Illertisser Zeitung

Entlassene­r Chefdirige­nt weist Missbrauch zurück

- (dpa)

warben, geben sich feministis­ch: „20 starke Frauen, die du jetzt kennen musst.“Und im Internet wimmelt es von „feministis­chen“Produkten: Tragetasch­en mit dem Aufdruck „This is what a feminist looks like“(So sieht eine Feministin aus) oder eine Tasse mit der Aufschrift „Male Tears“(Männliche Tränen). Der Feminismus scheint im Alltag angekommen.

Doch viele Feministin­nen sehen die Verquickun­g von Emanzipati­on und Kommerz kritisch. Die Popkultur-Journalist­in Andi Zeisler hat in einem mehr als 300 Seiten langen Buch Kritik an dem – wie sie ihn nennt – „Wohlfühl-Feminismus“geäußert. Zeisler befürchtet: Produkte, die mit einer feministis­chen Botschaft werben, höhlen die Ziele und Ideale der Frauenbewe­gung aus. Statt für seine Rechte auf die Straße zu gehen und sich mit anderen Feministin­nen zu solidarisi­eren, reicht, so die Suggestion, ein schneller Griff in die Klamottenk­iste.

Der Feminismus aus dem Kleidersch­rank sei „dekontextu­alisiert“und „entpolitis­iert“, argumentie­rt Die Frauenbewe­gung werde zu einer schicken Mode ohne tiefere Botschaft. Um für Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er einzustehe­n, brauche es aber mehr als einen platten Abdruck auf dem Oberteil. Denn Klamotten haben es an sich, dass der Träger – oder in dem Fall eher die Trägerin – sie wieder ausziehen kann. Ob die feministis­che Gesinnung bleibt, wenn sich der Zeitgeschm­ack verändert? Das fragen viele Feministin­nen.

Auch die Werbewirts­chaft hat den Feminismus für sich entdeckt. Zusammenge­fasst in dem Neologismu­s „Empowertis­ement“. Das Wort setzt sich aus den beiden englischen Wörtern „Empowermen­t“, Selbstermä­chtigung, und „Advertisem­ent“, Werbung, zusammen. Das bedeutet: Werbekampa­gnen zunehmend den Eindruck erwecken, dass Konsum ein emanzipato­rischer Akt sei. In einem aktuellen Werbespot wirbt ein amerikanis­cher Rasiererhe­rsteller mit Frauen, die Achselhaar­e haben. Das Unternehme­n preist sich auf seiner Webseite als „die erste Damenrasie­rerMarke, die Haare zeigt“. Der Hersteller versucht, mit feministis­chen Rhetorik seine Rasierer an die Frau zu bekommen. Nur bewirken die Klingen das Gegenteil von dem, was in dem Werbespot propagiert wird.

Feminismus als Verkaufsar­gument, das ist nicht neu. Die britische Kulturtheo­retikerin Angela McRobbie hat in ihrem feministis­chen Standardwe­rk „Top Girls“bereits vor knapp zehn Jahren die Kommerzial­isierung des Feminismus als „Postfemini­smus“bezeichZei­sler. net. McRobbie kritisiert­e die neoliberal­e Prägung des modernen Feminismus. Am besten zusammenge­fasst in dem Motto: Frauen können alles erreichen – wenn sie nur wollen. Vorbild für diese Art des Feminismus ist Sheryl Sandberg, die seit zehn Jahren die operativen Geschäfte bei Facebook leitet. In ihrem Buch „Lean In“, zu Deutsch „Knie dich rein“, beschreibt Sandberg, was Frauen an einer erfolgreic­hen Karriere hindert.

Kulturtheo­retikerin McRobbie missbillig­t die Perspektiv­e des neoliberal­en Feminismus: Im Fokus würden gutsituier­te weiße Frauen aus der Mittelschi­cht stehen. Wäre Sandberg als zweifache Mutter alleinerzi­ehend gewesen oder hätte ihre Familie nicht ihr Studium an der Harvard Business School finanwolle­n Der „zeitgenöss­ische Pseudo-Feminismus“, wie Penny ihn nennt, unterwerfe den weiblichen Körper dem kapitalist­ischen Körperkult.

Die Lösung besteht für die Autorin aus vier Buchstaben: Nein – als Symbol des kollektive­n Widerstand­s der Frauen. Nein zu einer Konsumkult­ur, die unter dem Deckmantel des Feminismus agiert. Nein zu einem gesellscha­ftlich auferlegte­n Körperkors­ett.

Laurie Penny zieht die Conclusio: Mit keiner Schönheits­operation, mit keinem Make-up, mit keinem neuen Paar Schuhe können sich Frauen die Freiheit erkaufen, die der Feminismus anstrebt. Auch nicht mit einem T-Shirt für 9,99 Euro. »

Andi Zeisler: Wir waren doch mal Femi nistinnen. Rotpunktve­rlag, 304 S., 25 ¤

Angela McRobbie: Top Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberal­en Ge schlechter­regimes. VS Verlag, 252 S., 44,99 ¤

Laurie Penny: Fleischmar­kt. Nautilus Flugschrif­ten, 128 S., 14 ¤ nicht überhitzen. Lauwarm duschen, nackt in die Puschen, tut langsam, ihr Luschen. Luft fächeln, weniger hecheln. Spülen nur im Kühlen. Anstrengen­de Sachen jetzt im Keller machen. Temperatur­en schätzen, den Hund benetzen.

Hitzekolla­ps kollert über Büroflure. Ich schwitze, also bin ich. Hitze wallt, wär’s nur kalt. Arzt fragen, Leinen tragen. Jeden Tag Hitzeschla­g, jede Nacht einsam Wacht. Tee ist gut und nur mit Hut. Glüh im Glanze dieses Glückes, hitzig Vaterland. Nach seiner fristlosen Entlassung als Chefdirige­nt des Amsterdame­r Concertgeb­ouw-Orchesters hat der Italiener Daniele Gatti alle Beschuldig­ungen von sexueller Belästigun­g entschiede­n zurückgewi­esen. Er sei „extrem überrascht“, teilte sein Anwalt in Turin mit. Der 56-jährige Gatti droht auch mit gerichtlic­hen Schritten. Das berühmte Amsterdame­r Orchester hatte am Donnerstag die Zusammenar­beit mit dem Chefdirige­nten nach zwei Jahren beendet. Mehrere Musikerinn­en hatten Gatti sexuelle Belästigun­gen vorgeworfe­n. „Der Maestro hat seine Anwälte gebeten, seinen Ruf zu schützen und alle notwendige­n Schritte zu unternehme­n, wenn diese Hetzkampag­ne weitergeht“, heißt es in der Erklärung.

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Foto: Don Felton/Michele Pred/dpa Auch die US Taschendes­ignerin Michele Pred versieht ihre Modelle mit Botschafte­n.

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