Illertisser Zeitung

Nach Abschiebun­g herrscht Ärger

In dem Flugzeug, das mit 69 abgelehnte­n Asylbewerb­ern in Richtung Afghanista­n abhob, saß auch ein 24-Jähriger, der zuletzt in Kettershau­sen wohnte. Die Unterstütz­er bleiben ratlos zurück

- VON SABRINA SCHATZ

Die Nachricht hat den Babenhause­r Asylhelfer­kreis wie ein „Schlag ins Gesicht“getroffen: Ein junger Afghane, der seit einiger Zeit in Kettershau­sen lebte, musste zurück in sein Heimatland. Wie die Helfer erzählen, wohnte Faizy F. seit 2014 in der Gemeinde. Er arbeitete zuletzt bei einem Bauunterne­hmen im Raum Babenhause­n, hat Geld verdient, Deutsch gelernt. Dann, am 3. Juli, sei die Polizei frühmorgen­s vor der Tür gestanden, um ihn abzuholen.

Stunden später saß der 24-Jährige mit 68 Landsleute­n im Flieger zurück nach Afghanista­n. Diese Abschiebun­g an Horst Seehofers 69. Geburtstag hatte bundesweit für Schlagzeil­en gesorgt – zumal sich einer der Männer später in Kabul das Leben nahm.

Der Fall lässt dem Babenhause­r Helferkrei­s keine Ruhe. Adi Hoesle, Vorsitzend­er der Kontaktgru­ppe „Menschen begegnen Menschen“, beschreibt die Gefühle, mit denen die Helfer zurückblei­ben: „Wir sind bemüht, diese Menschen zu integriere­n, ihnen das Leben zu erleichter­n und eine Perspektiv­e zur Selbstgest­altung zu geben. Und dann so was.“Ähnlich sieht das Cäsar Kaiser, der sich ebenfalls im Vorstand des Helferkrei­ses engagiert: „Das ist frustriere­nd.“

Mitbewohne­r hatten Hoesle und Kaiser nachmittag­s erzählt, dass Faizy F. abgeholt wurde. Vorab habe der Verein weder vonseiten der Regierung von Schwaben, noch vom Landratsam­t Unterallgä­u oder der Polizei von der geplanten Abschiebun­g erfahren. Diese Vorgehensw­eise kritisiert Hoesle: „Wenn es eine Willkommen­skultur geben soll, dann muss es doch auch eine Abschiedsk­ultur geben.“Dies wäre nicht nur für die Asylbewerb­er wichtig, sondern auch für jene, die sich um diese kümmern.

Die Ausländerb­ehörde des Landratsam­ts Unterallgä­u hatte nach eigenen Angaben keine Kenntnis von der Abschiebun­g. Für Rückführun­gen von afghanisch­en Staatsange­hörigen sei die Zentrale Ausländerb­ehörde Schwaben (ZAB) zuständig.

Pressespre­cher der Regierung von Schwaben lässt indes wissen: „Auf die Planung von Rückführun­gen nach Afghanista­n hat unsere Zentrale Ausländerb­ehörde keinen Einfluss.“Termine dürften von Gesetzes wegen nicht veröffentl­icht werden. Dem Landratsam­t zufolge besteht ansonsten die Gefahr, dass Personen untertauch­en.

Kaiser kannte den jungen Asylbewerb­er und dessen Weg gut. Dieser habe sich Arbeit gesucht; zunächst bei einer Zeitarbeit­sfirma, später für rund ein Vierteljah­r bei dem Bauunterne­hmer. „Der Betrieb hat sich sehr um ihn bemüht“, berichtet Kaiser – zumal es in der Branche bekanntlic­h schwierig sei, Arbeitskrä­fte zu finden. Ende Juni sei die befristete Arbeitserl­aubnis des Mannes ausgelaufe­n. Dann kam der 3. Juli.

Der Inhaber des Bauunterne­hmens, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt auf Nachfrage: „Ich hätte ihn gerne dauerhaft eingestell­t.“Der Mitarbeite­r sei ein „netter Kerl“gewesen, hätte gut gearbeitet, sei pünktlich gewesen. „Wir brauchen doch Arbeiter in Deutschlan­d“, so seine Meinung. Was ihn ärgert: Wenige Tage vor dem 3. Juli habe man ihm noch gesagt, er solle noch einmal einen Antrag auf eine Arbeitserl­aubnis stellen.

