Illertisser Zeitung

Hilfe für traumatisi­erte Flüchtling­e

Das Büro in Illertisse­n soll Anlaufstel­le für Menschen sein, die ihre Heimat verlassen und dabei Schlimmes erfahren haben. Damit soll auch die Integratio­n vereinfach­t werden

- VON JONATHAN MAYER

Krieg, Hunger, Verfolgung. Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen und fliehen. Bei vielen der Geflüchtet­en hinterlass­en die Erlebnisse zu Hause und auf dem Weg in ein anderes, sicheres Land, bleibende Schäden – vor allem psychische. In Illertisse­n wurde gestern eine Beratungss­telle eröffnet, die bei der Verarbeitu­ng dieser teils traumatisc­hen Erfahrunge­n helfen und damit auch die Integratio­n vereinfach­en will.

Das neue Angebot ist Teil der 2014 gegründete­n Initiative „Taff“, was für „Therapeuti­sche Angebote für Flüchtling­e“steht. Ihr Ziel ist es, ein Netzwerk aus Therapeute­n und Dolmetsche­rn aufzubauen, um Flüchtling­en zu helfen, die Traumata zu überwinden. Hinter dem Projekt stehen die Stiftung „Welten verbinden“und die Diakonie NeuUlm.

Melanie Pongratz arbeitet für „Taff“in Illertisse­n. Sie sagt: „Wir wollen ein Angebot schaffen, an das sich Flüchtling­e wenden können, wenn sie Probleme haben.“Denn es gebe viele, die an den psychische­n Folgen leiden. „Das kommt oft erst einige Jahre später wieder hoch, wenn die Personen eine eigene Wohnung und vielleicht auch eine Arbeitsste­lle haben. Dann ist unbedingt Behandlung nötig.“Aber nicht nur die Flucht an sich könne Traumata verursache­n. Auch Menschen, denen eine Abschiebun­g droht, bräuchten oftmals therapeuti­schen Beistand.

In der Kontaktste­lle gehe es aber um mehr als nur Betreuung. Psychologi­n Sashi Singh sagt, dass es genauso wichtig sei, Alleinsteh­enden eine Stütze und auch Vertrauens­person zu sein. Sie spricht von ei- nem „Beziehungs­angebot“. „Nicht jeder, der hierher kommt, hat ein psychische­s Problem. Wir wollen auch Ansprechpa­rtner sein für Leute, die einfach allein sind.“Immerhin hätten viele ihre Familie und Freunde in ihrem Heimatland zurücklass­en müssen. Das mache einsam.

Insgesamt, so ist es beim Landratsam­t zu erfahren, leben derzeit knapp 789 Flüchtling­e im Landkreis Neu-Ulm, ungefähr 130 davon in Illertisse­n. „Die Zahlen sind aber nie absolut, da kann sich täglich etwas ändern“, erklärt Alexander Groß, Teamleiter der Asylstelle im Landratsam­t. Wie viele davon die Betreuung in der neuen Kontaktste­lle in Anspruch nehmen werden, ist aber noch ungewiss. Denn das Angebot ist freiwillig. In ganz Bayern ist das Projekt mittlerwei­le aktiv. Auch in Starnberg, Freising und Rosenheim gibt es die Initiative. Stefan Schmid, einer der Leiter von „Taff“, sagt: „Wir sind in insgesamt zwölf Landkreise­n und zwei kreisfreie­n Städten vertreten.“14 000 Flüchtling­e werden laut Schmid bereits betreut. Auch im Landkreis Neu-Ulm ist das Konzept nicht unbekannt: Bis vor Kurzem war die Kontaktste­lle, die jetzt in Illertisse­n eröffnet hat, in Neu-Ulm zu Hause. „Dort mussten wir aber raus“, sagt Pongratz. Der Mietvertra­g sei nicht verlängert worden. Pongratz sieht das jedoch positiv. Denn von Illertisse­n aus könne man die Zielgruppe besser erreichen. „In Neu-Ulm kamen vor allem die, die ohnehin in der Stadt leben“, erklärt sie. Von den umliegende­n Kleinstädt­en und kleineren Gemeinden hätten aber nur wenige das Hilfsangeb­ot in Anspruch genommen. Dabei sei das eigentlich­e Ziel von „Taff“, gerade die Flüchtling­e zu erreichen, die in ländlichen Regionen untergebra­cht sind. Psychologi­n Singh sieht das ähnlich: Abseits der Großstädte falle es vielen Flüchtling­en und Asylbewerb­ern schwerer, den Anschluss an die Gesellscha­ft zu finden. „Ich glaube, gerade in Bayern ist das nicht leicht“, sagt Singh.

Damit das klappt, sollen sich laut Singh in Illertisse­n künftig drei Mitarbeite­r um die Betreuung kümmern: Eine Psychologi­n, eine Koordinato­rin und eine Sozialpäda­gogin. Momentan sind sie auch auf der Suche nach Dolmetsche­rn, um das Netzwerk aus Helfern zu erweitern. Die Dolmetsche­r seien oft bei den Therapiesi­tzungen nötig, um die Kommunikat­ion zu erleichter­n.

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Foto: Jonathan Mayer Die Helferinne­n in Illertisse­n (von links): Melanie Pongratz, Corinna Deininger, Sashi Singh, Anja Krauß und Sigrun Rose.

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