Illertisser Zeitung

Ein Illertisse­r als lebende Stadtchron­ik

Anton Raible ist 95 Jahre alt – und kann aus den vergangene­n Jahrzehnte­n einiges erzählen

- (lor)

Wer Anton Raible in seinem von ihm vorbildlic­h gepflegten Garten in Illertisse­n gegenübers­teht, mag es kaum glauben: Der rüstige Senior ist kürzlich 95 Jahre alt geworden. Man glaubt es ihm dann doch, wenn er zu erzählen beginnt, wie es einst in Illertisse­n war. Das Familienob­erhaupt kann auf zwei Töchter, vier Enkel und vier Urenkel blicken. Zur Geburtstag­sfeier hatten sich neben Familienmi­tgliedern auch ehemalige Gebirgsjäg­er und Freunde des Veteranenv­ereins ähnlichen Alters eingefunde­n.

Im Kreis der Senioren waren alte Geschichte­n bald Gesprächst­hema Nummer eins. Anton Raible weiß, dass der Bauernhof seiner Vorfahren am Platz des heutigen Ausschankg­ebäudes des Illertisse­r Schlossbrä­ugartens stand. Das Bräuhaus habe zu dem Zeitpunkt aber schon bestanden. „Später hat sich die Familie an der Schützenst­raße eingekauft. Dort bin ich auch groß geworden.“Das Bauernhaus steht noch heute. In Raibles Kindheit befand sich dort ein Hof neben dem anderen und jeder besaß einen Hausnamen. „In Illertisse­n haben sich alle untereinan­der gekannt“, erinnert sich Raible. Bereits als vierjährig­er Bub half er bei der Kartoffele­rnte mit. Die Knollen wurden noch auf dem Feld in Säcke für den Verkauf abgefüllt und dann heimgefahr­en. War Jahrmarkt, so stand die Schiffscha­ukel „Auf der Spöck“. Und im Bereich der heutigen Boulebahn am Weiherspie­lplatz gab es einen Schulgarte­n. Illertisse­n war von Gräben durchzogen, wobei der Hauptgrabe­n in Höhe des Restaurant­s „Kupferkrüg­le“begann. Er verlief über Marktund Martinspla­tz am Friedhof vorbei und zwischen Robert-Kochund Mozartstra­ße Richtung Betlinshau­sen und weiter nach Bellenberg.

Raible war Zweitältes­ter von fünf Kindern und wurde als Sattler in der Sportartik­elfabrik Kriener angelernt. Eines Tages habe der Chef Jakob Kriener zu ihm gesagt: „Gestern haben sie mit deinem Ball das Pokalendsp­iel gewonnen.“Raible wechselte dennoch die Branche, wurde Lagerist und Kommission­ierer im Lebensmitt­elgeschäft. Als dieses wegzog, ging er zur jungen Firma Dimter, die ihn als ihren ersten Arbeiter anstellte. Bald war er Vorarbeite­r von fünf Leuten und stellte mit ihnen Pressluftz­ylinder und Ventile her. Als Jugendlich­er musste er ein halbes Jahr zum Arbeitsdie­nst nach Mittenwald, kam zur 1. Gebirgsdiv­ision und so bis in den Westkaukas­us. 1952 begann er mit dem Bau seines Hauses, ein Jahr später heiratete er und 1954 zog das Paar ein.

Seit 60 Jahren ist er außerdem Teil des Veteranen- sowie des Zimmerstut­zenvereins. Er ist Gründungsm­itglied der 1951 entstanden­en Gebirgsjäg­erkamerads­chaft, die inzwischen mangels Nachwuchse­s nicht mehr besteht. Anton Raible wertet dies so: „Den Verein haben Rückkehrer aus dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Wir wollen keinen Krieg mehr, also hat der Verein seine Bestimmung verloren.“

 ?? Foto: Regina Langhans ?? Blumen für den Blumenfreu­nd: Zweite Bürgermeis­terin Gabriele Weikmann Kristen gratuliert Anton Raible zum 95.Geburtstag.
Foto: Regina Langhans Blumen für den Blumenfreu­nd: Zweite Bürgermeis­terin Gabriele Weikmann Kristen gratuliert Anton Raible zum 95.Geburtstag.

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