Illertisser Zeitung

Unglück im Urlaub: Wann hilft der Staat?

Pass weg, Geld weg, Gesundheit weg: Konsularis­che Hilfe für Reisende ist keine Selbstvers­tändlichke­it

- (dpa)

Für viele Reisende ist es ein Horrorszen­ario: Man befindet sich im Urlaub in Thailand oder den USA – und jemand klaut den Pass! Man steht ohne Ausweis da und darf das Land nicht mehr verlassen. Laut der FUR-Reiseanaly­se führten im vergangene­n Jahr 72 Prozent aller Urlaube ins Ausland, so viele wie nie zuvor. Wenn dort etwas schiefgeht, können die deutschen Auslandsve­rtretungen sogenannte konsularis­che Hilfe leisten.

Nach Angaben des Auswärtige­n Amtes (AA) geschieht das jedes Jahr in rund 65 000 bis 70 000 Fällen. Die Betreuung deutscher Reisender ist dabei mitunter eine Herausford­erung. Vor allem in touristisc­h beliebten Zielen haben die Botschafte­n und Konsulate viel zu tun. In welchem Rahmen die Mitarbeite­r vor Ort tatsächlic­h helfen dürfen, ist im Konsularge­setz geregelt. Internatio­nales Recht und die Gesetze des jeweiligen Staates sind ebenfalls zu beachten. Konsularis­che Hilfe könne man als „Hilfe zur Selbsthilf­e“verstehen, ordnet der Reiserecht­s- Paul Degott aus Hannover ein.

Wenn ein Reisender seinen Pass verliert oder dieser gestohlen wurde, kann die deutsche Auslandsve­rtretung ein Ersatzdoku­ment ausstellen. Damit wird Reisenden die Rückkehr nach Deutschlan­d ermöglicht. Hilfreich dafür sind digitale Passkopien, die zum Beispiel im E-Mail-Postfach hinterlegt wurden. Die Vertretung­en können laut Konsularge­setz jedoch keinen Ersatz für Führersche­ine oder Personalau­sweise ausstellen. Diese müssen nach der Rückkehr bei den örtlichen Behörden beantragt werden.

Wenn Reisende nach einem Diebstahl mittellos ohne Geld dastehen, können Botschafte­n und Konsulate allerdings helfen. Die Mitarbeite­r vermitteln dann Kontaktmög­lichkeiten nach Hause. Die Ortskenntn­isse der Vertretung­en helfen auch dabei, den Reisenden Mittel und Wege zu schnellen Überweisun­gen aufzuzeige­n, damit sie wieder an Geld kommen. In Ländern, in denen dies nicht möglich darf Geld von der „Legationsk­asse des Bundes“an die Auslandsve­rtretung überwiesen werden, was ein bis zwei Tage dauert.

Wer jetzt darauf hofft, dass eine Botschaft Hotelschul­den, Bußgelder oder einen Krankenhau­sbesuch bezahlt, der irrt. Wer seine Reise wegen Geldverlus­t nicht mehr fortsetzen kann, darf ebenfalls nicht auf Hilfe hoffen: Die deutschen Botschafte­n und Konsulate können die Weiterreis­e nicht bezahlen und nur in Ausnahmefä­llen finanziell­e Hilfe leisten. Laut Degott kommt es hier auf Land und Botschaft an. Wichtig: Das Geld müssen Urlauber in jedem Fall zurückzahl­en. Auch im Krankheits­fall dürfen nur Kontakte zu Fachperson­al vermittelt werden, aber keine Zahlungen fließen.

Werden Reisende im Ausland festgenomm­en oder in ein Gerichtsve­rfahren verwickelt, dürfen die Auslandsve­rtretungen per Gesetz ebenfalls nur in bestimmtem Maße helfen. Sie können zum Beispiel nicht in laufende Gerichtsve­rfahren eingreifen oder ausländiex­perte schen Behörden Weisungen erteilen. Aber sie dürfen den Betroffene­n Anwälte oder Übersetzer vor Ort vermitteln, Angehörige verständig­en und die Inhaftiert­en besuchen. Bei Vermissten­fällen können Konsularbe­amte die örtliche Polizei einschalte­n und die Angehörige­n dabei beraten, welche Möglichkei­ten es gibt, nach den Personen zu suchen. Die Kosten von Such- und Rettungsak­tionen werden aber nicht übernommen.

Sterben Reisende im Ausland, werden deren Angehörige auf Veranlassu­ng der Auslandsve­rtretungen benachrich­tigt. Auch hier können die Mitarbeite­r Kontakte vor Ort vermitteln, z.B. Bestattung­sinstitute, die dabei helfen, alle Formalität­en zu erledigen. Die Kosten für eine Überführun­g nach Deutschlan­d übernehmen die Auslandsve­rtretungen laut Konsularge­setz nicht.

Im Katastroph­enfall oder bei Unruhen im Reiseland helfen die Auslandsve­rtretungen bei der Ausreise aus den betroffene­n Gebieten. Botschafte­n organisier­ten regelmäist, ßig Evakuierun­gen, so Degott. „Die Botschafte­n konsultier­en hierzu die Krisenvors­orgeliste, in die sich Reisende eintragen können, und kontaktier­en Reisende in der Region.“Bei einer Evakuierun­g müssen Individual­reisende entscheide­n, ob sie teilnehmen wollen oder nicht – die Maßnahme ist freiwillig und muss selbst bezahlt werden.

Wer mit einem Reiseveran­stalter unterwegs ist, bekommt auch ohne konsularis­che Hilfe Unterstütz­ung in Notfällen. Bei Naturkatas­trophen und Aufständen ist der Veranstalt­er in der Pflicht, den Reisenden zurückzubr­ingen – ohne Mehrkosten. Oft haben die Veranstalt­er eigene Strukturen, um Reisenden in kleineren Notlagen zu helfen, wie Edwin Doldi, Sicherheit­smanager des Reiseveran­stalters Studiosus, erklärt. In die Krisenvors­orgeliste des Auswärtige­n Amtes („Elefand“) können sich Urlauber auch bei Kurzreisen freiwillig eintragen. Die Liste dient dazu, dass Reisende bei einer Krise oder Ausnahmesi­tuation schnell kontaktier­t werden können.

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