe der Baustelle am Berliner Ring 3 coliforme Keime pro 100 Milliliter Trinkwasse­r festgestel­lt. Am Übergabesc­hacht Thal waren es 4 coliforme Keime pro 100 Milliliter. „Wäre das Wasser richtig verschmutz­t, würden die Zahlen bei 100 oder 1000 liegen.“

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