Hilfe für traumatisierte Flüchtlinge
Das Büro in Illertissen soll Anlaufstelle für Menschen sein, die ihre Heimat verlassen und dabei Schlimmes erfahren haben. Damit soll auch die Integration vereinfacht werden
Krieg, Hunger, Verfolgung. Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen und fliehen. Bei vielen der Geflüchteten hinterlassen die Erlebnisse zu Hause und auf dem Weg in ein anderes, sicheres Land, bleibende Schäden – vor allem psychische. In Illertissen wurde gestern eine Beratungsstelle eröffnet, die bei der Verarbeitung dieser teils traumatischen Erfahrungen helfen und damit auch die Integration vereinfachen will.
Das neue Angebot ist Teil der 2014 gegründeten Initiative „Taff“, was für „Therapeutische Angebote für Flüchtlinge“steht. Ihr Ziel ist es, ein Netzwerk aus Therapeuten und Dolmetschern aufzubauen, um Flüchtlingen zu helfen, die Traumata zu überwinden. Hinter dem Projekt stehen die Stiftung „Welten verbinden“und die Diakonie NeuUlm.
Melanie Pongratz arbeitet für „Taff“in Illertissen. Sie sagt: „Wir wollen ein Angebot schaffen, an das sich Flüchtlinge wenden können, wenn sie Probleme haben.“Denn es gebe viele, die an den psychischen Folgen leiden. „Das kommt oft erst einige Jahre später wieder hoch, wenn die Personen eine eigene Wohnung und vielleicht auch eine Arbeitsstelle haben. Dann ist unbedingt Behandlung nötig.“Aber nicht nur die Flucht an sich könne Traumata verursachen. Auch Menschen, denen eine Abschiebung droht, bräuchten oftmals therapeutischen Beistand.
In der Kontaktstelle gehe es aber um mehr als nur Betreuung. Psychologin Sashi Singh sagt, dass es genauso wichtig sei, Alleinstehenden eine Stütze und auch Vertrauensperson zu sein. Sie spricht von ei- nem „Beziehungsangebot“. „Nicht jeder, der hierher kommt, hat ein psychisches Problem. Wir wollen auch Ansprechpartner sein für Leute, die einfach allein sind.“Immerhin hätten viele ihre Familie und Freunde in ihrem Heimatland zurücklassen müssen. Das mache einsam.
Insgesamt, so ist es beim Landratsamt zu erfahren, leben derzeit knapp 789 Flüchtlinge im Landkreis Neu-Ulm, ungefähr 130 davon in Illertissen. „Die Zahlen sind aber nie absolut, da kann sich täglich etwas ändern“, erklärt Alexander Groß, Teamleiter der Asylstelle im Landratsamt. Wie viele davon die Betreuung in der neuen Kontaktstelle in Anspruch nehmen werden, ist aber noch ungewiss. Denn das Angebot ist freiwillig. In ganz Bayern ist das Projekt mittlerweile aktiv. Auch in Starnberg, Freising und Rosenheim gibt es die Initiative. Stefan Schmid, einer der Leiter von „Taff“, sagt: „Wir sind in insgesamt zwölf Landkreisen und zwei kreisfreien Städten vertreten.“14 000 Flüchtlinge werden laut Schmid bereits betreut. Auch im Landkreis Neu-Ulm ist das Konzept nicht unbekannt: Bis vor Kurzem war die Kontaktstelle, die jetzt in Illertissen eröffnet hat, in Neu-Ulm zu Hause. „Dort mussten wir aber raus“, sagt Pongratz. Der Mietvertrag sei nicht verlängert worden. Pongratz sieht das jedoch positiv. Denn von Illertissen aus könne man die Zielgruppe besser erreichen. „In Neu-Ulm kamen vor allem die, die ohnehin in der Stadt leben“, erklärt sie. Von den umliegenden Kleinstädten und kleineren Gemeinden hätten aber nur wenige das Hilfsangebot in Anspruch genommen. Dabei sei das eigentliche Ziel von „Taff“, gerade die Flüchtlinge zu erreichen, die in ländlichen Regionen untergebracht sind. Psychologin Singh sieht das ähnlich: Abseits der Großstädte falle es vielen Flüchtlingen und Asylbewerbern schwerer, den Anschluss an die Gesellschaft zu finden. „Ich glaube, gerade in Bayern ist das nicht leicht“, sagt Singh.
Damit das klappt, sollen sich laut Singh in Illertissen künftig drei Mitarbeiter um die Betreuung kümmern: Eine Psychologin, eine Koordinatorin und eine Sozialpädagogin. Momentan sind sie auch auf der Suche nach Dolmetschern, um das Netzwerk aus Helfern zu erweitern. Die Dolmetscher seien oft bei den Therapiesitzungen nötig, um die Kommunikation zu erleichtern.