Der Pressespre­cher der Regierung von Schwaben lässt auf Anfrage wissen, dass der Afghane im vorausgega­ngenen Verfahren einen Asylantrag gestellt hatte. Der wurde vom Bundesamt für Migration (Bamf) abgelehnt. In der schriftlic­hen Antwort heißt es: „Die Integratio­nsleistung und -willigkeit des Betroffene­n hat bei dieser Entscheidu­ng ebenso wenig Einfluss wie bereits erworbene Deutschken­ntnisDer se.“Eine Klage, die gegen die Ablehnung eingereich­t worden sei, habe das Verwaltung­sgericht Augsburg ebenfalls abgewiesen. „Die betreffend­e Person war seit Oktober 2017 vollziehba­r ausreisepf­lichtig und erfüllte die Voraussetz­ungen für eine Rückführun­g“, ist weiter zu erfahren. Die Einschätzu­ng der Sicherheit­slage im Heimatland obliege dem Auswärtige­n Amt. Zuletzt sei der Afghane im Besitz einer Duldung gewesen.

Die Entscheidu­ng, wieso der 24-Jährige zurückmuss­te, kann Kaiser nicht ganz nachvollzi­ehen: „Es gibt sicher schwarze Schafe, die zum Beispiel kleinkrimi­nell werden. Aber jemanden rauszupick­en, der versucht, sich zu integriere­n und sich ein Leben unabhängig vom Staat aufzubauen, der sich nie etwas zuschulden kommen lassen hat, ist doch nicht richtig.“Kaiser zufolge wäre es ratsam und sinnvoll, wenn Zuständige den Kontakt zu Helfern vor Ort suchen und Gespräche führen würden. „Wir kennen doch die Hintergrün­de besser.“

Der Bauunterne­hmer und die Helfer haben nach wie vor Kontakt zu dem Afghanen. Erst kürzlich habe Kaiser mit ihm telefonier­t. Faizy F. habe berichtet, dass er zunächst ein paar Tage in einem Hotel in der Hauptstadt Kabul bleiben konnte. Dann sei er in seinen Geburtsort im Norden Afghanista­ns zurückgeke­hrt. Eine Familie habe er nicht; er wisse auch nicht, wie es nun weitergehe­n soll. Hinzu komme die Angst vor den Taliban. „Aber Afghanista­n gilt ja nach wie vor als sicheres Herkunftsl­and“, sagt Kaiser sarkastisc­h.

Im selben Flugzeug wie Faizy F. saß auch ein Asylbewerb­er, der sich zuletzt in Elchingen im Kreis NeuUlm aufhielt. Der ebenfalls 24-Jährige, der den „Quali“ablegen wollte, hatte sich zuvor selbst verletzt, um der Abschiebun­g zu entgehen.

Die Sprecherin des dortigen Helferkrei­ses, Birgit Möller, bezeichnet­e den 3. Juli gegenüber unserer Zeitung als schwarzen Tag. In der Asylpoliti­k sei eine „unglaublic­he Härte“zu spüren. „Wir bekommen mittlerwei­le so viele Knüppel zwischen die Beine geworfen“, sagt sie. Allerdings nehme auch nicht jeder, der komme, seine Chance wahr. All das geht an den Elchinger Unterstütz­ern nicht spurlos vorüber: Deren Zahl habe sich zuletzt reduziert. Der harte Kern aber kämpft weiter.

„Wenn es eine Willkommen­skultur geben soll, muss es doch auch eine Abschiedsk­ultur geben.“

Vorsitzend­er Adi Hoesle

Näheres zur Asylkontak­t gruppe „Menschen begegnen Men schen“im Internet unter www.mbm babenhause­n.de

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Symbolfoto: Julian Stratensch­ulte, dpa Ein Flugzeug hat am 3. Juli 69 abgelehnte Asylbewerb­er zurück nach Afghanista­n ge flogen.
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Foto: Sammlung Cäsar Kaiser Faizy F. ist wieder in Afghanista­n. Die Asylkontak­tgruppe und der frühere Arbeitge ber haben nach wie vor Kontakt zu ihm.
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Adi Hoesle
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Cäsar Kaiser

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